Die 100-Tage-Story
Aus der Politik ist der Terminus als Schonfrist zum Eingewöhnen bekannt. Wirtschaft ist anders: AGRE-GF Ing. Peter Lamm hatte nach seinem Management-buy-out weder diese Schonfrist, noch brauchte er sie.
Auch wenn im politischen Österreich seit Februar die Uhren anders ticken, im allgemeinen gönnt die Öffentlichkeit den Politikern 100 Tage, sich in ihrem neuen
Metier einzuleben. Anders, wenns ans Eingemachte, sprich: an Soll und Haben geht. Da wiegen die Tage, bis ein neuer Geschäftsführer, ein neues Team oder eine neue Situation den Weg in den wirtschaftlichen Alltag geschafft haben, doppelt und dreifach. Denn zusätzlich zum Business as usual muss alles aufgearbeitet werden, was in der Anlaufphase sozusagen liegengeblieben ist.
Der lange Weg
Seit mehr als 80 Jahren bestimmt der Name AGRE das Geschehen in der österreichischen Druckluft-Szene mit.
Zunächst war es der Wiener Firmengründer und-besitzer Arthur Greiner, der dem Unternehmen bis zu seinem altersbedingten Ausscheiden vorstand. Kinderlos, übertrug er seine mittlerweile nach Steyr übersiedelte Firma auf den deutschen Mahle-Konzern, der sie später an den CompAir-Bereich der englichen
Siebe-Gruppe weiterverkaufte.
Wiewohl im mittelständischen Bereich positioniert, hielt sich das Unternehmen gut und entwickelte unter der Geschäftsführung von Ing. Peter Lamm geradezu eine „K.u.K.-Dynamik“ – man expandierte erfolgreich in die neuen Reformstaaten, die weiland Kronländer der Monarchie waren.
Mit dem Übergang der Siebe-Gruppe in den noch größeren Invensys-Konzern wendete sich das „Kriegsglück“. Dem Shareholder-value verpflichtet, sollte der CompAir-Sektor weiter gestrafft und damit die Österreich-Tochter
CompAir-AGRE vom produzierenden Unternehmen unter Streichung des kleinen und mittleren Produktbereiches in eine Repräsentaz rückgestuft werden, was mittlerweile geschah.
Konzernpolitik ist eine Seite, die Kenntnis des Erreichten und der Möglichkeiten am heimischen Markt eine andere. Und so versuchte
Peter Lamm seit vergangenen September mit der deutschen ABAC-Gruppe im Rücken, das klassische AGRE-Programm via Management-buy-out zu erwerben, was nach sechs Monaten gelang – wir berichteten in unserer April-Ausgabe.
Neue, „alte“ AGRE
Kurz vor der Sommerpause saß ich dem neuen, „alten“ Geschäftsführer gegenüber, im neuen Firmendomizil, nur einen Steinwurf und eine Hausnummer von der alten Unternehmens-adresse entfernt – wie war der Anfang unter dem neuen Dach, so meine Eingangsfrage.
„Schon nach zehn Wochen darf ich berichten, dass wir sehr positiv in allen Bereichen angelaufen sind“, freut sich Peter Lamm. „Es hat sich einfach ausgezahlt, dass man, wenn man richtig plant, auch richtig starten kann. Denn erst am 31. März konnte die Umsiedlung von 4.900 verschiedenen Komponenten mit dazugehörender Logistik erfolgen, mussten eine neue EDV-Anlage, neue Büroeinrichtungen, neue Lagereinrichtungen raschest installiert werden. Für das alles waren nur wenige Tage vorgesehen, denn am 3. April erfolgte der offizielle
aktive Arbeitsbeginn – es hat hervorragend funktioniert.“
Und funktioniert immer weiter: „Ich kann berichten, dass wir nach nur zehn Wochen schon fünf weitere Mitarbeiter einstellen konnten, jetzt sind wir schon 25“, berichtet Lamm. „Da wir gerade bei den Zahlen sind, in den ersten beiden Monaten haben wir mehr als 3.800 Geschäftsfälle abwickeln können – wir sind stolz auf diesen „Kraftakt“, der bedingt, dass kaum einer aus unserer Mannschaft vor 21 Uhr das Unternehmen verlässt.“
Generell, so der Geschäftsführer weiter, hat sich die Organisation von Anfang an bestätigt, kleine, durch die Umlagerung verursachte „Schnitzer“ wurden von der Kundschaft verständnisvoll aufgenommen.
Wie reagierte „König Kunde“ auf den Firmenwechsel?
„Ausschließlich positiv“, sagt Ing. Lamm und fasst zusammen: „Unsere Kundschaft hat sehr gut verstanden, dass, wenn wir das nicht gemacht hätten, sowohl der gute und eingeführte Name AGRE wie auch österreichische
Arbeitsplätze verloren gegangen wären. Und da wir es auch mit vielen kleineren Gewerbebetrieben zu tun haben, wo enge Bindungen zwischen den Unternehmern und der Belegschaft herrschen, kamen diese Argumente sehr gut an. Außerdem ist die übernommene Mannschaft besonders motiviert und hat vom ersten Tag an alles getan, unsere Kunden zufriedenzustellen.“
Das AGRE Programm
Was hat nun die Wirtschaft zu erwarten, wenn AGRE zur Offertlegung geladen wird?
„Wir bieten das bekannte klassische AGRE-Programm für den Fachhandel“, bringt es Peter Lamm auf den Punkt. „Also trag-oder fahrbare oder auch stationäre Klein-Kolbenkompressoren mit einer Leistung von 0,5 bis 4 kW, ein kompetentes Farbspritzgeräte-Programm, ein Pflegegeräte-Programm und Druckluft-Werkzeuge, auch das bekannte TECALAN-Druckluftleitungs-Netz wird von uns vertrieben.
Und für Gewerbe und Kleinindustrie haben wir Schraubenkompressoren bis zu 22 kW oder
3,4 m3/min Luftleistung aus dem Hause ALUP, einem deutschen Unternehmen, das so wie wir zur ABAC-Gruppe gehört, im Angebot: Zum einen offerieren wir kompakte Kompressoren von 5,5 bis 11 kW als Gesamtlösungen unter dem Namen „Genesis“. Dabei handelt es sich um Schraubenkompressoren inklusive Kältetrockner und 270-Liter-Behälter in einem isolierten, geräuscharmen Gehäuse, die steckerfertig angeboten werden. Außerdem haben wir noch Schraubenkompressoren von 5,5 bis
22 kW für die Aufstellung in Verbindung mit Behältern sowie Druckluftaufbereitung wie
etwa Kältetrockner, Mikrofilter, etc. Momentan ist damit nach oben Schluss, denn wir haben uns verpflichtet, bis zum 31. 3. 2001 nur bis zu 22 kW tätig zu sein, danach gibt es keine weitere Einschränkung mehr, sodass wir dann mit ALUP-Anlagen bis zu 450 kW anbieten und als Vollsortimenter in der Drucklufttechnik mit den großen Anbietern in Wettbewerb treten werden.“
Und, so Ing. Lamm weiter, dass man dabei von Anfang an auf den After-Sales-Bereich besonders genau
sehe, verstehe sich von selbst: „Wir haben derzeit sechs Mitarbeiter im Feld für Reperatur- und Wartungsarbeiten sowie weitere zwei Service-Ingenieure, die im Hause via Hotline Auskunft geben können, die Wartungsverträge ausarbeiten und das After-Sales-Geschäft organisieren, während im aktiven Neuverkauf fünf Mitarbeiter beschäftigt sind. Man sieht auch daran, wie wertvoll uns die Kundenorientierung im Nachgeschäft – und nicht nur im Neugeschäft – ist.
Die AGRE Vision
„Mein absolutes Ziel ist, wieder jenen Stellenwert einzunehmen, den die Firma CompAir-Agre vor dem Management-buy-out hatte, nämlich, einer der bedeutendsten Druckluft-Anbieter in Österreich zu sein. Das sind wir jetzt schon wieder in dem Bereich Heim und Handwerk, aber wir wollen auch im Bereich Gewerbe und Industrie jene Rolle spielen, die wir früher hatten, also einen Marktanteil von 25 bis 35% abdecken. Dieses Ziel haben wir uns für die nächsten drei Jahre gesteckt.
Die ersten drei Monate zeigen einen positiven Trend auf; nach der Sommerpause wird man sehen, ob er sich auch so fortsetzt, ich bin überzeugt davon.“
Mittlerweile sind mehr als 100 Tage verstrichen. Peter Lamm hat sie offenbar gut genützt. Und Artur Greiner hätte wohl seine Freude daran, dass sein Name erhalten bleibt.
Dieter Schaufler
AGRE Kompressoren GmbH
Hr. GF Ing. Peter Lamm
Tel. (07252) 523 41-0
FAX (07252) 521 33