Über die Actyx-Plattform lassen sich alle Maschinen in ein Netzwerk einbinden.

Über die Actyx-Plattform lassen sich alle Maschinen in ein Netzwerk einbinden. (Bild: Actyx)

Das Credo von Actyx lautet ‚Digitalisierungsprojekte schnell und einfach umsetzbar machen‘. Dafür hat das junge Unternehmen mit ActyxOS eine Plattform-Lösung entwickelt, die auf Edge Computing basiert und ein Rahmenwerk schafft, welches Produktionen schnell digital arbeitsfähig machen soll. Aber was steckt dahinter?

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Die Actyx Plattform ist eine vollständig dezentralisierten Edge-Computing-Plattform. Es gibt keinen zentralen Server im System, weder in der Cloud noch vor Ort. Actyx

Als zugrundeliegende Infrastruktur wird ActyxOS auf Computern (Tablets, Scanner, Gateway, Industrie-PC, …) in der Fertigung installiert. Auch kann die Plattform direkt auf Steuerungen, die auf Linux laufen, installiert werden. Bei den meisten Steuerungen lässt sich ActyxOS nicht direkt aufspielen; in diesem Fall installieren Anwender die Plattform auf einem Gateway, welches im Schaltschrank montiert und physisch mit der SPS verbunden wird. Anschließend stellt ActyxOS automatisch eine Verbindung zu allen ActyxOS-Computern im lokalen Netzwerk über WLAN oder LAN her. Apps, die auf der Plattform laufen, kümmern sich dann um das Auslesen der Maschinendaten über verfügbare Protokolle wie OPC UA, S7 oder Modbus. Anschließen schicken die Apps diese Daten an das ebenfalls lokal auf dem Computer laufende ActyxOS. Die Plattform kümmert sich wiederum um die Verteilung und Speicherung der Daten zwischen anderen Geräten, wobei ActyxOS eine Kommunikation innerhalb von 20-200 ms ermöglicht – je nach App und Hardware. Zudem gibt es Apps, die die gesammelten Daten in KPI-Dashboards darstellen, Alarmfunktionen bieten und vieles mehr, etwa einfache Lösungen zum Erfassen von Daten von Maschinen und Werkern, intelligente Werkerassistenz-Apps für Rüst- und Instandsetzungsprozesse oder Apps die Sensordaten analysieren, um Qualitätsdefekte in der Maschine zu detektieren. Auch komplexe Anwendung wie die Steuerung von fahrerlosen Transportsystemen und eine Vernetzung mit Produktionsmaschinen ist möglich.

Was unterscheidet ActyxOS von anderen Lösungen?

Der Unterschied der Lösung besteht in dem dezentralen Ansatz: Bei “klassischen” Edge Lösungen werden Daten zwar lokal auf einem Gerät verarbeitet und analysiert. Es gibt aber immer noch einen zentralen Server mit dem die Geräte sprechen beziehungsweise Daten an diesen schicken. Die Kommunikation zwischen Geräten läuft immer über diesen zentralen Server, also müssen die Teilnehmer auch dauerhaft mit diesem verbunden sein. Bei Actyx sprechen die Edge Geräte hingegen im peer-to-peer Netzwerk, also direkt und ohne zentrale Instanz. Dies macht die Lösungen robust, ausfallsicher und skalierbar.

Entwicklungsumgebung für Apps

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Die Actyx-Software-Plattform ist eine einheitliche Infrastruktur, die es ermöglicht, Apps auf verschiedenen Endgeräten unterschiedlicher Hersteller laufen zu lassen. Die Plattform verteilt automatisch die Daten auf die verschiedenen Geräte und speichert sie dort ab. Entwickler können sich dadurch auf die Entwicklung von Apps konzentrieren und haben keinen Aufwand mit dem Aufsetzen der Infrastruktur. Actyx

Für den Zugang zu den Apps, gibt es mehrere Möglichkeiten: Entweder greifen Anwender auf Apps von Actyx zurück, programmieren diese selbst oder sehen sich im wachsenden App-Store um (siehe Kasten). Neben der Edge-Plattform entwickelt der Anbieter Entwicklerwerkzeuge zur Programmierung von Apps (Programmierframework Actyx Pond und SDKs) sowie zur Verwaltung von Edge-Geräten (Actyx CLI, Actyx Node Manager). Dabei erleichtert die Plattform App-Entwicklern die Arbeit, indem sie Features wie redundante Datenspeicherung, automatische Datenverteilung, einheitliche Laufzeitumgebungen über verschiedene Geräteklassen und integrierte Entwicklerwerkzeuge zur Programmierung, der Installation und dem Betreiben von Apps mitbringt. Zudem arbeitet das Start-up an einer Cloud-basierten Management-App, die es ermöglichen soll, eine komplette Lösung aus der Cloud heraus zu betreiben. Aktuell können über Apps auf ActyxOS Daten auch in die Cloud geschickt werden – ist aber kein Muss. Bezahlt wird bei Actyx über ein Lizenzmodell pro Endgerät auf dem die Plattform läuft.

Herstellerunabhängiger App-Store für Fabrik-Software

In Zukunft will Actyx den ersten herstellerunabhängigen App-Store für Fabrik-Software etablieren. Durch eine Kooperation mit Alleantia, einem italienischen Software-Unternehmen, gibt es die erste Standard-App auf der Actyx-Plattform. Alleantia IIot Gateways können jetzt einfach von Actyx-Nutzern integriert werden. Das vereinfacht die Einbindung von Industrieanlagen im Plug-and-Play-Stil. Dadurch entfällt die häufig aufwendige, spezifische Integration von Maschinen und Anlagen. Alleantia bietet bereits “out-of-the-box” Integrationen zu mehr als 5000 Industrie-Geräten und Steuerungen an.

Pilotprojekte zeigen Effizienz

Wie das System in der Praxis aussieht, zeigt zum Beispiel Klöckner, ein Distributor von Stahl- und Metallprodukten. Klöckner setzt ActyxOS ein, um seine Betriebs- und Maschinendaten zu erfassen, Daten über Dashboards auf dem Shop-Floor zu visualisieren und für detaillierte Datenanalysemöglichkeiten im Backoffice zugänglich zu machen. Ziel des Unternehmens ist die Digitalisierung seiner gesamten Lieferkette in der Stahl- und Metalldistribution. Dabei steht zunächst die Optimierung der Beschaffungsprozesse der Kunden im Vordergrund.

Seine Produkte stellt das Unternehmen individuell nach Kundenwünschen her, was die Produktvielfalt und die Komplexität der Fertigung insgesamt erhöht. Der Zugang zu Echtzeit- und historischen Maschinendaten ist wichtig für eine präzise Kostenkalkulation sowie für ein effektives Management der Fertigungsprozesse und der Ressourcenzuteilung. Allerdings hat Klöckner bisher keine Maschinendaten aufgezeichnet, was es unmöglich machte, die genauen Kosten für jedes Produkt zu berechnen. Die Tatsache, dass in den Prozessen eine Vielzahl unterschiedlicher Maschinen eingesetzt wird, erschwert die Datenerfassung zusätzlich. Darüber hinaus müssen die Daten genau mit den Produktionsaufträgen verknüpft werden, um aussagekräftige Einblicke zu ermöglichen, und für die Datenanalyse in den verschiedenen Produktionsstätten leicht zugänglich gemacht werden.

Digitalisierung von Maschinen und Hilfskräften

Für all diese Projekte hat Actyx bei Klöckner auf seiner Plattform eine Lösung implementiert, die Transparenz über die Maschinenleistung und den Auftragsfortschritt ermöglicht. Sie besteht aus:

  • einer App, die auf Tablets läuft, die an jeder Arbeitsstation installiert sind,
  • einer Maschinendatenerfassungsanwendung, die auf Gateways läuft, die mit den SPSen der Produktionsmaschinen verbunden sind,
  • KPI-Dashboards auf Monitoren, die an jeder Arbeitsstation installiert sind,
  • einer Reporting-Anwendung, die über Desktop-Computer zugänglich ist
  • und einer Schnittstelle zu SAP, die im lokalen Rechenzentrum läuft.

Die Mitarbeiter verwenden die Tablet-Anwendung, um Aufträge an der Arbeitsstation zu starten und stoppen, Materialmengen zu protokollieren, Unterbrechungsgründe zu melden und Aufträge als abgeschlossen zu melden. Darüber hinaus können die Mitarbeiter auf den KPI-Dashboards an den Maschinen Soll-Ist-Vergleiche anstellen und so klare Ziele und Rückmeldungen erhalten. Die Arbeitsvorbereitung und die Betriebsleitung kann die Maschinen- und Betriebsdaten für jeden Auftrag jederzeit in Echtzeit anzeigen sowie mit historischen Daten vergleichen und analysieren.

Im Video: Actyx in 10 Minuten

Die Zahlen sprechen für sich

Sven Koepchen, Geschäftsführer von Klöckner & Co Deutschland, bezeichnet das Projekt als großen Erfolg: „Die eigentliche Lösung wurde im Q1 2020 innerhalb von zwei Wochen an unserem Standort Velten implementiert und installiert. Durch den Einsatz der Actyx-Plattform profitieren wir von einem äußerst agilen Prozess bei der Spezifizierung der Lösung und der sehr schnellen Installation und Testphase in der Produktion. Dank des modularen Ansatzes am Rand sind wir nun in der Lage, Schritt für Schritt auf weitere Arbeitsplätze und unsere anderen deutschen Standorte zu skalieren und auszurollen“.

Laut Koepchen hat die Lösung die Produktivität bereits um 10 % gesteigert. Vor allem die höhere Transparenz durch das bessere Nachverfolgen von Aufträgen und dem Status der Maschinen hat zu dieser Verbesserung beigetragen. Innerhalb des nächstes Jahres soll dieser Wert auf 20 bis 30 % steigen. Hintergrund ist, dass Klöckner in Zukunft datengetriebener produzieren möchte und sich nicht nur auf ungefähre Erfahrungswerte verlassen will.

Dr. Martin Large

Redakteur IEE

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