Digitale Bildung und Weiterbildung sind jetzt und in Zukunft essenziell“, betont Bitkom-Präsident Achim Berg.

(Bild: Bitkom)

6 von 10 Unternehmen setzen auf Industrie 4.0

6 von 10 Unternehmen setzen auf Industrie 4.0. Bitkom

So hat sich der Anteil der Unternehmen, für die Industrie 4.0 gar kein Thema ist, seit 2018 von 9 % auf 1 % verringert. Das ist das Ergebnis einer repräsentativen Studie zur Digitalisierung der deutschen Industrie im Auftrag des Digitalverbands Bitkom, für die 552 Industrieunternehmen (Produktionsleiter, Vorstände oder Geschäftsführer) ab 100 Mitarbeitern von Mitte Februar bis Anfang April 2020 befragt wurden. Demnach planen aktuell weitere 22 % konkret den Einsatz spezieller Anwendungen für Industrie 4.0 – 17 % können sich vorstellen, dies in Zukunft zu tun.

Digitalisierung schafft neue Geschäftsmodelle in der Industrie

Digitalisierung schafft neue Geschäftsmodelle in der Industrie. Bitkom

„Fast alle Unternehmen haben sich auf den Weg in Richtung Industrie 4.0 gemacht. Anders als Deutschlands Verwaltungen und Schulen war die Industrie auch ohne Corona digital gut in Schwung“, kommentierte der Bitkom-Präsident Achim Berg. Dabei dürfe diese positive Entwicklung durch Corona keinen Dämpfer erfahren, denn, so Berg: „Je digitaler die Industrieunternehmen aufgestellt sind, desto schneller werden sie sich von den Folgen des Shutdowns erholen.“ Diese Erkenntnis ist auch im größten Teil der Unternehmen verankert: 94 % sehen in der Industrie 4.0 die Voraussetzung für den Erhalt der Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Industrie. Mehr als jeder Zweite (55 %) betont, Industrie 4.0 gebe dem eigenen Geschäft generell neuen Schub. Insgesamt sieht eine überwältigende Mehrheit von 93 % der Industrieunternehmen Industrie 4.0 als Chance – und nur 5 % als Risiko.

Digitalisierung hat neue Geschäftsmodelle bewirkt

Geschäftsmodelle: Plattformen haben eine herausragende bedeutung

Geschäftsmodelle: Plattformen haben eine herausragende Bedeutung. Bikom

Bei fast drei Viertel (73 %) der deutschen Industrieunternehmen werden im Zuge von Industrie 4.0 nicht nur einzelne Abläufe oder Prozesse verändert, sondern ganze Geschäftsmodelle – eine deutliche Zunahme seit 2018, wo es noch 59 % waren. Etwas mehr als jedes zweite Unternehmen (51 %) entwickelt neue Produkte und Dienstleistungen oder plant dies (2018: 39 %). Jedes Vierte (26 %) verändert bestehende Produkte oder hat dies vor (2018: 18 %). 28 % nehmen bisherige Produkte und Dienstleistungen sogar ganz vom Markt (2018: 20 %). Wenn die Produktion mit Abbau der Corona-Beschränkungen nun langsam wieder hochgefahren wird, gelte es, das eigene Geschäft auf den Prüfstand zu stellen. Berg: „Die Geschäftsmodelle der Zukunft sind ausschließlich digital.“

Neue und alte Geschäftsmodelle laufen ganz überwiegend nebeneinander

Neue und alte Geschäftsmodelle laufen ganz überwiegend nebeneinander. Bitkom

Die Mehrheit der Industrieunternehmen, die neue Produkte und Dienstleistungen im Zuge von Industrie 4.0 entwickeln, setzt dabei auf Plattformen: 88 % entwickeln digitale Plattformen neu oder weiter oder beteiligen sich daran. Auf ihnen können Produkte oder Services vertrieben oder auch Kunden mit Lieferanten vernetzt werden. 45 % haben sogenannte Pay-Per-Use- oder Production-as-a-Service-Modelle eingeführt: Damit verkauft etwa ein Maschinenbauer keine Maschinen mehr, sondern vielmehr Produktionskapazitäten, je nach Bedarf des Kunden. 18 % der befragten Unternehmen, in denen neue Produkte und Dienstleistungen im Zuge von Industrie 4.0 entwickelt oder geplant werden, setzen auf datenbasierte Geschäftsmodelle, verkaufen also Produkt- und Produktionsdaten oder bieten aufbauend darauf neue Dienste an, etwa um Qualität und Handhabung eines Produkts zu verbessern. Die neuen Geschäftsmodelle wirken derzeit aber nur bei wenigen Unternehmen disruptiv: Nur bei 3 % der betreffenden Unternehmen wurden bisherige Geschäftsmodelle komplett abgelöst; bei einer Mehrheit von 77 % existieren neue und alte Geschäftsmodelle vorerst noch nebeneinander.

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Der neue Mobilfunkstandard 5G ist für fast 75 % der Industrieunternehmen wichtig. Bitkom

5G ist für drei Viertel von Bedeutung

5G noch in der Warteschleife?

Thomas Schildknecht, CEO der Schildknecht AG

"Die mit 5G heute erreichbaren Latenzzeiten liegen noch erheblich über den Zielvorgaben." Thomas Schildknecht, CEO der Schildknecht AG Schildknecht AG

Lesen Sie in diesem Kommentar, warum 5G für die Automatisierung noch in der Warteschleife ist.

Der Großteil der deutschen Industrieunternehmen setzt große Hoffnungen in den neuen Mobilfunkstandard 5G, mit dem sich große Datenmengen drahtlos und in Echtzeit übertragen lassen. 73 % der Industrieunternehmen sehen die Verfügbarkeit von 5G für das eigene Geschäft als wichtig an – davon 36 % als ‚sehr wichtig‘ und 37 % als ‚eher wichtig‘. 5G sei für die deutsche Industrie eine Schlüsseltechnologie, das Nervensystem der Industrie 4.0, betont Berg. „Sie ermöglicht Übertragungen in Echtzeit, eine höhere Netzwerk-Kapazität und eine quasi unbegrenzte Zahl an Menschen und Geräten, die innerhalb der 5G-Netze miteinander in Echtzeit kommunizieren können.“ Dies sei eine Voraussetzung für autonomes Fahren oder die Kommunikation zwischen Maschinen ohne Kabel.

Jedes 7. Industrieunternehmen nutzt bereits KI im Kontext von Industrie 4.0

Jedes 7. Industrieunternehmen nutzt bereits KI im Kontext von Industrie 4.0. Bitkom

KI in jedem 7. Unternehmen

Eine ebenfalls große Bedeutung wird Künstlicher Intelligenz (KI) beigemessen. Jedes siebte Unternehmen (14 %) nutzt aktuell Künstliche Intelligenz im Kontext von Industrie 4.0, wobei größere Unternehmen ab 500 Mitarbeitern mit 23 % deutlich häufiger auf KI setzen als kleinere Unternehmen mit weniger als 200 Mitarbeitern (9 %) oder 200 bis 499 Mitarbeitern (11 %). Zu den gängigen KI-Anwendungen zählen etwa Predictive Maintenance, bei der mithilfe von Algorithmen und Sensoren der Betrieb von Maschinen überwacht wird, so dass die KI noch vor einem drohenden Ausfall auf die notwendige Wartung hinweist. Auch Roboter, die ihre Arbeitsabläufe auf aktuelle Erfordernisse hin selbständig anpassen können, sind ein solches Beispiel.

Das sind die wichtigsten Vorteile von KI im Kontext von Industrie 4.0 aus der sicht der einzelnen Unternehmen

Das sind die wichtigsten Vorteile von KI im Kontext von Industrie 4.0 aus Sicht der einzelnen Unternehmen. Bitkom

Zu den wichtigsten Vorteilen von KI in der Industrie zählen die Unternehmen neben der genannten Möglichkeit der vorausschauenden Wartung (43 %) eine Steigerung der Produktivität (41 %) sowie die Optimierung von Produktions- und Fertigungsprozessen (39 %). Mehr als jedes zweite Industrieunternehmen (58 %) sieht in KI disruptives Potenzial, hält es also für wahrscheinlich, dass Geschäftsmodelle dadurch nachhaltig und tiefgreifend verändert werden. „KI ist eine epochale Technologie, die die Weltwirtschaft und gerade auch die Industrie revolutionieren wird. Damit das gelingt, brauchen wir nicht nur Maschinen- und Prozessdaten – sondern auch exzellent ausgebildete KI-Experten“, sagte Berg.

Industrie 4.0 schafft Arbeitsplätze für qualifizierte Arbeitnehmer, Arbeitsplätze für gering qualifizierte Mitarbeiter fallen weg

Industrie 4.0 schafft Arbeitsplätze für qualifizierte Arbeitnehmer, Arbeitsplätze für gering qualifizierte Mitarbeiter fallen weg. Bitkom

I 4.0 schafft Arbeitsplätze für Qualifizierte

66 % der Industrieunternehmen bekräftigen, dass durch Industrie 4.0 neue Arbeitsplätze für gut ausgebildete Fachkräfte entstehen. Fast alle (89 %) meinen, dass die Arbeit in der vernetzten Fabrik verstärkt interdisziplinäre Kompetenzen erfordert, etwa an der Schnittstelle von Maschinenbau und Informatik. Bereits 2019 haben 31 % der Industrieunternehmen, die Industrie 4.0 anwenden oder planen, neue Mitarbeiter für den Bereich Industrie 4.0 eingestellt – und immerhin jedes fünfte Unternehmen (20 %) will dies 2020 tun.

Neueinstellungen für Industrie 4.0

Neueinstellungen für Industrie 4.0. Bitkom

Allerdings steht dem auch ein Beschäftigungsabbau gegenüber: 14 % planen für 2020, Mitarbeiter infolge der Nutzung von Industrie 4.0 zu entlassen. Dabei sind 61 % aller Industrieunternehmen der Meinung, dass durch Industrie 4.0 insbesondere Arbeitsplätze für gering Qualifizierte in den Fabriken wegfallen.

Zwei Drittel (65 %) der Nutzer und Planer von Industrie 4.0 wollen in diesem Jahr Mitarbeiter für Industrie 4.0 weiterbilden. „Digitale Bildung und Weiterbildung sind jetzt und in Zukunft essenziell“, betont Bitkom-Präsident Berg.

Allerdings geben 58 % an, dass der Mangel an Spezialisten für Industrie 4.0 zu den großen Hemmnissen zählt – 2019 waren es noch 55 und 2018 nur 49 %. Als weitere Hemmnisse für Industrie 4.0 werden hohe Investitionskosten (73 %) und Anforderungen an Datenschutz (67 %) und Datensicherheit (66 %) gesehen.

Deutschland auf Platz 2 bei Industrie 4.0

Mehr als jedes fünfte Unternehmen (22 %) sieht Deutschland in Sachen Industrie 4.0 weltweit auf einer Spitzenposition, knapp hinter den USA, die 27 % auf Platz 1 sehen. 19 % sehen Japan vorn, jeder Siebte (14 %) China. Südkorea wird von 9 % an der Spitze positioniert.

Hemmnisse für Industrie-4.0-Anwendungen

Hemmnisse für Industrie-4.0-Anwendungen Bitkom

„Wir müssen jetzt mutig sein, unsere Datenschätze verantwortungsvoll nutzen und Künstliche Intelligenz zu einer europäischen Schlüsseltechnologie machen“, sagte Berg. Dazu könne das von Deutschland und Frankreich gemeinsam vorangetriebene Projekt Gaia-X einen wesentlichen Beitrag leisten. (Lesen Sie hier, was sich hinter Gaia-X verbirgt). Mit diesem Projekt soll eine besonders sichere, europäische Cloud-Infrastruktur geschaffen werden. „Wenn Gaia-X jetzt richtig aufgesetzt wird, kann sie das Vertrauen in die Sicherheit und den Schutz von Daten der Industrie 4.0 entscheidend stärken – und damit auch den sicheren Datenaustausch der Unternehmen untereinander“, betont Berg. Dies bedeute auch eine Stärkung der digitalen Souveränität und Datensouveränität Deutschlands und Europas.

Die Unternehmen sind mehrheitlich unzufrieden mit der Politik im Zusammenhang mit Industrie 4.0

Die Unternehmen sind mehrheitlich unzufrieden mit der Politik im Zusammenhang mit Industrie 4.0. Bitkom

Auch die Unternehmen sehen die Politik am Zug: 67 % sind der Meinung, in der Politik bestehe kein ausreichendes Verständnis für die Bedeutung von Industrie 4.0. Mehr als drei Viertel (76 %) fordern eine neue Politik für Industrie 4.0. Berg: „Im Digitalzeitalter ist Industriepolitik gleichbedeutend mit Digitalpolitik. Wenn ‚Made in Germany‘ weiterhin weltweit gefragt sein soll, müssen wir in der Industrie 4.0 nicht nur mitspielen, wir müssen den Ton und das Tempo vorgeben. Besonders wichtige Fragen müssen schnellstmöglich geklärt werden: Das betrifft etwa den Umgang mit Daten, das Verhältnis von ökonomischem Vorsichtsprinzip und Risikobereitschaft bei Innovationen oder ein zukunftsfestes und modernes Wettbewerbsrecht. Um die bestehenden Stärken der deutschen Industrie weiter auszubauen, muss der traditionell ordnungspolitische Ansatz deutscher Wirtschaftspolitik digital-industriepolitisch ergänzt werden.“

(dw)

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