HMI

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Distributoren elektronischer Bauteile sehen sich aktuell herausfordernden Zeiten gegenüber. Auf der einen Seite verzeichnen sie, wie die DMASS-Zahlen aus dem vierten Quartal 2017 belegen, eine Rekordnachfrage. Auf der anderen Seite wächst der Druck auf die Branche und die Unsicherheiten, denen die Händler in Europa ausgesetzt sind, nehmen zu. Die boomende Nachfrage nach Produkten führt zu steigenden Vorlaufzeiten bei vielen Komponentenherstellern. Zudem treiben die Zulieferer ihre Aktivitäten in den Fokusmärkten oft auch direkt voran, sodass ihren Vertriebspartnern nur wenig Freiraum bleibt. Digital-First-Distributoren konkurrieren mit traditionellen, Design-in-fokussierten Distributoren, indem sie Ingenieuren über das Internet Zugang zu einer breiten Palette von Komponenten mit transparenter Verfügbarkeit und Lieferung am nächsten Tag bieten.

Gerätehersteller und Designer sehen sich ihren eigenen Herausforderungen im Wettbewerb gegenüber: Die Schlüsselfaktoren für den Erfolg von Time to Market und die Einführung neuer Technologien werden in vielen Branchen ebenso wichtig wie Qualität und Kosten. Die Zeiten, in denen der Komponenten-Distributor den Zugang zu Kunden monopolisiert und als Gatekeeper für die Lieferung von Komponenten agieren kann, sind vorbei. Distributoren müssen neue Wege finden, ihre Kunden zu adressieren.

Komplexe HMI – dank Vernetzung

Bei der kundenspezifischen Entwicklung von Human-Machine-Interface-Anwendungen (HMI) hat die Distributionsbranche in den letzten Jahren große Fortschritte gemacht. Aufgrund der zunehmenden Vernetzung im Rahmen der Megatrends IoT und Industrie 4.0 benötigen selbst sehr einfache Geräte eine Benutzeroberfläche, die über die traditionellen Knöpfe und Schalter für Kernfunktionen hinausgeht. Gleichzeitig ist jeder Smartphone-Anwender gewohnt, den Touchscreen als Controller des Geräts sowie als Informationsdisplay zu verwenden. Die technischen und gestalterischen Anforderungen an das HMI sind häufig für jede Anwendung singulär, was bedeutet, dass HMI-Systeme meist kundenspezifische Lösungen darstellen und nicht standardisiert sind.

Eck-Daten

Angesichts der fortschreitenden Vernetzung gewinnt die Konfektionierung von HMI-Anwendungen zunehmend an Bedeutung. Auch Distributoren bieten sie immer häufiger als Value Added Service an. Neben Touch-Panels zählen dabei auch die Gestenerkennung und die Sprachsteuerung zu den Angeboten.

Dabei stellt sich für Gerätehersteller die Frage, ob es sich lohnt, interne Entwicklungs- und Produktionskapazitäten für das HMI aufzubauen oder ob diese Aktivität ausgelagert werden soll. Die Antwort hängt oft davon ab, inwieweit Hersteller das HMI als potenziellen Wettbewerbsvorteil begreifen – sei es durch Produktdifferenzierung oder Kostenführerschaft. Diejenigen, die das HMI als Fokus für ihre Wettbewerbsstrategie sehen, entscheiden sich wahrscheinlich dafür, Kompetenzen im eigenen Haus zu entwickeln. Diejenigen, für die das HMI eine unterstützende Rolle spielt, versuchen vermutlich die zugehörigen Prozesse auszulagern. Zumindest ist das die Theorie.

Keine binäre Frage: HMI entwickeln oder zukaufen?

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Distributoren bieten zunehmend auch kundenspezifische HMI-Lösungen wie etwa Touchpanels an. iStock

Tatsächlich ist die Situation nicht binär. Selbst Unternehmen, die sich für die Entwicklung und Herstellung eigener HMI-Lösungen entscheiden, können von der Zusammenarbeit mit einem Vertriebspartner in diesem Bereich profitieren. Trotz des Drucks, dem die Vertriebslandschaft ausgesetzt ist, bleiben ihre traditionellen Stärken bestehen. Distributoren haben einen guten Überblick über den Markt und können Kunden wertvolle technische Ratschläge, Empfehlungen und Vorankündigungen über aktuelle technologische Entwicklungen geben. Dies ermöglicht einen effizienten Informationsfluss und die zeitnahe Implementierung neuer Technologien. Distributoren sind auch in der Lage, Gerätehersteller mit Produkten von Komponentenherstellern zu versorgen, auf die sie ansonsten nicht zugreifen könnten. Zeitnah Zugriff auf passende Display- und Touch-Sensing-Komponenten zu haben, kann entscheidend sein, um die Entwicklungszeiten zu verkürzen und die Markteinführung neuer Produkte zu beschleunigen.

Am anderen Ende der Palette erkennen Unternehmen, die das HMI nicht als strategischen Schwerpunkt sehen, häufig dennoch die Bedeutung der Qualität des HMI. Sie wissen, dass es sich um einen Teil der Anwendung handelt, mit der Benutzer direkt interagieren – eine schlechte Erfahrung in der Benutzung des HMI kann sich negativ auf das gesamte Produkt auswirken und den Ruf des Herstellers schädigen. Selbst Unternehmen, die nicht in ihre eigene HMI-Entwicklung und -Produktion investieren, sollten aus diesem Grund die zugekaufte HMI-Lösung strengen Kontrollen unterziehen. Es ist wichtig, nicht nur die Leistung und das Aussehen des Systems zu berücksichtigen, sondern auch die Lebensdauer- und Qualitätsanforderungen. Ein guter Distributor kann objektiven Rat zu einer Reihe von Komponentenoptionen geben, die den Anforderungen entsprechen und die angemessenen Gesamtbetriebskosten bieten.

Erfahren Sie auf der nächsten Seite unter anderem, wie Gestenkennung hygienische Verhältnisse in der Medizin gewährleisten kann.

Mehrwert durch technisch tiefe Systemintegration

Während EMS-, CEM- oder ODM-Unternehmen traditionell komplette HMI-Lösungen zu ihrem Portfolio zählen, haben in den letzten Jahren auch Distributoren Einzug in diesen Bereich gehalten. Indem sie ein tieferes Level reiner Systemintegration anbieten, können sie ihren Kunden Mehrwert bieten und sich selbst verschiedene neue Wege erschließen. Zum einen können sie die F-&-E-Abteilung der Kunden entlasten, ohne dass sie eine zusätzliche Lieferantenbeziehung in Form eines dedizierten EMS/ODM/CEM verwalten müssen. In ihrer Rolle als Systemintegratoren bieten sie ihren Kunden auch die Vorteile engerer Beziehungen zu Komponentenherstellern, die einen direkteren Zugang zu neuartigen Technologien ermöglichen. Die Vereinfachung der Lieferkette birgt zudem Potenzial für Kosteneinsparungen. Der Vorteil dieses Ansatzes besteht für den Distributor darin, dass sich durch die Entwicklung einer eigenen IP und die Bereitstellung schlüsselfertiger Lösungen die eigene Rentabilität erhöht und der Einfluss des Wettbewerbsdrucks auf das Geschäft verringert. Dass der Distributor auf diese Weise mehr Verhandlungsmacht erlangt, können Gerätehersteller aber auch als potenzielle Gefahr sehen.

Der Distributor Atlantik Elektronik verfügt über ein vielfältiges HMI-Produktportfolio, das sehr unterschiedliche Anwendungen adressiert. Im Gegensatz zu Wettbewerbern entschied sich Atlantik Elektronik jedoch dafür, keine eigene Produktionsstätte für HMI-Systeme zu errichten, sondern arbeitet direkt mit Herstellern in Asien und Europa zusammen. Dies ermöglicht dem Unternehmen, den Kunden eine vergleichsweise große Auswahl an Möglichkeiten zu unterschiedlichen Preisen und technischen Anforderungen anzubieten, was eine ausgeprägte Flexibilität bei der Auswahl und Vermarktung der neuesten Technologien nach sich zieht. So bietet Atlantik auch HMI-Optionen an, die über die übliche Darstellung und Berührung oder Tastatur und Maus hinausgehen.

Gestenerkennung gewährleistet Hygiene

Eine interessante Alternative zur Verwendung von Gesten auf einem Touchpanel ist die Steuerung von Maschinen mit Gesten. Das ist insbesondere bei Anwendungen der Fall, wo sich die Nutzung eines kapazitiven Touchpanels problematisch gestaltet. In der Medizin werden chirurgische Umgebungen zunehmend digitalisiert. Chirurgen betrachten dabei detaillierte Bilder auf modernen Displays. Jedoch ist der Chirurg eingeschränkt, da er nicht in der Lage ist, direkt mit herkömmlichen Schnittstellen zu interagieren, da dies die chirurgischen Hygieneregeln verletzen würde. Die Verwendung einer Gestenerkennung könnte es dem Chirurgen ermöglichen, seine Bilder direkt zu steuern und zu regeln, während er die Hygienevorgaben einhält. Möglich ist etwa, eine einfache Gestenschnittstelle unter Verwendung von Bewegungssensoren oder herkömmlichen Digitalkameras zu erstellen.

Eine besonders geeignete Lösung beinhaltet einen sogenannten Time-of Flight-Sensor (ToF). Dieser kombiniert eine Kamera mit einem Laser-Sender und -Empfänger, um Intensitäts- und Tiefenbilder zu erzeugen, die einen sehr präzisen 3D-Bildstrom liefern. Dieser Bildstrom kann dann analysiert werden, um einen potenziell großen Bereich von Bewegungen und Gesten in der X-, Y- und Z-Achse zu erkennen, die sich zum Ansteuern einer Schnittstelle verwenden lassen. Die ToF-Technologie ist bereits verfügbar und eignet sich auch für Highend-Anwendungen.

Sprachsteuerung als Alternative

Eine weitere Alternative für HMI ist die Verwendung eines Sprachsteuerungssystems. Diese Technologie durchdringt unseren Alltag zunehmend mit digitalen Assistenten auf unseren Smartphones und Computern, intelligenten Lautsprechern sowie sprachgesteuerter Fahrzeug-Navigation. Auch wenn diese Anwendungen noch nicht perfekt sind, ist das Entwicklungstempo enorm und die zugrundeliegende Hardwaretechnologie wird bald für den Einsatz in industriellen und anderen Highend-Anwendungen bereit sein. HMI-Entwicklern stehen in diesem Zusammenhang zwei Möglichkeiten zur Verfügung: Einerseits eine standardisierte Variante, die die Sprachdienste von Amazon, Google oder Microsoft nutzt, und andererseits kundenindividuelle Angebote mit einem speziellen Design für spezifische Anwendungen.

Die erste Option bietet eine deutlich schnellere Time to Market, da sowohl Hardware- als auch Softwareplattformen bereits existieren und die Integration in das entsprechende Ökosystem relativ unkompliziert ist. Der Nachteil dieses Ansatzes liegt in der Abhängigkeit vom Zugang zur Cloud und in den Bedenken hinsichtlich des Datenschutzes. Der kundenindividuelle Ansatz ermöglicht dem Designer, die Schnittstellen an seine entsprechenden Systemanforderungen anzupassen und ist geeignet Bedenken hinsichtlich Datensicherheit auszuräumen. Dieser Ansatz erfordert jedoch einen erheblichen Zeit- und Ressourcenaufwand, insbesondere bei der Softwareimplementierung.

Anthony Latchem

Business Development Manager bei Atlantik Elektronik

Wicki Winzer

Marketing Communications Manager bei Atlantik Elektronik

(tm)

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