Protestierende der IG Metall

In der startenden Tarifrunde der Metall- und Elektroindustrie fordert die IG Metall für ihre Mitglieder ein Plus von 8 Prozent bei den Entgelten und Ausbildungsvergütungen. Die Arbeitnehmerseite sieht die Forderungen naturgemäß als überzogen an. (Bild: Thomas Range / IG Metall)

Viel hat nicht gefehlt zu einer flächendeckenden Eskalation, aber dann haben sich die Gewerkschaft IG Metall und die Arbeitgeber geeinigt: Die Beschäftigten der Metall- und Elektrobranche erhalten deutlich mehr Geld: Für die 3,9 Millionen Beschäftigten der Branche sind  Lohnsteigerungen von 5,2 Prozent zum Juni 2023 und noch mal 3,3 Prozent ab Mai 2024 bei einer Laufzeit von 24 Monaten vorgesehen. Dazu kommen steuerfreie Einmalzahlungen von insgesamt 3.000 Euro. Das Ergebnis verkündeten beide Parteien am frühen Freitagmorgen in Ludwigsburg bei Stuttgart.

Weitere Informationen zu den Ergebnissen finden Sie bei den Kollegen von produktion.de

Update 12.10.2022: Verhandlungen gehen in die zweite Runde

Bereits Ende September starteten in einigen Bundesländern die zweite Runde an Tarifverhandlungen in der Metall- und Elektroindustrie. Laut der Gewerkschaft IG Metall habe die Arbeitgeber bislang kein Angebot vorgelegt. Statt dessen greifen sie sogar Tarifstandards an und fordern die "Variabilisierung" vom Weihnachtsgeld und anderen Sonderzahlungen. In Bayern etwa wollen die Arbeitgeber laut Gewerkschaft das tarifliche Weihnachtsgeld und weitere tarifliche Sonderzahlungen an die Gewinnlage koppeln, und weniger zahlen dürfen, ohne dass die IG Metall zustimmt. „Kein Angebot, keine Annäherung, kein Fortschritt – das ist das ernüchternde Ergebnis von zwei Verhandlungsrunden“, erklärte Irene Schulz, Bezirksleiterin IG Metall Berlin-Brandenburg-Sachsen und Verhandlungsführerin nach der Verhandlung für Berlin und Brandenburg. „Noch immer stehen die Arbeitgeber mit leeren Händen da. Die Löhne können aber nicht stagnieren, wenn die Preise hochschnellen wie seit 70 Jahren nicht. Wer das glaubt, folgt einer absurden Vorstellung.“

Noch bis Mitte Oktober plant die Gewerkschaft verschiedene kreative Aktionen in ganz Deutschland. Dann erwartet die IG Metall ein Angebot von Arbeitgeberseite. Beispielsweise gab es „Geschenke“ für die Arbeitgeber. Bei der Tarifverhandlung für die Mittelgruppe (Hessen, Rheinland-Pfalz, Saarland) in Landau (Pfalz) etwa überreichte die IG Metall den Arbeitgebern einen Warenkorb mit Lebensmitteln, Babynahrung und Pflegeprodukten des täglichen Bedarfs, um die Preissteigerungen der letzten Monate zu verdeutlichen.

Der Verhandlungsführer des IG Metall-Bezirks Mitte, Jörg Köhlinger, warf den Arbeitgebern eine „Blockadehaltung“ vor: „Wenn nichts vorgeschlagen wird und keine Ideen zur Problemlösung vorhanden sind, kann letztlich auch kein Kompromiss gefunden werden. Diese Haltung der Arbeitgeber macht unsere Leute nur noch wütender. Die Energiekosten für die Verhandlung hätten wir durchaus einsparen können.“

Zusätzlich plant die IG Metall Warnstreiks für die Zeit nach dem Ende der Friedenspflicht am 29. Oktober.

Update 16.9.2022 Tarifverhandlungen in der Metall- und Elektroindustrie gestartet

Am 12. September in Niedersachsen startete die Tarifverhandlungen in der Metall- und Elektroindustrie gestartet, am 14. folgten Baden-Württemberg, Hessen, Rheinland-Pfalz, Sachsen, das Saarland und Thüringen. Am 15.9. geht es in Bayern, Berlin und Brandenburg los, am 16.9. im Tarifgebiet Küste (Bremen, Mecklenburg-Vorpommern, Hamburg, niedersächsische Nordseeküste, Schleswig-Holstein). Als letzte steigt am 19.9. in Sachsen-Anhalt ein.

Vor der ersten Tarifverhandlung in Bayern unterstrichen 4000 Metallerinnen und Metaller ihre Forderung nach 8 % mehr Lohn. Wie zu erwarten war, lehnten die Arbeitgeben in einer ersten Verhandlungsrunde Arbeitgeber die Forderung der IG Metall ab. Stattdessen erneuten sie ihr düsteres Bild. Zwar verliefen die Gespräch in „konstruktiven Atmosphäre“ wie die IG Metall es nennt – jedoch ohne Annäherung. Die Verhandlungsführerin der Arbeitgeber, Angelique Renkhoff-Mücke, bezeichnete die Forderung als nicht erfüllbar. „Acht Prozent sind nicht annehmbar.“ Etwas weniger drastisch als Gesamtmetall-Präsident Dr. Stefan Wolf, der im Vorgeplänkel von Realitätsverlust sprach, seien die Forderungen laut Renkhoff-Mücke „nicht realitätsnah.“ Wolf wiederholte in einem Interview mit der Welt hingegen das Argument und erklärte „Die Forderung fällt völlig aus der Zeit und zeugt von einer gewissen Weltfremdheit.“ Gegenüber der Funke Mediengruppe sagte er: „Wir haben bereits ein extrem hohes Lohnniveau in der Metall- und Elektro-Industrie. In der jetzigen Situation muss man eher Verzicht üben. Es geht darum, Arbeitsplätze zu sichern.“

Naturgemäß konnte IG Metall-Verhandlungsführer Johann Horn die Argumente nicht nachvollziehen: „Die Auftragsbücher sind so gut gefüllt wie noch nie und auch die Kapazitätsauslastung ist überdurchschnittlich – die Auswirkungen der Lieferkettenprobleme sind also nicht so groß wie oft dargestellt. Die aktuellen Erwartungen der Unternehmen sind laut ifo-Institut für Produktion, Export und Beschäftigung weiterhin positiv.“ Weiterhin sprach er von „Existenzängste unter den Beschäftigten“ und Sorgen, der Menschen, wie sie ihren Lebensunterhalt „angesichts des extremen Anstiegs der Lebenshaltungskosten“ bezahlen sollen.

Im Gegensatz zu den meisten Betrieben, die ihre höheren Kosten für Energie und Rohstoffe zumeist an ihre Kunden weiterreichen – die Erzeugerpreise in der Metall- und Elektroindustrie sind laut IG Metall um über zehn Prozent gestiegen – , können die Beschäftigten ihre Preissteigerungen nicht weitergeben.

Die zweite Tarifverhandlung in Bayern findet am 6. Oktober in München statt. Die Friedenspflicht der Tarifparteien endet am 28. Oktober, Warnstreiks können somit ab dem 29. Oktober beginnen.

Eindrücke des Tarifauftakts im Bezirk Berlin-Brandenburg-Sachsen

Auch in Leipzig versammelten sich laut Gewerkschaftsangaben 2000 Menschen mit roten Fahnen und Warnwesten, um ihrer Forderung nach mehr Geld Nachdruck zu verleihen. „Wir sind hungrig. Wir sind durstig. Deshalb brauchen wir jetzt die 8 Prozent“, sagt Mario Orlando Campo, Betriebsratsvorsitzender bei Alstom Bautzen in Bezug auf die Bereitschaft in den Betrieben, sich an der Tarifbewegung zu beteiligen. „Die vergangenen Tarifabschlüsse waren ein Zeichen von Verantwortung und Solidarität von uns und den Beschäftigten", betonte Jörg Hofmann, erster Vorsitzender der IG Metall. „Jetzt, wo die Belastungen immer weiter steigen, im Supermarkt, an der Zapfsäule, in der Kneipe, sollen die Kolleginnen und Kollegen den Kopf einziehen und sich in Bescheidenheit üben?“ Nach vier Jahren ohne Tabellenerhöhung sei nicht die Zeit für Zurückhaltung, so Hofmann.

1. Tarifverhandlung Metall & Elektro in Nürnberg aus Sicht der IG Metall

Update vom 5.9.2022

Die Tarifverhandlungen in der Metall- und Elektroindustrie können starten: Die IG Metall hat den Arbeitgebern die dafür nötige Kündigung der Entgelt-Tarifverträge übermittelt und ihre Tarifforderungen von 8 % mehr Geld übergeben.

In Hamburg zogen rund 150 Mitglieder der Tarifkommission und Delegationen aus Betrieben zum „Haus der Wirtschaft“, der Zentrale des Arbeitgeberverbands Nordmetall, um dem Nordmetall-Hauptgeschäftsführer Nico Fickinger symbolisch ihre Tarifforderung zu übergeben – zusammen mit einem Pulli. Die Botschaft: Die Arbeitgeber müssen sich für die Tarifrunde „warm anziehen“. „Bei den stark steigenden Preisen etwa für Energie und Lebensmittel sind die Erwartungen der Beschäftigten groß“, machte Daniel Friedrich, Bezirksleiter der IG Metall Küste klar. „Bei den Menschen muss eine ordentliche Erhöhung ankommen.“

Fickinger kommentierte die Forderungen wie folgt: „Acht Prozent sind eindeutig zu viel.“ Er als Arbeitgeber könne die Forderung nach 8 % mehr natürlich verstehen – gerade mit Blick auf aktuelle Inflationszahlen – jedoch sei dies in der aktuellen Situation nicht darstellbar. Der erhoffte Aufschwung falle aus. In dieser besonderen Situation vertrügen die Unternehmen keine weiteren hohen Belastungen. „Wir brauchen jetzt Verlässlichkeit, Planbarkeit und das Signal, dass es sich lohnt, durchzuhalten“, sagt der Arbeitgebervertreter in Richtung der IG Metall Küste. Als "Gegengeschenk" überreichte Fickinger Vertretern der IG Metall ein Schiff, als Zeichen beide Parteien in einem Boot sitzen. Zudem eine Rettungsweste, die laut dem Hauptgeschäftsführer  für die gemeinsame Verantwortung steht, die Unternehmen und die Beschäftigen gemeinsam durch die Krise zu kommen

Die Unternehmen der M+E-Industrie stünden derzeit vor nie da gewesenen Herausforderungen: der Krieg in der Ukraine, drohende Energieknappheit, Lockdown in China, Rohstoffmangel, Preisanstiege für Energie und Rohstoffe, fehlende Fachkräfte und Bewerber für Ausbildungsplätze. Hinzu kommen die Investitionen in den Strukturwandel. Die Unternehmen müssen laut Gesamtmetall immer mit Unsicherheiten umgehen und Krisen meistern. Aber noch nie haben sich die Risiken so konzentriert wie derzeit. Und auch die wirtschaftliche Lage der rund 25.700 Unternehmen in der M+E-Industrie mit ihren fast 3,9 Millionen Beschäftigten sei aktuell unterschiedlicher denn je. „Eine Rückkehr zum Vorkrisenniveau von 2018 ist derzeit unmöglich“, so Fickinger weiter.

Viele Unternehmen hätten in der Corona-Krise und trotz der Lieferengpässe ihre finanziellen Reserven dafür verwendet, Beschäftigung zu halten, obwohl weniger produziert werden konnte. Das habe Substanz gekostet. Umso wichtiger sei jetzt, Geld zu verdienen, um die Investitionen für den Strukturwandel zu stemmen. „Und dies möglichst am Standort Deutschland, der im harten internationalen Wettbewerb um Zukunftsinvestitionen steht“, sagt der Arbeitgebervertreter.

Forderungsübergabe in der Tarifrunde 2022 der norddt. Metall- und Elektroindustrie aus Sicht der Arbeitgeber

Warum kündigt die IG Metall die Tarifverträge?

Die Kündigung der Tarifverträge ist Voraussetzung für die Verhandlung neuer Tarife. Die bisherigen Entgelttarifverträge laufen nach der Kündigung noch einen Monat weiter, danach gilt noch vier Wochen weiter Friedenspflicht, bis zum 28. Oktober. Danach sind Warnstreiks zulässig.

Die Tarifverhandlungen in der Metall- und Elektroindustrie zwischen der IG Metall und den regionalen Metall-Arbeitgeberverbänden starten am 12. September in Niedersachsen, am 14. folgen Baden-Württemberg, Hessen, Rheinland-Pfalz, Sachsen, das Saarland und Thüringen. Am 15.9. geht es in Bayern, Berlin und Brandenburg los, am 16.9. im Tarifgebiet Küste (Bremen, Mecklenburg-Vorpommern, Hamburg, niedersächsische Nordseeküste, Schleswig-Holstein) und am 19.9. in Sachsen-Anhalt.

Zum Verhandlungsstart hat die IG Metall zahlreiche Demonstrationen und Aktionen angekündigt.

Stand der Tarifverhandlungen in der Metall- und Elektroindustrie vom 29. Jul. 2022

„Die Konjunktur braucht steigende Einkommen und stabilen Konsum. Die Arbeitgeber müssen dafür jetzt ihren Beitrag leisten.“ Das ist eines der Argumente, mit dem die IG Metall für ihre Mitglieder ein Plus von 8 Prozent bei den Entgelten und Ausbildungsvergütungen in der startenden Tarifrunde der Metall- und Elektroindustrie fordert. Der Vorstand bestätigt damit den Beschluss der Tarifkommissionen, die zuvor nach Debatten in den Bezirken die Forderung an den Vorstand weitergegeben hatte. Jörg Hofmann, Erster Vorsitzender der IG Metall, sagte: „Die Beschäftigten brauchen Entlastungen, auch mit Blick auf ihre 2023 nochmals steigenden Rechnungen. Die Konjunktur braucht steigende Einkommen und stabilen Konsum als existenzielle Stütze. Die Arbeitgeber müssen dafür jetzt ihren gerechten Beitrag leisten.“ Zuletzt wurden 2018 in der Branche die tariflichen Entgelttabellen angehoben.

Unabhängig von weiteren nötigen Entlastungen der Privathaushalte durch die Politik müssten die Arbeitgeber laut der Gewerkschaft ihre Gewinne in die soziale Stabilität des Landes investieren: „Der überragenden Mehrheit der Unternehmen geht es aktuell gut: sowohl hinsichtlich der Auftrags- als auch der Ertragslage. Betriebe können steigende Kosten weiterreichen, Beschäftigte nicht“, sagte Hofmann. Dementsprechend laute das Motto dieser Tarifrunde „Solidarität gewinnt!“

Die Verhandlungen in den Tarifgebieten der IG Metall mit den Arbeitgeberverbänden beginnen Mitte September. Die Friedenspflicht endet mit dem 28. Oktober 2022.

Video der IG Metall zu ihren Forderungen in der Tarifrunde Metall und Elektro 2022

Das sagen die Arbeitgeber zur Tarifrunde der Metall- und Elektroindustrie

Wie zu erwarten war, hält die Arbeitgeberseite die Forderungen für überzogen: „Bereits die Forderungsempfehlung war ein Zeichen für einen alarmierenden Realitätsverlust der IG Metall. Diese nun beschlossene Forderung ist nur zu erklären, wenn die IG Metall blind geworden ist für die Wirklichkeit in der Branche“, erklärte Gesamtmetall-Präsident Dr. Stefan Wolf. Auch die Argumente der IG Metall lässt er nicht gelten: „Ein Auftragsbestand, der nicht abgearbeitet werden kann oder mit dem die Unternehmen mit jedem verkauften Produkt Verlust machen würden, ist kein Kriterium für eine gute Lage der Branche insgesamt.“ Zudem sieht er weiteres Problem: „Die Lage ist so unterschiedlich wie nie zuvor. Sich von den 26.000 Unternehmen in der Metall- und Elektro-Industrie an den vielleicht 100, denen es trotz allem noch gut geht, zu orientieren, ist verantwortungslos, gerade wenn man Interesse an einem Flächentarif hat.“

Dr. Wolf verwies weiter darauf, dass die tatsächliche Produktion der Branche heute noch um 12 % unter 2018 liege, die Beschäftigten aber seitdem mehr als 9 % mehr Geld erhalten hätten. Zudem sei die Beschäftigung nahezu stabil geblieben: Die Zahl der Arbeitsplätze sei lediglich um 3 % gesunken.

Gesamtmetall-Präsident Wolf weiter: „Das zeigt, dass die Unternehmen trotz Corona, Teilemangel und Energiepreisschock an Beschäftigung festhalten. Klar ist aber, dass dies trotz aller Unterstützung durch Kurzarbeiterregelungen viele Betriebe ausgelaugt hat. Dabei ist noch gar nicht berücksichtigt, dass die Investitionen in den Strukturwandel erst einmal verdient werden müssen. Wir können nur zusammen nach vorne kommen. Voraussetzung dafür ist aber, nicht in einer Fantasiewelt zu verharren.“

Der Autor: Dr. Martin Large

Martin Large
(Bild: Hüthig)

Aus dem Schoß einer Lehrerfamilie entsprungen (Vater, Großvater, Bruder und Onkel), war es Martin Large schon immer ein Anliegen, Wissen an andere aufzubereiten und zu vermitteln. Ob in der Schule oder im (Biologie)-Studium, er versuchte immer, seine Mitmenschen mitzunehmen und ihr Leben angenehmer zu gestalten. Diese Leidenschaft kann er nun als Redakteur ausleben. Zudem kümmert er sich um die Themen SEO und alles was dazu gehört bei all-electronics.de.

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