Das Ziel des im Februar 2019 gestarteten EU-Projekts ADE (Autonomous DEcision Making in very long traverses) war es, die Autonomiefähigkeit und Zuverlässigkeit von Weltraumrobotern zu steigern. Als Fahrzeug zum Test dieser Technologien (Testplattform) diente der seit Jahren erprobte Rover SherpaTT, ein hybrider Schreit- und Fahr-Roboter des Robotics Innovation Center in Bremen, das zum Deutschen Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz (DFKI) gehört. Im Mittelpunkt des Projekts stand die Entwicklung und der Test von Technologien, damit der Rover relativ lange Wegstrecken in unbekanntem Gelände überwinden kann und währenddessen selbstständig interessante Orte identifiziert, um dort wissenschaftliche Daten zu erheben. Nach mehr als zwei Jahren Forschungsarbeit konnte das ADE-Projekt nun in einer Sandgrube bei Wulsbüttel, rund 40 km nördlich von Bremen, abgeschlossen werden. Im letzten Testlauf benötigte der Rover nur knapp drei Stunden, um eine Strecke von 500 m zu bewältigen. Zum Vergleich: Der Mars-Rover Perseverance der NASA bringt es auf eine Höchstgeschwindigkeit von 152 m/h. Insgesamt legte SherpaTT während der Tests eine Strecke von 3,7 km autonom zurück und führte verschiedene Aufgaben mit unterschiedlichen Autonomiegraden durch.
Der Rover SherpaTT im Video
Die im Rahmen von ADE entwickelten Technologien sind zwar auf die Anforderungen zukünftiger Rover für die Weltraumforschung ausgelegt. Ihr zielorientiertes Autonomiesystem kann jedoch auch auf Robotern Anwendung finden, die in rauen und gefährlichen Umgebungen auf der Erde arbeiten, etwa in Kernkraftwerken, bei Rettungseinsätzen oder in der Öl- und Gasindustrie.
Das Projektkonsortium unter Leitung der spanischen GMV Aerospace and Defence setzte sich aus 13 Unternehmen und Forschungseinrichtungen aus sieben EU-Ländern zusammen, darunter auch das erwähnte Robotics Innovation Center des DFKI. Die Europäische Kommission förderte das ADE-Projekt in der zweiten Phase des Strategic Research Clusters (SRC) ‚Space Robotics Technologies‘ als Teil der Peraspera-Aktivität im Rahmen des ‚Horizon 2020‘-Programms.
Autonome Navigation und Entscheidungsfindung
ADE basiert auf dem Autonomiesystem ERGO (European Robotics Goal-Oriented Autonomous Controller), das in der ersten Phase des SRC entwickelt wurde. Dieses ermöglicht es einem Rover mit vorgegebenem Ziel, die notwendigen Aktionen zu planen, auszuführen und zu überwachen, die zur Erreichung des Ziels erforderlich sind. Ein sogenannter ‚Opportunistic Science Agent‘ erkennt vielversprechende Merkmale in der Umgebung und meldet diese an das System. Der so entstehende Zielkonflikt wird von der aus den SRC-Vorgängerprojekten hervorgegangenen und für das Projekt zentralen Komponente ADAM (Autonomous Decision Making Module) gelöst: Unter Berücksichtigung der vorhandenen Ressourcen, systembedingter Einschränkungen sowie zeitlicher Vorgaben nimmt ADAM lokale Änderungen der Missionsplanung vor. Diese erlauben es dem Roboter, zu der von ihm identifizierten Stelle zu navigieren, um sie aus der Nähe untersuchen zu können.
Der etwa 150 kg schwere SherpaTT-Rover eignet sich besonders gut für unwegsames Gelände, weil er sowohl auf Rädern fahren als auch mit seinen vier Extremitäten über Hindernisse schreiten kann. Zudem verfügt er über einen etwa 2 m langen, zentral angebrachten Roboterarm, mit dem er beispielsweise Bodenproben entnehmen kann. Neben der Bereitstellung des Rovers gehörte es zu den Aufgaben des DFKI-Forschungsbereichs in Bremen, eine Missions-Simulation für die Erkundungsfahrten des Rovers zu entwickeln: Dazu entwickelten die DFKI-Wissenschaftler aus den Sensordaten, das der Rover an die Bodenstation schickt, ein Simulationsmodell, das den aktuellen Stand der Mission abbildet. Innerhalb dieses Modells lassen sich nun verschiedene Pfade und Roboter-Konfigurationen testen: Steht der Rover beispielsweise vor einem engen Durchgang, können verschiedene Fahrwerkskonfigurationen zunächst in der Simulation ausprobiert werden, bevor die erfolgversprechendste Lösung an den Roboter zurückgesendet wird.
Erfolgreiche Abschlusstests unter Pandemiebedingungen
Die von den Partnerinstituten entwickelte Software wurde zunächst in einem 7 x 7 m großen Indoor-Sandkasten in der Weltraum-Explorationshalle des DFKI in Bremen getestet. Anschließend sollte die neue Technik auch außerhalb des Labors in einer marsähnlichen Umgebung auf die Probe gestellt werden. Das war in früheren Projekten kein Problem. Aufgrund der pandemiebedingten Reisebeschränkungen mussten jedoch die ursprünglich auf dem spanischen Festland und der Kanareninsel Fuerteventura geplanten Feldtests in den Norden Deutschlands verlegt werden. So kam es, dass SherpaTT seinen Weg durch eine Sandgrube bei Wulsbüttel bahnte. Bei den finalen Tests waren die DFKI-Wissenschaftler vor Ort und die Partner via Remote-Verbindung zugeschaltet. Auf diese Weise konnten sie unter anderem die autonome Navigation, das Sammeln und Ablegen von Proben mit dem Roboterarm, die automatische zielorientierte Missionsplanung sowie die Möglichkeit der wissenschaftlichen Ad-hoc-Zielerfassung testen und damit wertvolle Erfahrungen auf dem Gebiet der Teleoperation für zukünftige Weltraummissionen sammeln.
Neue Aufgaben für den Rover SherpaTT
Für das DFKI und den Rover SherpaTT geht der Einsatz für die europäische Raumfahrt weiter: In der dritten und letzten Förderphase des SRC leitet das Robotics Innovation Center des DFKI das im März 2021 gestartete Projekt CoRoB-X, in dem es gemeinsam mit europäischen Partnern erforscht, wie ein Team aus mehreren Robotern bei der Erkundung von Lavahöhlen auf dem Mond kooperieren kann.
Weitere Informationen zum ADE-Projekt
Zur offiziellen Internetseite des ADE-Projekts gelangen sie hier. Auch auf den Internet-Seiten des DFKI gibt es eine DFKI-Seite, die genauer über die Aufgaben des DFKI bei ADE-Projekt informiert. Ein kurzes Video mit Eindrücken von den finalen Tests für das ADE-Projekt in Wulsbüttel gibt es auf Youtube.