Es ist eine lange Tradition, dass das Oberhaupt der deutschen Bundesregierung auf der IAA eine Rede hält und anschließend die Stände einiger ausgesuchter Unternehmen besucht. Natürlich fiel die IAA 2013 in die Hochphase des Bundestags-Wahlkampfs, aber abgesehen von der expliziten Erwähnung, sich in Brüssel für eine adäquate Bewertung von E-Fahrzeugen im Rahmen der CO2-Emissionsvorgaben einzusetzen, die vor allem den deutschen Premiumherstellen zugutekäme, hielt Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel eine ganz normale IAA-Rede. So stellte sie fest, dass sich die Nationale Plattform Elektromobilität bewährt habe, „aber das Ziel ist und bleibt: Wir wollen bis 2020 eine Million Elektroautos auf Deutschlands Straßen bringen“. Sie setzt auf exponentielles Wachstum bei den E-Fahrzeugen: „Wir beobachten mit Freude, dass jetzt mehr und mehr marktfähige Modelle entstehen und daraus wird sich noch einmal eine bestimmte Dynamik entwickeln.“

Bild 1: Beim Ihrem Messerundgang besichtigten Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel und Bundesverkehrsminister Dr. Peter Ramsauer (Mitte) auch den neuen BMW i3. BMW-Chef Norbert Reithofer (2. von rechts) erklärt die Details.

Bild 1: Beim Ihrem Messerundgang besichtigten Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel und Bundesverkehrsminister Dr. Peter Ramsauer (Mitte) auch den neuen BMW i3. BMW-Chef Norbert Reithofer (2. von rechts) erklärt die Details.Alfred Vollmer

Da ist es kein Wunder, dass der Messerundgang der Kanzlerin zu größten Teilen einen Fokus auf Elektro- und Hybridfahrzeuge sowie die entsprechenden Zulieferteile hatte. Sie begann ihren (sorgfältig geplanten) Rundgang am Stand von Mercedes-Benz, wo Dr. Dieter Zetsche, der Vorstandsvorsitzende der Daimler AG, ihr die Vorteile des neuen S 500 Plug-In-Hybrid als Drei-Liter-Auto schmackhaft machte, das immerhin 30 km rein elektrisch fahren kann, wobei Dr. Zetsche auch diverse andere Vorteile des Fahrzeugs – vor allem im Bereich der Fahrerassistenz – herausstellte.

Dabei blieb allerdings weder Zeit, einen Blick auf den als Einzelexponat ausgestellten Antriebsstrang des S 500 Plug-In-Hybrids oder auf den SLS AMG Coupé Electric Drive  zu werfen, noch die vollelektrischen Versionen der B-Klasse zu besichtigen. Die vier Elektromotoren des SLS AMG Coupe Electric Drive ermöglichen mit ihrer Spitzenleistung von 552 kW (751 PS) ein maximales Drehmoment von 1000 Nm und eine Beschleunigung von 0 auf 100 km/h binnen 3,9 s. Die Höchstgeschwindigkeit dieses 416.500 Euro teuren Fahrzeugs mit 250 km Reichweite gibt Daimler mit 250 km/h an.

In der nächsten Halle, bei Volkswagen, drehte sich beim Besuch der Kanzlerin alles um den neuen E-Golf. Volkswagens Vorstandsvorsitzender Prof. Dr. Martin Winterkorn ermöglichte der Kanzlerin nach dem Probesitzen dann auch einen Blick unter die Motorhaube und informierte über den Einbauort der Batterie. Obwohl die reinelektrische Version des VW Up auch als Exponat sichtbar war und mittlerweile lieferbar ist, stand dieses Fahrzeug nicht auf der Agenda dieses Rundgangs.

Bild 5: C Evolution nennt BMW seine Motorrad-Baureihe mit rein elektrischem Antrieb. Auf diesem Bild ist die Verkleidung abgenommen, um den Blick auf wesentliche Komponenten des Antriebsstrangs zu ermöglichen.

Bild 5: C Evolution nennt BMW seine Motorrad-Baureihe mit rein elektrischem Antrieb. Auf diesem Bild ist die Verkleidung abgenommen, um den Blick auf wesentliche Komponenten des Antriebsstrangs zu ermöglichen.BMW

Porsche-Vorstand Matthias Müller brachte ihr anschließend die Vorzüge des Panamera S E-Hybrid näher, bevor mit Audi die dritte Marke im VW-Konzern Besuch von der Kanzlerin erhielt. Audi-Vorstand Rupert Stadler erklärte Details über den Audi A3 Sportback e-tron sowie das direkt daneben platzierte 515 kW (700 PS) starke Showcar Audi Sport quattro concept, dessen Plug-in-Hybridantrieb für einen rechnerischen Normverbrauch von 2,5 l/100 km sorgt – und das bei einer Beschleunigung von 0 auf 100 km/h in 3,7 s.

Mit den Worten „Willkommen bei der Familie Kirchhoff“ begrüßte Arndt Kirchhoff  die Bundeskanzlerin auf seinem Stand. Das mittelständische Unternehmen mit etwa 11.000 Mitarbeitern fertigt unter anderem Leichtbau-Elemente für Fahrzeuge – und exakt darüber erkundigte sich die deutsche Regierungschefin.

Am nur wenige Meter entfernten Stand von Schaeffler brachte Dr. Jürgen Geißinger, der Vorsitzende der Schaeffler-Geschäftsführung, das Thema 48-V-Technik zur Hybridisierung aufs Tablett, indem er wesentliche Elemente und Vorteile dieser neuen Technologie erläuterte. Dabei erwähnte er auch die Möglichkeiten der engen Zusammenarbeit mit Continental, die mit ihrem „48 V Eco Drive“ sowie der „Elektrifizierung nach Maß“ entsprechende Konzepte anbieten.

Bild 10: BMW hat im i3 serienmäßig eine SIM-Karte verbaut. Das ConnectedDrive-Infotainment ermöglicht eine intermodale Routenführung, die auch Verbindungen des öffentlichen Nahverkehrs in die Mobilitätsplanung einbezieht.

Bild 10: BMW hat im i3 serienmäßig eine SIM-Karte verbaut. Das ConnectedDrive-Infotainment ermöglicht eine intermodale Routenführung, die auch Verbindungen des öffentlichen Nahverkehrs in die Mobilitätsplanung einbezieht.Alfred Vollmer

Das 48-V-System ergänzt das traditionelle 12-V-Bordnetz um eine 48-V-Spannungslage mitsamt den zugehörigen elektrischen Komponenten. Diese Elektrifizierung des Antriebsstrangs schließt die Lücke zwischen den heutigen 12-V-Start-Stopp-Systemen als kleinste Form der Hybridisierung und den aufwendigeren Hochvolt-Hybriden. Bei geringem Integrationsaufwand erschließt der „48 Volt Eco Drive“ somit bereits vieles an Funktionen und Verbrauchsvorteilen, die bisher dem Mild-Hybrid mit seiner höheren elektrischen Spannung vorbehalten waren. In seiner letzten Ausbaustufe ermöglicht das System wohl eine Kraftstoffersparnis von rund 13 Prozent im NEFZ (Neuer Europäischer Fahrzyklus), so dass die ersten OEMs damit wohl in 2016 in Produktion gehen werden.

Da beim nächsten Stopp der Kanzlerin, am Stand des französischen Konzerns Michelin, keine Mikrofone zum Einsatz kamen, können wir über die Gespräche zwischen Frau Merkel und Jean-Dominique Senard, dem Vorstandsvorsitzenden von Michelin, nicht berichten.

Dafür dauerte der Besuch bei Bosch umso länger, obwohl Dr. Volkmar Denner, Vorsitzender der Bosch-Geschäftsführung, erst knapp zwei Wochen zuvor der Kanzlerin auf der Messe Eurobike den Pedelec-Antrieb erklärt hatte, für den sich Frau Merkel vor zwei Jahren am Bosch-Stand mehr interessiert hatte als für die Halbleiter aus der damals frisch eröffneten Reutlinger Fab. Dr. Denner präsentierte der Kanzlerin das breite Portfolio des Zulieferers im Bereich Elektromobilität – vom Motor über die Leistungselektronik bis zur Batterie, und er gab ihr das nach seinen Angaben „kleinste und kompakteste Mold-Modul der Welt“ (zum Einsatz in Invertern) in die Hand.

Bild 14: Bosch-Chef Dr. Volkmar Denner (rechts) erklärt der Bundeskanzlerin, Hessens Ministerpräsident (links) und dem Bundesverkehrsminister (Mitte)  die Vorzüge der Mold-Module, die besonders kompakte Inverter ermöglichen.

Bild 14: Bosch-Chef Dr. Volkmar Denner (rechts) erklärt der Bundeskanzlerin, Hessens Ministerpräsident (links) und dem Bundesverkehrsminister (Mitte) die Vorzüge der Mold-Module, die besonders kompakte Inverter ermöglichen.Alfred Vollmer

Auch Dr. Denner erwähnte dabei die 48-V-Strategie, die er im Rahmen einer Pressekonferenz bereits folgendermaßen erklärte: „Den Übergang in die Hybridwelt ermöglichen wir schon in der automobilen Mittelklasse. Beispiel Boost Recuperation System: ein 48-V-Generator, eine kompakte Lithium-Ionen-Batterie – schon damit gewinnen wir so viel Bremsenergie, dass wir sieben Prozent Kraftstoff einsparen können. Viel Nutzen mit wenig Aufwand.“ Dr. Denner erklärte, dass Bosch bis 2014 „rund um die Elektromobilität 30 Serienprojekte realisiert haben“ wird, und er sprach davon, dass es darum geht, „die Kosten der Li-Ionen-Batterie mindestens (zu) halbieren“, und hierzu hat Bosch mit den beiden japanischen Partnern GS Yuasa und Mitsubishi ein Joint-Venture vereinbart. „Noch steht die kartellrechtliche Genehmigung aus“, führte Dr. Denner weiter aus. „Doch wird das geplante Gemeinschaftsunternehmen mit Sitz in Stuttgart unser Know-how in Elektronik und Sensorik mit Expertise in der Zellchemie verbinden.“

Nur ein paar Meter weiter zeigte Opels Vorstandsvorsitzender Dr. Karl-Thomas Neumann der Kanzlerin eine „Monza  Concept“ genannte Studie mit Flügeltüren (und konventionellem Antrieb), bevor die Regierungschefin dann gleich weiter zu Ford ging, um in Anwesenheit von Ford-Deutschland-Chef Bernhard Mattes in einer S-Max-Designstudie Platz zu nehmen. Für den 107 kW (145 PS) starken, mit einer 23 kWh-Batterie ausgerüsteten und mit 162 km Reichweite angegebenen Ford Focus Electric, den Ford zu einem Leasing-Preis von monatlich 345 Euro bewarb, blieb da genauso wenig Zeit wie für den voraussichtlich ab 2014 verfügbaren Ford Mondeo Hybrid, der rein elektrisches Fahren bis 136 km/h ermöglichen soll.

Auch der Ford C-Max Energi stand nicht im Rampenlicht dieses Rundgangs, obwohl er ebenfalls nächstes Jahr auf den deutschen Markt kommen soll. Mit seiner 7,6-kWh-Lithium-Ionen-Batterie kann das Fahrzeug nach Angaben von Ford über 40 km rein elektrisch fahren.

Bild 15: Continental machte die „Elektrifizierung nach Maß“ (von 12 V über 48 V bis Hochvolt) bei Haupt- und Nebenaggregaten sowie anderen Systemelementen zu einem der IAA-Schwerpunkte.

Bild 15: Continental machte die „Elektrifizierung nach Maß“ (von 12 V über 48 V bis Hochvolt) bei Haupt- und Nebenaggregaten sowie anderen Systemelementen zu einem der IAA-Schwerpunkte.Alfred Vollmer

Auch in dem neuen BMW i3 prüfte die Kanzlerin den Sitzkomfort, aber anschließend sprach sie mit dem BMW-Vorstandsvorsitzenden Norbert Reithofer über die eingesetzten Materialien und die aufwendige Karbonfertigung sowie die Fabrikation des Fahrzeugs in Leipzig. Die Kanzlerin hat sich offensichtlich gut vorbereitet, denn sie lieferte Norbert Reithofer in Form einer Frage die passende Vorlage, damit er auch den optionalen Range-Extender des BMW i3 erwähnen konnte.

Weder der BMW i8 noch die rein elektrisch angetriebenen Motorräder der Baureihe BMW C evolution waren Gegenstand des hohen Besuchs, obwohl diese Motorräder nicht nur optisch einiges zu bieten haben: Der Antrieb des C evolution erfolgt in Form einer Triebsatzschwinge mit flüssigkeitsgekühltem Permanent-Synchronmotor über Zahnriemen und ein Hohlradgetriebe. Die Nennleistung beträgt 11 kW (15 PS), die Spitzenleistung 35 kW (47,5 PS). Damit erreicht der C evolution eine elektronisch abgeregelte Höchstgeschwindigkeit von 120 km/h und ermöglicht Beschleunigungswerte, die zum Teil die von Maxi-Scootern mit Verbrennungsmotoren von 600 cm3 Hubraum und mehr übertreffen sollen. Die Kapazität der luftgekühlten Lithium-Ionen-Hochvoltbatterie von 8 kWh ermöglicht eine Reichweite von bis zu 100 Kilometern, wobei die Ladezeit bei vollständig entleerter Batterie an einer haushaltsüblichen 220-V-Steckdose mit einem Ladestrom von 12 A zirka 4 Stunden beträgt, bei 220 V/16 A zirka 3 Stunden.

Beim C evolution hat sich BMW Motorrad für eine nach BMW-Angaben „bei Einspurfahrzeugen bis heute einzigartige Form der Energie-Rückgewinnung entschieden. Die Rekuperation erfolgt automatisch sowohl beim Gaswegnehmen im Schiebebetrieb als auch beim Bremsen. Die von ihm gewünschte Mischung aus Fahrdynamik und Effizienz kann der Fahrer des C evolution über vier unterschiedliche Fahrmodi selbst bestimmen. So werden ihm im Modus „Road“ maximale Beschleunigung, etwa 50 Prozent Rekuperation im Schiebebetrieb und volle Rekuperation beim Bremsen bereitgestellt. Im Modus „Eco Pro“ sind Beschleunigung und damit Energieentnahme begrenzt, und es wird maximal rekuperiert. Im Modus „Sail“ (Segeln) wird im Schiebebetrieb nicht rekuperiert, und der C evolution rollt beim Gaswegnehmen nahezu frei von Bremsmomenten. Für besonders dynamische Fahrweise kombiniert BMW im Modus „Dynamic“ die volle Beschleunigung mit einer starken Rekuperation.

Alfred Vollmer

ist Redakteur von all-electronics.

(av)

Sie möchten gerne weiterlesen?