Herr Dr. Hilsamer, warum heißt die neueste Innovationsstufe von AS-Interface ASi-5 und nicht ASi-4?
Dr. Marcel Hilsamer: Dafür gibt es im Wesentlichen zwei Gründe. Zum einen wollen wir damit natürlich die Größe des aktuellen Entwicklungsschritts verdeutlichen. Zum anderen wollten wir aber auch den Eindruck vermeiden, die neue Innovationsstufe sei ausschließlich für das visionäre Gesamtkonzept Industrie 4.0 konzipiert worden. Industrie 4.0 ist zwar ein sehr wichtiger Treiber für ASi-5, aber eben nicht der einzige.
Was sind die wesentlichen Kernziele?
Dr. Marcel Hilsamer: Insgesamt ging es bei der Entwicklung von ASi-5 darum, es dem AS-Interface-Anwender so einfach wie möglich zu machen, von der Digitalisierung zu profitieren – und zwar nicht erst in der so genannten smarten Fabrik von morgen, sondern bereits auf dem Weg dorthin, also im Grunde schon jetzt.
Was heißt das konkret?
Dr. Marcel Hilsamer: Der schon länger zu beobachtende Trend zur Integration intelligenter Sensoren und die sich abzeichnenden Lösungen nach dem Modell Industrie 4.0 stellen immer höhere Anforderungen an die Geschwindigkeit und die Datenmenge. Mit ASi-5 ist AS-Interface nun auf diese herausfordernde Zukunft vorbereitet und bietet weiterhin Investitionssicherheit.
Investitionssicherheit heißt, die Abwärtskompatibilität ist sichergestellt?
Dr. Marcel Hilsamer: Abwärtskompatibilität innerhalb des Systems war eines der Kern-Entwicklungsziele: ASi weiterzuentwickeln und Vorteile wie die einfache Verdrahtung und die freie Topologiewahl beizubehalten, gleichzeitig aber für die anstehende Digitalisierung, Industrie 4.0 und IoT der ideale Datenzubringer für erweiterte Geräte- und Anlagendiagosen und Predictive Maintenance zu sein.
Darüber hinaus kann ASi-5 aber auch heute schon bei Anwendungen, die eine höhere Leistung noch gar nicht unbedingt benötigen, deutliche Mehrwerte generieren – zum Beispiel durch eine erweiterte, bis zum einzelnen Aktuator oder Sensor aufgeschlüsselte Diagnose oder durch die kostengünstige Realisierung einer hohen E/A Dichte im Feld.
ASi-5 begleitet den Anwender also in seinem individuellen Digitalisierungs-Tempo?
Dr. Marcel Hilsamer: So ist es. Wer in seiner Maschine bereits das AS-Interface als Verdrahtungssystem nutzt, der kann gelassen in die Zukunft schauen. Er kann in Anlagenbereichen mit erhöhten Anforderungen neue ASi-5 Slaves verwenden und ansonsten seine vorhandenen ASi-3 Slaves weiter nutzen. Damit spielt AS-Interface als Gesamtsystem besonders in gemischten Netzwerken aus ASi-3 und ASi-5 seine Stärke aus.
Welche Voraussetzungen müssen denn erfüllt sein, um ASi-3 und ASi-5 gleichzeitig an einem Strang zu betreiben?
Dr. Marcel Hilsamer: Bei bestehenden Anlagen muss lediglich ein ASi-5/ASi-3 Gateway eingesetzt werden. Ansonsten gibt es eigentlich keine Einschränkungen. ASi-5 Geräte lassen sich jederzeit und ohne große Vorbereitung parallel zu ASi-3 Geräten in einem bestehenden oder neuen ASi Netzwerk nutzen. Man kann also bei Bedarf auch einzelne ASi-3 Slaves durch ein ASi-5 Pendant ersetzen.
Das heißt, bei ASi-5 findet ein gemischter Betrieb von verschiedenen Protokollen mit unterschiedlicher Bandbreite auf einer Busleitung statt. Wie kann das funktionieren?
Dr. Marcel Hilsamer: Gemischter Betrieb trifft es nicht ganz, ASi-3 und ASi-5 arbeiten eher parallel. Dazu nutzt AS-Interface für beide Kommunikationskanäle unterschiedliche Frequenzbereiche. ASi-3 kommuniziert mit rund 170 kHz, ASi-5 arbeitet dagegen breitbandig im MHz-Bereich. Durch die Verwendung von vielen unterschiedlichen Frequenzen kann der Master mit mehreren Slaves gleichzeitig kommunizieren. Das macht den parallelen Betrieb möglich und sorgt somit für die uns sehr wichtige Abwärtskompatibilität.
ASi ist berühmt für die einfache Piercing-Anschlusstechnik. Wird das nicht kritisch bei den hohen Übertragungsfrequenzen?
Dr. Marcel Hilsamer: Das war natürlich eine Herausforderung. Aber bei der Entwicklung von ASi-5 stand von Anfang an fest, dass das neue System mindestens so robust sein musste wie ASi-3. Das zu erreichen, hat den Entwicklern durchaus Mühe bereitet. Aber eine Abwärtskompatibilität geht nicht anders als mit einem klaren Kommitment zur Piercing-Technologie und dem zweiadrigen Kabel – auch mit den höheren Frequenzen von ASi-5.
Und wie funktioniert das?
Dr. Marcel Hilsamer: Das funktioniert, indem ASi-5 letztendlich redundant arbeitet. Der Master spricht mit einem Slave nicht nur über eine Frequenz, sondern über bis zu drei Frequenzen gleichzeitig. Ist die Kommunikation auf einer Frequenz gestört, meldet das der Slave dem Master. Dann wechseln beide auf eine andere Frequenz.
Ein interessanter Ansatz: Wenn eine Frequenz gestört ist, einfach eine andere zu nutzen, die mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht beeinträchtigt ist. Die Diagnose des Busses wird durch das neue Übertragungsverfahren aber bestimmt nicht einfacher.
Dr. Marcel Hilsamer: Das ist auch ein Grund, warum so viele Entwicklungsstunden in den Master geflossen sind. Dieser regelt das alles automatisch – ohne Eingreifen von außen. Der Anwender soll am Ende aber trotzdem die volle Kontrolle und den Überblick über die Applikation behalten. Deshalb gibt es von Bihl+Wiedemann Software-Lösungen, die nicht nur bei der Inbetriebnahme unterstützen, sondern auch die Diagnose erleichtern und auf eine anschauliche und leicht verständliche Art und Weise Aufschluss über den Zustand der Anlage geben.
Wie muss man sich die Darstellung vorstellen?
Dr. Marcel Hilsamer: Die Darstellung ist natürlich an die Realität am Bus angelehnt. Deshalb werden die parallelen und damit auch unabhängigen Protokolle über all unsere Diagnose- und Software-Lösungen auch als solche optisch voneinander getrennt dargestellt.
AS-Interface eignet sich bekanntlich auch für Safety-Anwendungen. Müssen die Sicherheitskonzepte mit ASi mit der Einführung der neuen Innovationsstufe überarbeitet werden?
Dr. Marcel Hilsamer: ASi Safety ist bei den ASi-5/ASi-3 Gateways von Bihl+Wiedemann bereits integriert. Das heißt: Es bedarf definitiv keiner Überarbeitung bestehender Sicherheitskonzepte, sondern man kann alle bisherigen Komponenten weiterhin nutzen und parallel dazu ASi-5 Slaves anschließen.
Eine weitere Eigenschaft von ASi-5 ist die höhere Teilnehmerzahl. Resultiert diese aus dem parallelen Betrieb von ASi-3 und ASi-5?
Dr. Marcel Hilsamer: Im Kern stimmt das. Zusätzlich zu den ASi-3 Teilnehmern kann man das ASi-5 Frequenzband dazu nehmen. An der Physik kommen wir natürlich trotzdem nicht vorbei. Je mehr Teilnehmer an einem ASi Strang hängen, desto höher ist die elektrische Last am Bus. Das beeinflusst natürlich die ASi-3 Kommunikation. Bei einem ASi-3 Netz sind ein paar zusätzliche ASi-5 Slaves aber meistens völlig unproblematisch. Diese können in ein bestehendes ASi Netz auf einfache Art und Weise integriert werden, indem man das vorhandene Gateway durch ein ASi-5/ASi-3 Gateway von Bihl+Wiedemann tauscht.
Für welche Anwendungen lohnt es sich, sofort auf ASi-5 zu wechseln?
Dr. Marcel Hilsamer: Aus unserer Sicht sind vor allem Anwendungen, wo ASi-3 aktuell an seine Leistungsgrenzen stößt, prädestiniert für den Einsatz von ASi-5. Konkret sind das zum Beispiel Anwendungen mit der Forderung nach hohen Übertragungsgeschwindigkeiten oder erhöhtem Datenaufkommen – etwa an Stellen, wo viele E/A Daten auf engem Raum eingesammelt werden müssen. Auch bei der Einbindung intelligenter Sensoren, etwa von IO-Link Sensoren, wird durch ASi-5 vieles noch einfacher. Und die neuen, leistungsfähigeren Standardmodule mit bis zu 16 Eingängen können im Feld so manche teure Feldbus-Lösung ersetzen.
Welche Use-Cases haben sie im Blick?
Dr. Marcel Hilsamer:Anlagenbereiche mit vielen E/A Punkten, also einer hohen Dichte, lassen sich mit ASi-3 und seinen 4 Bit pro ASi Slave eben nicht so einfach realisieren. ASi-5 unterstützt pro Slave generell 16 Ein- und 16 Ausgänge, also 16 Bit Up- und Downstream. Deshalb haben wir auch ein Modul mit 16 Eingängen entwickelt. Viele lokale E/As im Feld können wir jetzt damit sehr gut lösen. Zudem sind Profile mit bis zu 32 Byte pro Slave spezifiziert. Das ist für smarte Sensoren oder Aktuatoren wichtig, weil diese häufig viele Daten übertragen, etwa die Betriebsstunden oder den Verschmutzungsgrad.
Smarte Sensoren setzen bei der Datenübertragung sehr oft auf IO-Link auf.
Dr. Marcel Hilsamer: Das hatten die Entwickler von ASi-5 von Anfang an im Blick, als sie eine Datenbreite von 32 Byte pro Slave definierten. IO-Link als reine Punkt-zu-Punkt-Verbindung lässt sich somit perfekt in das einfache und kosteneffiziente Verdrahtungssystem AS-Interface integrieren.
Heißt das, der IO-Link Master sitzt im ASi-Slave?
Dr. Marcel Hilsamer:Richtig. Unsere IO-Link Anbindung wird durch unser ASi-5 Slave / IO-Link Master Modul mit 4 Ports realisiert. Damit werden die IO-Link Prozessdaten über ASi und das Gateway transparent bis in die Steuerung durchgereicht. Die Diagnosedaten stehen zudem auch noch ganz im Sinne von Industrie 4.0 und IoT über die zusätzliche OPC-UA-Schnittstelle der Gateways beispielsweise für Cloud-Computing zur Verfügung.
Über die Abwärtskompatibilität des Systems haben wir bereits gesprochen. Aber ist denn bei ASi-5 auch die herstellerunabhängige Interoperabilität weiterhin gegeben?
Dr. Marcel Hilsamer: Selbstverständlich. Wie bisher bleibt AS-Interface auch mit ASi-5 ein Standard, der die Kompatibilität der Komponenten aller Hersteller, nicht nur der Entwicklungspartner, garantiert. Sämtliche Produkte mit ASi Logo können auch zukünftig in einem gemeinsamen Netzwerk zusammenarbeiten und problemlos miteinander kommunizieren. Es findet sich also auch weiterhin für jedes Problem eine ASi Lösung.
Nachdem die Technologie auf der SPS IPC Drives im November öffentlich vorgestellt wurde, wird es auf der Hannover Messe bereits erste ASi-5 Komponenten von Bihl+Wiedemann zu sehen geben?
Dr. Marcel Hilsamer: Ja. Wir zeigen auf der Messe natürlich unsere drei neuen ASi-5/ASi-3 Gateway-Varianten für Profinet, Ethercat und Ethernet/IP mit jeweils zwei ASi Kreisen für ASi-5 und ASi-3. Selbstverständlich unterstützen diese Gateways auch ASi Safety at Work und verfügen darüber hinaus über eine OPC-UA-Schnittstelle und einen integrierten Webserver. Als weitere ASi-5 Neuheiten zeigen wir in Hannover digitale E/A Module, ein Zählermodul und einen ASi-5 Slave / IO-Link Master.
Wie ist denn die Resonanz nach der Vorstellung auf der SPS 2018?
Dr. Marcel Hilsamer: Die ist überragend. Sehr viele Kunden freuen sich auf die Geräte, die wir auf der Hannover Messe ausstellen, und überlegen schon, sie in ihren neuen Maschinen einzusetzen. Darüber hinaus gibt es bereits konkrete Anfragen nach weiteren Produkten. Wie schon bei ASi-3 arbeiten wir auch hier in vielen Fällen eng mit unseren Kunden zusammen.
Demnach ist die Pilotphase schon gestartet?
Dr. Marcel Hilsamer: Ja, die ersten ASi-5 Geräte von Bihl+Wiedemann laufen sogar schon erfolgreich in Kundenapplikationen.
Lassen Sie uns zum Schluss noch einen Blick in Ihre Entwicklungs-Pipeline werfen
Dr. Marcel Hilsamer: Weit oben auf unserer Agenda stehen zum einen weitere Module mit hohem Datenaufkommen. Zum anderen arbeitet unsere Entwicklungsabteilung natürlich an weiteren ASi-5/ASi-3 Gateway-Varianten für die Einbindung in andere Feldbusse.
Das Interview führte Chefredakteur Stefan Kuppinger
(sk)