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(Bild: © Thomas Wolf, www.foto-tw.de, Wikimedia, CC BY-SA 3.0 de)

Die Zahlen sprechen für sich: Rund 646 Milliarden Euro haben Unternehmen zwischen Rhein und Ruhr laut Weltbank 2015 erwirtschaftet – das sind 21,3 Prozent des deutschen oder 4,4 Prozent des  gesamteuropäischen BIP. Kein anderes Bundesland erzielte einen höheren Anteil. Neben Konzernen haben viele mittelständische Unternehmen und „Hidden Champions“ in Nordrhein-Westfalen ihren Stamm- oder Hauptsitz. Zu diesen wenig bekannten Marktführern zählen auch Firmen der hiesigen Elektroindustrie: Besonders stark ist die Region in der Licht- und Installationstechnik aufgestellt, darüber hinaus spielt die Automatisierung eine gewichtige Rolle. Laut ZVEI ist die Branche der drittgrößte Industrie-Arbeitgeber im Bundesland. So beschäftigten im Jahr 2015 1100, überwiegend mittelständisch geprägte Elektro-Unternehmen insgesamt 155.000 Arbeitnehmer. Der Export ist dabei unverzichtbarer Motor, denn 16,6 der insgesamt 33 Milliarden Euro Jahresgesamtumsatz stammen aus dem Ausland.

Wirtschaftsfaktor Familienunternehmen

Die Geschwister Schukat führen ihre Distributionsfirma als Familienunternehmen - typisch für NRW.

Die Geschwister Schukat führen ihre Distributionsfirma als Familienunternehmen - typisch für NRW. Schukat

Trotz aller Internationalität ist die nordrhein-westfälische Wirtschaft geprägt von der unternehmerischen Initiative einzelner Familien. Laut einer Studie des BDI waren 2016 die meisten deutschen großen Familienunternehmen in Nordrhein-Westfalen ansässig, 1195 insgesamt. Eines davon ist der Bauelemente-Distributor Schukat Electronic aus Monheim am Rhein. 1964 von Hans-Georg Schukat gegründet, wird das rund 145 Mitarbeiter zählende Unternehmen mittlerweile von der zweiten Generation geführt.

Die Geschwister Bert, Georg und Edith Schukat haben sich vorgenommen, 2017 zum ersten Mal in der Firmengeschichte die Umsatzschwelle von 100 Millionen Euro zu durchbrechen. „Wir setzen allein auf organisches Wachstum und investieren nochmals in weitere Vertriebsspezialisten“, erläutert Vertriebsleiter Axel Wieczorek die Wachstumsstrategie. „Zugleich bauen wir unseren Bereich Business Development aus.“ Zudem soll der Bau eines komplett automatisierten Lagers zusätzlichen Stauraum bringen. Platz wird auch für den Ausbau des Portfolios benötigt: 2017 soll unter anderem das Power-Supply-Programm kontinuierlich erweitert werden.

Der Messestand von Harting auf der Hannover Messe 2016. In diesem Jahr gab es ein rundes Jubiläum zu feiern.

Der Messestand von Harting auf der Hannover Messe 2016. In diesem Jahr gab es ein rundes Jubiläum zu feiern. Harting

Ein weiteres Familienunternehmen feiert in diesem Jahr Jubiläum: Seit 70 Jahren ist Verbindungstechnik-Spezialist Harting in 2017 auf der Hannover Messe vertreten und gehört damit dem exklusiven Klub der noch immer aktiven Besucher der ersten Stunde an. Noch länger, seit ihrer Gründung 1945, ist die Firma Nordrhein-Westfalen verbunden. In Minden wurden zunächst Alltagshelfer wie Waffel- oder Bügeleisen hergestellt, die Mitgründerin Marie Harting schon einmal per Fahrrad auslieferte und gegen Brot oder Fett eintauschte. 1950 ließen sich Dietmar und Marie Harting im ostwestfälischen Espelkamp nieder und bauten Firma und Stammsitz sukzessive aus. Durch die Jahrzehnte änderte sich nicht nur die Produktpalette von Musikboxen hin zu Zigarettenautomaten und Steckverbindern. Auch in der Chefetage übernahmen Jürgen und Dietmar sowie dessen Ehefrau Margit Harting das Ruder. Mittlerweile steht die dritte Generation – Philip F.W. Harting und Maresa W.M. Harting-Hertz – einem international ausgerichteten Unternehmen vor.

 

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Ein unterschätzter Industrie-Standort: Das Elektronik-Valley

Im Kreis Lippe ist ein wenig bekannter Industriestandort beheimatet: das sogenannte Elektronik-Valley. Hier entsteht ein großer Teil der weltweiten Verbindungstechnik wie zum Beispiel von Weidmüller.

Im Kreis Lippe ist ein wenig bekannter Industriestandort beheimatet: das sogenannte Elektronik-Valley. Hier entsteht ein großer Teil der weltweiten Verbindungstechnik wie zum Beispiel von Weidmüller. Weidmüller

Der auf den ersten Blick beschaulich anmutende Landkreis Lippe beheimatet einen bedeutenden Industriestandort: Das Elektronik-Valley, auch „Klemmen-Valley“ genannt, beschreibt einen Radius von rund 70 Kilometern, in dem das Gros der weltweit verwendeten Reihenklemmen und Steckverbinder hergestellt wird. „Nach dem Krieg verlegten mehrere Elektrotechnik-Unternehmen ihren Standort aus anderen Städten nach Lippe, da der Gebäudebestand hier noch relativ intakt war“, sagt Horst Kalla, Fachpresse-Referent von Weidmüller. Hinzu kam eine gute Verkehrsanbindung. So wagte neben Phoenix Contact auch die Weidmüller-Gruppe einen Neuanfang in der Region – 1948 zog das Unternehmen von Chemnitz nach Detmold, und blieb bis heute.

2016 erzielte das Elektrotechnik-Unternehmen einen Umsatz von 680 Millionen Euro. Von den insgesamt 4500 Mitarbeitern arbeiten rund 1800 in Detmold, wo nicht nur die Produktentwicklung und Teile der Fertigung beheimatet sind, sondern von wo aus auch die weltweiten Aktivitäten gesteuert werden. Die weltweite Aufstellung für das Unternehmen mit einem Umsatz-Auslandsanteil von 78,4 Prozent zentral, vor allem China hat sich zuletzt zum bedeutenden Absatzmarkt entwickelt.

Anfang des Jahres etablierte Weidmüller einen Geschäftsbereich, der darauf spezialisiert ist, Maschinen- und Anlagendaten zu erfassen, mittels intelligenter Verfahren auszuwerten und Anomalien aufzudecken. In Detmold begannen zudem die Bauarbeiten zu einem neuen Customer & Technology Center, das die globale Mitarbeiter-Vernetzung vorantreiben und technologische Kompetenzen bündeln soll. „In Nordrhein-Westfalen investieren wir in die Standortsicherung“, erklärt Horst Kalla. „Aktuell suchen wir zum Beispiel nach einem geeigneten Ort, um unseren Automatisierungsbereich auszubauen.“

Nordrhein-Westfalen ist auch als Wissenschaftsstandort bedeutend. Hier lernen Mädchen am Girls' Day an der Universität Düsseldorf die Möglichkeiten technischer Studienfächer kennen.

Nordrhein-Westfalen ist auch als Wissenschaftsstandort bedeutend. Hier lernen Mädchen am Girls' Day an der Universität Düsseldorf die Möglichkeiten technischer Studienfächer kennen. Universität Düsseldorf

Von Girls‘ und Boys‘ Day bis Technologiezentrum

„Viele verbinden mit Nordrhein-Westfalen Köln, Düsseldorf und das Ruhrgebiet“, sagt Berni Lörwald vom Automatisierungstechnik- und Elektrotechnik-Hersteller Phoenix Contact. „Ostwestfalen-Lippe fällt in der öffentlichen Wahrnehmung manchmal etwas ab.“ Doch genau dort, genauer gesagt, in Blomberg, hat der „Weltmarktführer mit mittelständisch geprägter Unternehmenskultur“, der jährlich um die 2 Milliarden Euro umsetzt, seinen Stammsitz. Während flexible Arbeitszeiten, eine betriebliche Gesundheitsförderung mit Sportangeboten oder vielfältige Weiterbildungsangebote Fachkräfte ansprechen sollen, bietet die Unternehmensgruppe auch in acht technischen Berufen ein duales Studium an. Elektrotechniker in spe können nach vier Jahren an der Hochschule Ostwestfalen-Lippe ihren Abschluss machen – Gehalt sowie ein Praxisjahr bei Phoenix Contact sind dabei inklusive.

Noch früher setzt der Bünder Gehäusehersteller Bopla an, der Teil der Schweizer Phoenix-Mecano-Gruppe ist: Regelmäßig nimmt das Unternehmen am Girls‘ und Boys‘ Day teil, um das Interesse an technischen Berufen zu wecken. „Die Jungen und Mädchen können sich an diesem Tag die gesamte technische Kette anschauen:  vom Auftragseingang über die Konzeption und Produktion, bis hin zur Auslieferung“, erklärt Andreas Krömer, Leiter Konstruktion. Sicher gibt es im Reinraum und in den Entwicklerbüros einiges zur Touch-Display-Technik und den 3D-Druck-Verfahren zu entdecken, in die das Unternehmen derzeit investiert.

Punkten können in Sachen Bildung auch die Großstädte, für die Nordrhein-Westfalen weithin bekannt ist. Viele der insgesamt 70 Hochschulen sind hier beheimatet, ebenso viele der 60 Technologiezentren und mehr als 50 hochschulexterne Forschungseinrichtungen. „Die Infrastruktur ist hervorragend und kein anderes Bundesland verfügt über eine derartige Hochschuldichte wie NRW. Die Zahl der Forschungseinrichtungen ist beachtlich“, bekräftigt Michael Hannawald, President of Renesas Electronics Europe. Speziell für einen Halbleiter-Konzern ist die Anbindung an die neuesten Entwicklungstrends ein nicht zu unterschätzender Standortfaktor. Dass das japanische Unternehmen, das seit 1969 (damals noch als NEC) in Düsseldorf seinen Hauptsitz hat, sich speziell für diese Stadt entschieden hat, hat auch einen anderen Grund: „Knapp 400 japanische Unternehmen sind in der Stadt ansässig.“ Die 7000 Japaner in der Rheinmetropole bilden die drittgrößte japanische Gemeinde in Europa.

 

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Little Tokio am Rhein

100 Jahre reichen die Wurzeln von Batteriehersteller GS Yuasa zurück.

100 Jahre reichen die Wurzeln von Batteriehersteller GS Yuasa zurück. GS Yuasa

„Sowohl die sehr internationale Ausrichtung Düsseldorfs, als auch die bereits starke Präsenz anderer Firmen aus dem asiatischen Raum hat eine Rolle gespielt, als wir unseren Geschäftssitz hierher verlegt haben“, sagt auch Dr. Gerhard Bickel, Principal Marketing Engineer bei Tianma. Der chinesische Hersteller von LCD-Displays für Automotive-, Industrie- oder Medizinanwendungen zog im April 2015 von seinem bisherigen Deutschlandsitz nach Nordrhein-Westfalen, nachdem das Unternehmen seine Aktivitäten mit der für Displays zuständigen Vertriebs- und Marketingsabteilung von Renesas zusammengelegt hatte. Nach einem Jahr zog die Firma innerhalb Düsseldorfs erneut um – in ein neues Büroareal am Flughafen. Neben effizienten Büroflächen und moderner Architektur war auch hier die nationale und vor allem die internationale Anbindung ausschlaggebend.

Das japanische Unternehmen GS Yuasa, dessen Lithium-Ionen-Batterien unter anderem in Hybrid- und Elektrofahrzeugen Einsatz finden, blickt auf eine längere (Standort-)Geschichte zurück. 1917 als Japan Storage Battery gegründet, feiert der Batteriekonzern 2017 hundertsten Geburtstag. Düsseldorf ist seit 1983 Teil der Geschichte: Hier sitzt die GS Yuasa Battery Germany, die die Geschäfte des Konzerns in aktuell 15 europäischen Ländern steuert. „Für 2017 haben wir uns zum Ziel gesetzt, die Marktanteile in den drei Geschäftsbereichen Industrie, Motorcycle und insbesondere Automotive weiter auszubauen“, sagt Raphael Eckert, Group Sales Manager der Yuasa Battery Germany.

Dr. Gerhard Bickel von Tianma schätzt an Düsseldorf die Internationalität.

Dr. Gerhard Bickel von Tianma schätzt an Düsseldorf die Internationalität. Tianma

Nicht nur Mitarbeiter asiatischer Firmen suchen den Austausch, auch ganze Branchen tun das. Und besonders gut lassen sich Businesskontakte bekanntlich auf Fachmessen pflegen. In Dortmund hat sich die Messe Westfalenhallen einen Namen gemacht, die einen der vier großen Messeplätze in Nordrhein-Westfalen betreibt. Pro Jahr finden im Osten der Stadt rund 35 Messen mit mehr als 8.000 Ausstellen und fast 700.000 Besuchern statt. Neben der „Elektrotechnik“, der Fachmesse für Gebäude- und Industrieanwendungen, zählen die „Pumps & Valves Dortmund“, die „Maintenance Dortmund“ oder auch die „Schüttgut Dortmund“ zu den relevanten Industriemessen.

 

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Service zählt

Bei der ausdifferenzierten Bandbreite an Elektronikunternehmen hat sich ein passendes Portfolio an Servicefirmen etabliert. Kundenspezifische Elektronik-Dienstleistungen für Automotive, Gebäudetechnik, die Industrie oder Medizintechnik bietet Turck Duotec in seiner Niederlassung im sauerländischen Halver an. Der Elektronikfertiger entwickelt beispielsweise Layouts, Schaltungen und Prozesse bis hin zur Zulassung von elektronischen Baugruppen, bestückt Leiterplatten und konzipiert Applikationen im Bereich Sensorsysteme, Leistungselektronik und Beleuchtungstechnik. Um Technologie- und Anwendungstrends frühzeitig zu erkennen, beteiligt sich das Unternehmen an verschiedenen Forschungsprojekten, zum Beispiel zur „Steigerung der Produktionseffizienz durch Online-Messung elektrischer Eigenschaften von leitfähigen Schmierstoffen in Wälzlagern“.

Dass es das Know-how des Standorts zu schützen gilt, darüber sind sich wohl alle hier ansässigen Firmen einig. Doch mit der zunehmenden Digitalisierung und Vernetzung sehen sich Industrieunternehmen neuartigen Gefahren aus dem Internet ausgesetzt. „Diese Tatsachen haben zu dem Schritt geführt, die @-yet Industrial IT Security GmbH zu gründen“, erklärt Wolfgang Straßer, Geschäftsführer des beteiligten IT-Unternehmens @-yet. Das neue Unternehmen fokussiert auf IT-Sicherheitsthemen in der Fertigung. Dazu hat die Firma Sicherheitsaudits, Penetrationstests und Beratung sowie Mitarbeiterschulungen im Portfolio. „NRW ist das Kernland sämtlicher Geschäftsaktivitäten von @yet“, sagt Wolfgang Straßer und begründet seine Auswahl mit der herausragenden Stellung des Bundeslandes in Sachen Industrie. Denn wo eine enorme Dichte an Automatisierern, Prozessindustrie, diskreter Fertigung sowie Logistik und Energiewirtschaft herrscht, besteht auch enormer Schutzbedarf.

Therese Meitinger, MA

Redakteurin elektronik industrie

(tm)

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