Ob Standard oder proprietär: Beides hat seine spezifischen Vor- und Nachteile. Kunden müssen daher genau prüfen, was besser zu ihrer Anwendung passt.

Ob Standard oder proprietär: Beides hat seine spezifischen Vor- und Nachteile. Kunden müssen daher genau prüfen, was besser zu ihrer Anwendung passt.TQ-Group

Mit den Cortex-A9-Prozessoren haben ARM und die Lizenznehmer eine CPU am Start, die zusehends in Anwendungsbereiche eines x86-Prozessors vordringt. Nahezu alle Modulanbieter haben darauf reagiert und entsprechende Module im Angebot – auch Anbieter, die sich bisher ausschließlich auf x86-Module konzentriert haben. Wie in der x86-Welt üblich, sind erste Standards für ARM-Module entstanden. Allerdings wird der Begriff Standard hier inflationär angewendet und weckt bei den Anwendern teils falsche Hoffnungen. Daher klärt dieser Beitrag, was eigentlich ein Standard ist und was der Anwender davon hat. Denn: Die ARM-Modul-Standards erfüllen nicht alle Erwartungen und weisen durchaus Fallstricke auf.

In jedem Fall lohnt sich ein Blick in die Details der angebotenen Systeme, um vor bösen Überraschungen sicher zu sein. Wie so oft bei Neuvorstellungen stehen Marketingaussagen im Vordergrund – wobei manche Behauptung die tatsächlichen technischen Fakten zu sehr schönt.

Standards und ihre Grenzen

Standards entstehen überall dort, wo es sinnvoll erscheint, eine Technologie in allen Spezifikationen festzuschreiben, um unter anderem eine Austauschbarkeit unterschiedlicher Anbieter zu gewährleisten. Zusätzlich geht es bei Embedded-Modulen um die Skalierbarkeit, sprich Austauschbarkeit zwischen verschiedenen Leistungsklassen.

Auf einen Blick

Standards und ihre Grenzen: Was ist besser – proprietäre oder standardkonforme Prozessormodule? Wer glaubt, die Standard-Lösung läge immer im Vorteil, liegt falsch. Denn in der ARM Cortex-A9-Welt herrscht eine zu hohe Vielfalt, um allen Prozessoren mit einem einheitlichen Board-Standard gerecht zu werden. Es gilt also, genau zu prüfen wo die Vorteile überwiegen.

Erfolgreiche Standards finden sich in der Elektronikindustrie in aller Regel wenn es um spezielle Applikationen geht. Hier sind die Anforderungen an die Spezifikationen und Funktionen klar umrissen. Zu den etablierten Standards zählen ganz sicher Compact-PCI, Advanced-TCA und Micro-TCA für den Telekom-Markt sowie PC/104 und COM-Express für den Industrie-PC-Sektor. Standards versprechen dem Anwender eine sichere Versorgung mit der Technologie, unabhängig vom Erfolg oder Misserfolg eines einzelnen Anbieters. Sollte eine Prozessor-Technologie wie etwa ARM9 nicht mehr verfügbar sein, verspricht die Skalierbarkeit eine weitere Versorgung mit entsprechenden Modulen einer höherwertigen Technologie.

Drum prüfe…

Um sicherzustellen, dass man konforme Produkte tatsächlich problemlos untereinander austauschen kann, gibt es bei echten Standards umfangreiche Kompatibilitätstest, geleitet von der federführenden Non-Profit-Organisation, etwa der PICMG und dem PC/104-Konsortium. Das heißt aber für echte Standards durch den erhöhten Aufwand auch höhere Kosten und damit höhere Preise.

Alle Standards definieren die mechanischen Abmessungen und das entsprechende Steckersystem. Die echten, erfolgreichen Standards beschränken sich in aller Regel auf eine geringe Anzahl an Schnittstellenspezifikationen und können damit eine echte Austauschbarkeit sicherstellen. So ist bei PC/104 beispielsweise als Bus nur ISA, PCI und/oder PCIe definiert. Doch bei COM-Express sind schon allein zehn Belegungsvariationen der Schnittstellenstecker festgelegt. Hier ist Vorsicht geboten, die richtige Version zu wählen und die genaue Belegung zu untersuchen.

Bei der COM-Express-Spec. 2.0 sind für die Ausführung Version 2 zum Beispiel 24 Express-Lanes spezifiziert. Das Modul eines Anbieters, bestückt mit einem Intel Atom N2600 / N2800 / D2550 und Chipsatz NM10, liefert aber zwei mal PCIe x1, ein weiteres Modul des gleichen Anbieters, bestückt mit einem Embedded Intel Core i7 / i5 / i3 und Chipsatz QM67 bietet fünf mal PCIe x1. Zusätzlich verfügt das Modul über eine zweite LVDS-Schnittstelle sowie zwei mal SATA III. Dieses Beispiel zeigt, dass selbst im Bereich eines echten Standards wie COM-Express eine hundertprozentige Kompatibilität und damit eine garantierte Austauschbarkeit nur bedingt möglich ist. Ist das Design auf den Low-End-Atom-Prozessor ausgelegt und optimiert, heißt das aber bei höherem Leistungsbedarf und damit dem Einsatz des leistungsstärkeren Moduls eine Änderung des Mainbaords, also ein neues Design und Layout. Sicher lassen sich bei diesem Schritt einige Schaltplanteile übernehmen und auch eine Softwareanpassung scheint relativ einfach.

Zwei Standards für ARM: Q7 und SMARC

In der ARM-Modulwelt treten zwei Standards am Markt in Wettstreit: Auf der einen Seite die Q7-Gruppe und auf der anderen Seite die ULP-COM-Gruppe. Der ULP-COM-Arbeitsname wurde kürzlich neu festgelegt und unter dem Namen SMARC vorgestellt. Offensichtlich gibt es im ARM-Bereich nicht die universelle, allgemeingültige Lösung, sonst würden nicht zwei starke Gruppen jeweils mit einem eigenen Lösungsansatz am Markt antreten.

Mal kennt der Chip ein Signal nicht, mal ist es im Standard nicht vorgesehen: Bei der Vielfalt der ARM-Prozessoren stoßen Standards an ihre Grenzen.

Mal kennt der Chip ein Signal nicht, mal ist es im Standard nicht vorgesehen: Bei der Vielfalt der ARM-Prozessoren stoßen Standards an ihre Grenzen.TQ-Group

Auch hier lohnt sich eine genaue Betrachtung unter den oben genannten Gesichtspunkten. Was ist in der Spezifikation festgelegt und welche Funktionen unterstützt der bestückte Prozessor überhaupt? Und welche Funktionen liefert der Prozessor, die nicht verbunden sind, also in der Anwendung nicht zur Verfügung stehen? Auch hier lohnt sich ein Blick hinter die Kulissen. So ist das Modul eines Anbieters einmal mit einem Freescale i.MX6-Prozessor bestückt und liefert unter anderem zwei CAN-Schnittstellen und eine PCIe-Schnittstelle. Ein anderes angeblich kompatibles Modul des gleichen Anbieters, bestückt mit einem Nvidia Tegra 3, bietet keine CAN-Schnittstelle, dafür aber zwei PCIe-Schnittstellen.

Den Standard mit drei definierten PCIe-Schnittstellen erfüllt keiner der beiden Prozessoren. Nur eine detaillierte Gegenüberstellung zeigt, wo die Unterschiede liegen und wo eine Austauschbarkeit nicht möglich ist. Ähnliche Betrachtungen und Vergleiche kann man bei der Lösung der Q7-Gruppe durchführen – mit gleichem Ergebnis.

Es zeigt sich also, dass ein realer Standard mit einer garantierten Kompatibilität und damit Austauschbarkeit im ARM-Markt nur bedingt möglich ist. Die weiterhin sehr unterschiedlichen Ausprägungen der Prozessoren einzelner Chip-Anbieter machen einen Standard, wie er im x86-Modul-Bereich mit COM-Express vorliegt, nur sehr eingeschränkt nutzbar. Eines der Hauptargumente für Standards, die Austauschbarkeit, ist für ARM-Module nur möglich, wenn man eine sehr eingeschränkte Anzahl von Signalen nutzt. Will der Anwender die volle Leistungsfähigkeit des zur Zeit leistungsstärksten ARM-Prozessors Cortex-A9 auf dem Modul nutzen, muss er auf die „Sonderschnitze“ der Modulanbieter zurückgreifen. Dann ist es aber eigentlich ein proprietäres System, jedoch in der Boardgröße, im Speichersystem, im Steckersystem und weiteren Aspekten im Standard verhaftet. Noch mehr Einschränkungen werden bei diversen Hersteller-Standards sichtbar.

Beim TQMa28 setzt TQ auf proprietäre Technik, um alle Features des Freescale i.MX28 auf kleinstem Raum nutzbar zu machen.

Beim TQMa28 setzt TQ auf proprietäre Technik, um alle Features des Freescale i.MX28 auf kleinstem Raum nutzbar zu machen.TQ-Group

Lieber gleich proprietär

Ein proprietäres System hat dagegen die Freiheit und den Vorteil, dass es der Anbieter optimal auf einen Prozessor oder eine Prozessorfamilie zuschneiden kann. Dabei kann die Boardgröße meist deutlich kleiner sein als Standardboards. Auf dem Systemstecker können alle oder ein überwiegender Teil an Schnittstellen zur Verfügung stehen. Unter dem Aspekt der möglichst langfristigen Nutzung einer Prozessorplattform bietet ein solches Modul die größtmöglichen Freiheiten für den Anwender. Genau unter diesem Gesichtspunkt wurden und werden die TQ-Module entwickelt – maximale Leistung bei höchster Integration, Bereitstellung aller Signale, robustes und zuverlässiges Stecksystem, langfristig verfügbar und das in kleinster Modulgröße. Wie im x86-Markt werden aber sicher auch im ARM-Modul-Markt unterschiedliche Lösungen nebeneinander existieren und ihre Anwender finden.

Wolfgang Heinz-Fischer

ist Leiter Marketing / PR bei der TQ-Group in Seefeld nahe München.

(lei)

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