Es gab einen Aspekt, der Prof. Martin Ruskowski, seit Mitte 2019 Vorstandsvorsitzender der Smart Factory KL, am Herzen lag. Mehrfach betonte er, dass es keine menschenleere Fabrik geben werde, in der KI-unterstütze Maschinen den Ton angeben. „Als Souverän wird und muss der Mensch jede Entscheidung einer Maschine ändern können“, so Prof. Ruskowski und ergänzt: „Es wird unsere Verantwortung bleiben, was in der Produktion passiert. Diese Verantwortung kann und soll uns weder eine Maschine noch Künstliche Intelligenz abnehmen!“ Daher will die Smart Factory KL die Autonomie in Produktion erhöhen, aber keinesfalls – wie es etwa die 6 Autonomiestufen der Industrie bei künstlicher Intelligenz der Plattform Industrie 4.0 beschreibt – nur mit Sicht auf die Maschine. Denn auch der Mensch besitzt von Natur aus Autonomie und diese soll ebenfalls gestärkt werden.
„Routinearbeiten werden sicherlich von KI oder Maschinen ersetzt. Aber Fähigkeiten wie echtes Verstehen, Kreativität, Moral oder Emotionen erlernen Maschinen oder Software nicht,“ so Ruskowski. Die Smart Factory KL geht davon aus, dass Technik dazu da ist, den Menschen zu unterstützen – nicht zu beherrschen. Daher zeichnete Ruskowski sein ideales Bild (Sweet Spot) von Production Level 4 so: „Maschinen sollen den Menschen optimal unterstützen, ohne ihn zu verdrängen.“
Production Level 4 bezieht Menschen ein
„Production Level 4 erreicht durch Integration von Künstlicher Intelligenz (KI), Automatisierung und dem Menschen den nachhaltigen Nutzen der Industrie 4.0“, formulierte Andreas Huhmann die Vision. Er sitzt im Vorstand der Smart Factory KL und ist Strategy Consultant Connectivity + Networks bei Harting. „Wir als Smart Factory KL haben den Begriff gewählt, weil wir aufzeigen wollen, dass die konsequente Weiterentwicklung innerhalb von Industrie 4.0 nur mit Autonomie also mit vereinter menschlicher und künstlicher Intelligenz zu erreichen ist.“
Industrie 4.0 war ohnehin ein wichtiges Stichwort in den beiden Vorträgen, kam dabei allerdings nicht gut weg. So konstatierte Huhmamm: „Wenn Sie noch nichts von der vierten Industriellen Revolution gemerkt haben, mag das daran liegen, dass sie noch nicht stattgefunden hat.“ So sei seine Revolution immer erst im Nachgang zu erkennen und nicht, wenn man sie vorab ankündigt. Auch James Watt habe nach seiner Version der verbesserten Dampfmaschine nicht die Revolution ausgerufen. Dies war ein Prozess, der sich über viele Jahr hinzog. Aber er betont auch: „Die Revolution wird kommen. Das werden wir daran erkennen, dass es Verlierer geben wird.“
„Mittelständler haben bisher nur wenig von Industrie 4.0 profitiert und wenn, dann zu hohen Kosten“, so Huhmann weiter. Bisher sei vor allem die Transparenz erhöht und zusätzliches Wissen generiert worden, das aber noch brachliege. Ansätze wie Predictive Maintenance wären Wege, um daraus auch Kapital zu schlagen. Ruskowski ergänzte, dass auch der oft propagierte Hierarchie-Ansatz, dass alle mit allen reden könnten, falsch sei. Es brauche einen übergeordneten Master in der Maschine, der nach außen hin kommuniziert, beispielsweise ein Edge-Gateway.
Manifest Production Level 4
Die Smart Factory KL ist davon überzeugt, dass
- die Steigerung der Robustheit durch agile Reaktionen auf äußere Einflüsse
- die Einbeziehung des Menschen als Entscheider in der Produktion
- die Steigerung der Transparenz durch die automatisierte Aufbereitung von Daten
- die durchgängig vernetzte und automatisierte Produktionsplanung
- die flexible Rekonfiguration/Umrüstung von Anlange und
- die Selbstlernfähigkeit als Enabler der kontinuierlichen Verbesserung
die zentralen Bestandteile von Production Level 4 sind.
Demonstratorbau für die HMI 2020 begonnen
Smart Factory wird europäisch
Am 26. September 2019 setzten drei renommierte Institutionen in Eindhoven (NL) ihre Unterschriften unter einen wegweisenden Vertrag. Sie gründeten die europäische Vereinigung Smart Factory EU EWIV. Die neue Vereinigung wird ihren Sitz in Kaiserslautern haben, die Leitung als Gründungsgeschäftsführer wurde Prof. Detlef Zühlke übertragen.
Bereits 2017 wurde von der EU der Wunsch geäußert, die mittlerweile zahlreichen Aktivitäten in vielen Mitgliedsstaaten unter ein Dach zu stellen und damit die Position Europas auf dem Weltmarkt zu stärken. Unter der Leitung von Flanders Make/Belgien, Brainpoort Industries/Niederlande und der Smart Factory KL/Deutschland erfolgte nun die Gründung der Smart Factory EU EWIV. Der Zusatz EWIV weist darauf hin, dass die Gesellschaft auf dem Recht der EU basiert.
„Alle europäischen Betreiber von vergleichbaren Forschungs- und Demonstrationszentren rund um Industrie 4.0 sind eingeladen, als Mitglieder unserem Anliegen und damit der europäischen Volkswirtschaft eine starke Stimme zu verleihen“, betont Prof. Detlef Zühlke.
Diesen Ansatz will die Smart Factory KL auf der Hannover Messe 2020 in der Praxis demonstrieren. „Mit der Anlage zeigen wir jedes Jahr auf der Hannover Messe, was technisch machbar ist“, so Ruskowski. Der neue Demonstrator entspricht den Vorgaben von Production Level 4. Im Vergleich zur diesjährigen Version soll ein zentrales Förderband den Transport zwischen den einzelnen Modulen (Maschinen) übernehmen. Der Cloud: an dieses Förderband lassen sich die Anlagenteile einfach andocken und sie werden automatisch erkannt. Erste Fortschritte zum Demonstrator gibt es bereits auf der SPS zu sehen. (Halle 5, Stand 368)
Die Vertreter der Smart Factory KL betonen, dass 2020 der erste Schritt in die Zukunft sein wird. „Wir haben eine Vision entwickelt“, erklärt Ruskowski, „wo wir 2025 stehen wollen. Der Demonstrator ist so angelegt, dass wir ihn jährlich weiterentwickeln können, bis wir in fünf Jahren Production Level 4 verwirklicht haben.“
„Diese Übersetzung von der Theorie in die Praxis“, so Huhmann, „ist ein wichtiger Grund für unsere 53 Mitglieder aus der Industrie, sich bei uns zu engagieren.“ In Arbeitsgruppen arbeiten die Unternehmen zu relevanten Fragestellungen plattformübergreifend zusammen. Dabei leiten die Experten der Smart Factory KL die Arbeitsgruppen, während die Industriemitglieder ihre Bedürfnisse formulieren und die Ergebnisse der Arbeitsgruppen zurück in die Produktion tragen. „Wir halten es für wichtig, dass bei uns die Mitglieder zusammenarbeiten“, so Ruskowski. „Nur so können wir wichtige Entwicklungsschritte technisch gemeinsam umsetzen.“
KI und 5G
Unterstützt wurden die beiden Smart-Factory-KL-Vorstände von Prof. Hans Dieter Schotten, wissenschaftliche Direktor im Deutschen Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz (DFKI). Er arbeitet schwerpunktmäßig zu KI und 5G. Er sieht die beiden Schlüsseltechnologien als zentral für die Entwicklung der Produktion der Zukunft: „Ohne sichere und schnelle Datenverbindungen können wir KI-Methoden nicht zielführend einsetzen.“ Und Ruskowski ergänzt: „5G ist bisher die einzige drahtlose Technologie, mit der im industriellen Umfeld unterbrechungsfrei große Datenmengen transportiert werden können.”
Über die Technologie-Initiative Smart Factory KL e.V.
Die Technologie-Initiative Smart Factory KL e.V. wurde 2005 als gemeinnütziger Verein gegründet, um ein Netzwerk von Akteuren aus Industrie und Forschung zu Industrie 4.0 aufzubauen und darin gemeinschaftliche Projekte durchzuführen. Mit der Idee, das Internet der Dinge auch in die Produktion einzuführen, ist die Vision von Industrie 4.0 entstanden. Durch die aktive Beteiligung ihrer Mitglieder hat die Technologie-Initiative bereits realitätsnahe Lösungen, erste Produkte und gemeinschaftliche Standards in diesem Bereich erarbeitet. Die im Deutschen Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz (DFKI) in Kaiserslautern beheimatete Smart Factory KL ist eine herstellerunabhängige Demonstrations- und Forschungsplattform, die innovative Informations- und Kommunikationstechnologien und deren Einsatz in einer realitätsnahen industriellen Produktionsumgebung testet und und weiterentwickelt. Die intensive Kooperation zwischen Smart Factory KL und DFKI ermöglicht zudem den Anschluss an die deutsche IT-Spitzenforschung.
Technologie-Initiative Smart Factory KL e.V. auf der SPS 2019: Halle 5, Stand 368