Nach dem Lockdown Mitte März war dies eine der ersten Zusammenkünfte, bei der die Electronics-Familie endlich wieder zusammenkommen konnte. Ein wichtiges Signal für Kunden, Geschäftspartner sowie Beschäftigte und eine Rückkehr zur Normalität, die jedoch unter Einhaltung eines strengen Hygienekonzepts stattfand. Ersa-Gesamtvertriebsleiter Rainer Krauss konnte an beiden Tagen insgesamt rund 120 zuvor registrierte Besucher begrüßen. Neben zahlreichen Fachvorträgen und Live-Exponaten zu allen Prozessbereichen der Elektronikfertigung – Reflow, Selektiv, Welle, automatisiertes Rework, Industrie 4.0, Automation und Handlöten – konnten die Teilnehmer bei Führungen durch das neue Werk 2 direkt verfolgen, wie die Lötanlagen in modernster Fließtaktfertigung auf Industrie-4.0-Level produziert werden. Im Customer Care Center, in dem sonst Kundenabnahmen stattfinden, gab es Live-Vorführungen der Ersa-Systeme und des Elektronikfertigungs-Equipments von Geschäftspartnern in den Bereichen Bestückung und Abluftfilterung.
Wellen-, Selektiv- und Reflowlöten
Zum Auftakt gab es Vorträge in den Bereichen Wellen- bzw. Selektivlöten sowie Schablonendruck. Unter dem Titel „Selektiv- und Wellenlöten: Höchste Flexibilität für jede Anforderung“ wurden die Lötprozesse für Through-hole-Technologie (THT) vorgestellt, bei denen die Energieübertragung durch Kontakt der Lötstelle mit flüssigem Lot erfolgt. Weitere Themen waren das Zusammenspiel relevanter Prozessparameter (Lottemperatur, Benetzungszeit, Lötwellenhöhe, Lötdüsendurchmesser) und die Randbedingungen an einer Lötstelle (Lötwärmebedarf, -beständigkeit, Wärmekapazität, Benetzbarkeit und Layout) sowie der definierte, programmierbare Flussmittelauftrag im Rahmen eines No-Clean-Prozesses. Ziel des Selektivlötprozesses ist ein 100-prozentiger Lotdurchstieg und damit ein optimaler Energietransfer in die Lötstelle, um Lotbrücken etwa in Steckerleisten zu vermeiden.
Ein Vortrag zum Thema Reflowlöten mit Vakuumkammer zeigte, wie sich durch das Vermeiden von Voiding die Lötqualität weiter in Richtung „absolut perfekt“ verschieben lässt. Dies beginnt bereits vor dem Lötprozess durch aufeinander aufbauende Schritte wie Layout und Druck der Leiterplatte sowie anschließende Bestückung. Nach dem Lötprozess erfolgt eine Qualitätsbeurteilung – durch AXI oder AOI, um den abgeschlossenen Lötprozess bewerten zu können. Relevant sind auch die Qualität von Leiterplatte und Lotpaste sowie der zu bestückenden Bauteile. Am Ende ist die homogene Wärmeübertragung im Reflowofen einer der entscheidenden Faktoren – aber auch weitere Randbedingungen beeinflussen den Lötprozess, etwa die Spezifikation von Bauteilen und Leiterplatte, Stabilität der Baugruppe (Aufbau, Design, Nutzengestaltung) und einzuhaltende Normen wie J-STD oder IPC. Ein optimales Reflow-Soll-Profil besteht aus den Zonen Vorheizung, Peak und Kühlung – mit wichtigen Prozessparametern wie Temperaturprofil, Volumenstrom, Transportgeschwindigkeit für hohen Durchsatz, Kühlung, Prozessgas und Mittenunterstützung, die ein Durchbiegen der Leiterplatte verhindert, um insgesamt über die gesamte Baugruppe ein möglichst kleines ΔT zu erreichen. Hier empfiehlt sich der Einsatz eines Messsystems, das den Reflow-Durchlauf nachzeichnet und den Lötwärmebedarf an Lötstellen und die Bauteil-Wärmebeständigkeit am Bauteilgehäuse misst.
Fehler beim Drucken
Beim Thema Schablonendruck ging es um „Fehler im Druckprozess und Folgen in der SMT-Linie“. Damit in der realen Fertigung kleinere Probleme im Lauf der einzelnen Prozessschritte nicht zu größeren Schwierigkeiten werden, sind neben dem Druck- und Reflowprozess zahlreiche Einflussgrößen zu beachten, die qualitative Probleme verursachen können – etwa Leiterplatte, Bauteile, Prozess, eingesetzte Anlagen und das Umfeld. Eine hohe Erstausbeute (First Pass Yield, kurz FPY) erreicht man mit einer ausgeklügelten Strategie, die Produktivität und Qualität zusammenbringt, aber auch die Kosten im Blick behält. Vor allem lohnt eine nähere Betrachtung des Druckprozesses, da Fehlerpotenziale im SMT-Prozess fast zu zwei Drittel aus dem Druckprozess kommen. Mögliche Verbesserungen können realisiert werden bei Equipment (Prozesszeiten, Toleranzen), Prozess (Rakelparameter, Reinigung, Inspektion), Material (Leiterplatte, Lotpaste, Schablone) und Umwelt (ESD, Bediener). Mit Blick auf das heutige umfangreiche Bauteilspektrum ist die vollflächige 3D-Inspektion mittlerweile als Standard gesetzt – gerade bei der Volumenbestimmung von kleinen, sehr feinen Pads. Der perfekte Schablonendruck sollte exakt geformt sein und scharfkantige, ebene und im Volumen konstante Lotdepots drucken – eine bis 90 % bedruckte Fläche gilt als „einwandfrei“, 70 % als „ausreichend“ – bei weniger als der Hälfte ist das Ergebnis „nicht akzeptabel“. Neben Hinweisen zur Vermeidung von „Grabsteinen“, Lotperlen oder „Voids“ genannten Gaseinschlüssen wurden mögliche Leiterplattenprobleme angesprochen, z.B. unebene Padoberfläche, zu hoher Lötstopplack, gebogene oder gedehnte Leiterplatten, ausgefranzte Kanten, Farb- und Oberflächenveränderungen. Mit smarten, cloudbasierten Drucksystemen auf modularer Basis lassen sich prozessrelevante Anlagenparameter so überwachen, dass die Null-Fehler-Fertigung in greifbare Nähe rückt.
Industrie 4.0
Im weiteren Verlauf des Technologieforums zeigte der Vortrag „Industrie 4.0: Ready für die digitale Zukunft mit Kurtz Ersa Connect“ eine zentrale Gatewaylösung für sämtliche digitalen Lösungen, die von Einstiegslösungen – sogenannten „Quick Wins“ – bis zur komplett vernetzten Fertigung reichen. Die durchgängige Hardware- und Software-Infrastruktur beinhaltet folgende Features: intelligentes Ticketsystem, Maschinenmonitoring, Remote Service, digitale Maschinendatenbank, E-Learning und OEE-Dashboard. Bei der Anbindung von Produktionsanlagen an ein Manufacturing Execution System (MES) setzt man auf branchenbewährte Industriestandards, um größtmögliche Sicherheit, Transparenz und Zukunftssicherheit zu gewährleisten.
Die Experten von Kurtz Ersa Automation zeigten „Key Solutions für die THT-Elektronikfertigung“, darunter Quality-Check-Lösungen, Pick-and-Place-Handling und Lötanlagen-Peripherien wie Hub-, Senk- oder Drehstation, Höhenausgleichsmodul sowie Transportstrecken und Arbeitsplätze inline wie offline. Zudem wurden mehrere Best-Practice-Lösungen im Bereich Automatisierung einschließlich Roboter-Handling vorgestellt.
Vorträge zu den Themen Handlöten und Rework rundeten das Technologieforum ab. Die Kombination von Hausmesse und Vortragsprogramm soll im nächsten Jahr fortgesetzt werden.
Petra Gottwald
(pg)