Um 9 Prozent wuchs die Produktion 2021 (Januar bis November) in der Elektro- und ebenso stiegen die nominalen Erlöse im gleichen Zeitraum um knapp 10 Prozent. Sie streifen damit die Marke von 200 Milliarden Euro. Die Branche konnte damit auch die Corona-bedingten Verluste (-6 Prozent) aus dem Jahr 2020 wieder ausgleichen. Neben den Umsätzen stieg auch die Beschäftigtenzahl, die um 5000 auf 877.000 Mitarbeiter anstieg. Zugleich ging die Zahl der Kurzarbeiter auf 15.000 zurück. „Als eine von wenigen Branchen ist es gelungen, die Verluste aus dem Vorjahr mehr als nur wettzumachen“, bewertet ZVEI-Präsident Dr. Gunther Kegel die positive Entwicklung. „Die Zahlen sind umso beachtlicher, weil auch das zurückliegende Jahr von der Corona-Pandemie und Lieferengpässen bestimmt war.“
Nahezu alle Teilbranchen konnten ein Wachstum vorweisen, das besonders bei den Batterien mit einem Plus von 40 Prozent stark ausgeprägt war. Stabil wuchsen die Märkte von Haushaltsgeräten sowie medizinischen Applikationen. Zurückzuführen sei das starke Wachstum bei den Batterien auf die steigende Akzeptanz bei der Elektromobilität, erklärt der ZVEI. Im Bereich Medical sorgten der demografische Wandel sowie die Digitalisierung für steigende Nachfrage. Insgesamt war 2021 ein erfolgreiches Jahr für die Elektro- und Digitalindustrie. Der ZVEI warnt aber vor eventuellen künftigen Lockdowns: „Es ist der Branche im vergangenen Jahr sehr gut gelungen, die Pandemie-Situation zu managen“, erklärt Dr. Kegel. „Die von den Unternehmen getroffenen Sicherheitsmaßnahmen haben gegriffen. Wichtig ist, dass das wirtschaftliche und gesellschaftliche Leben weiter aufrechterhalten bleibt, auch wenn uns neue Virusvarianten vor neue Herausforderungen stellen.“ Dies schließe allerdings notwendige Schutzmaßnahmen nicht aus, so der ZVEI weiter.
Auch der Export stieg 2021 um 10 Prozent gegenüber dem Vorjahr an, wobei noch immer rund zwei Drittel der Exporte ins Europäische Ausland gehen und der Markt zweistellig wächst. Die Ausfuhren nach China (+8 Prozent) und die USA (+9 Prozent) stiegen ähnlich wie der Marktdurchschnitt an.
Materialknappheit dämmt Wachstum in der Elektroindustrie
Zu schaffen macht der Branche die anhaltende Materialknappheit. Ohne die vorhandenen Lieferengpässe hätte der Umsatz 2021 deutlich höher ausfallen und die 200-Milliarden-Euro Marke geknackt werden können. Diese haben sich zum Jahresende hin noch einmal verschärft. Der ZVEI erwartet frühestens ab Jahresmitte eine Besserung der Lage. Allerdings wird sich die Materialknappheit bis 2023, bis dahin wird sich die Lage aber entspannen. Auch für das Jahr 2022 ist der Verband zuversichtlich und geht von einem Produktionsplus von 4 Prozent aus, weist aber auf große Unsicherheiten bei der diesjährigen Prognose hin.
Mit Blick auf die unter Druck stehenden globalen Lieferketten und die Vernetzung der Branche mahnt der ZVEI, die technologische Souveränität und Resilienz Europas dringend zu stärken. „Europa kann nur aus einer starken Position heraus seine Wirtschaftsinteressen gegenüber China und den USA selbstbewusst vertreten“, sagt ZVEI-Präsident Kegel. „Hierfür darf es keine einseitigen Abhängigkeiten geben, weder bei Spitzentechnologien wie Halbleiter noch in der Spitzenforschung.“ Europa müsse mit eigenen Kompetenzen stark und souverän agieren können, ohne protektionistisch zu sein. Dazu müsse beispielsweise die EU das zweite IPCEI für Mikroelektronik jetzt schnell auf den Weg bringen. Von Deutschland fordert der ZVEI, 10 Milliarden Euro in den Bundeshaushalt vorzusehen. Weltweit investieren die Länder in ihre Halbleiterproduktion. Um hier nicht zurückzufallen und das Ziel von 20 Prozent am Weltmarkt zu erreichen, muss die EU agieren und eine aktivere Industriepolitik leisten sowie den Standort Europa für Spitzentechnologie attraktiver machen. Weber weist auch darauf hin, dass man sich nicht nur auf Sub-10nm-Technologien fokussieren solle, sondern auf die Stärken Europas – Leistungshalbleiter. Diese sind gerade für die steigende Elektrifizierung wichtig.
All-Electric-Society als Zugkraft in der Elektroindustrie
Die wachstumsfördernden Megatrends Elektrifizierung und Digitalisierung sind unmittelbar mit der Elektro- und Digitalindustrie verbunden und durch die Koalitionsvereinbarung der neuen Bundesregierung nochmals verstärkt worden. Beispiel Klimaschutz: „Um die ambitionierten Klimaziele zu erreichen, muss die Elektrifizierung mit durchgängiger Kopplung der klimarelevanten Sektoren Energie, Industrie, Gebäude und Mobilität jetzt entschlossen angegangen werden“, erklärt Wolfgang Weber, Vorsitzender der ZVEI-Geschäftsführung. Bei intelligenter Verbindung und direkter Nutzung könne erneuerbarer Strom nicht nur eine zunehmend CO2-freie Energieversorgung ermöglichen, sondern auch hohe Energieeffizienzpotenziale generieren. „Durch Elektrifizierung kann der Primärenergiebedarf bis 2045, dem Zieljahr für Klimaneutralität, um mehr als 40 Prozent gesenkt werden“, prognostiziert Weber.
Die Technologien hierfür seien vorhanden, blieben aber weiterhin viel zu häufig ungenutzt. Ein großer Schwachpunkt: Der seit Jahren vernachlässigte Netzausbau. „Ohne ein leistungsstarkes, digitalisiertes Stromnetz kann die Energiewende nicht gelingen“, so Weber. Ihre Ertüchtigung und Ausbau müssten mit dem Ausbau der Erneuerbaren deshalb dringend synchronisiert werden. Aber auch an anderen Stellen sieht der Verband große Handlungsbedarfe. „Die Infrastruktur in Deutschland insgesamt braucht eine Verjüngungskur“, erklärt der Vorsitzende der ZVEI-Geschäftsführung. Beispiel Gebäudesektor: „Der Großteil der Gebäude ist nicht Energiewende-fähig, die Sanierungsquote zu gering und die Elektroinstallationen sind häufig museumsreif.“
Es sei dringend geboten, tatsächlich „mehr Fortschritt zu wagen“. Der ZVEI fordert die Ampel-Koalition auf, schnell Maßnahmen zu ergreifen, die die Entwicklung zur All-Electric-Society unterstützen. Eine Schlüsselrolle nimmt dabei der Strompreis ein. Weber: „Um erneuerbaren Strom als vorrangigen Energieträger attraktiv zu machen, muss der Strompreis rascher gesenkt werden – für alle.“ Die Abschaffung der EEG-Umlage allein reiche nicht. Auch die Stromsteuer müsse abgesenkt und für erneuerbaren Strom vollständig reduziert werden.
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