Kurt Sievers: „Halbleiter und elektronische Bauelemente sind von fundamentaler Bedeutung für die deutsche Industrie.“

Kurt Sievers: „Halbleiter und elektronische Bauelemente sind von fundamentaler Bedeutung für die deutsche Industrie.“NXP

„Das Jahr 2013 war ein langweiliges Jahr im Bereich elektronische Komponenten.“ Kurt Sievers überraschte mit diesem Eingangs-Statement während der ZVEI-Pressekonferenz auf der diesjährigen Productronica. Der Vorsitzende des ZVEI-Fachverbands Electronic Components and Systems schob allerdings gleich eine Erklärung hinterher: „Langweilig im positiven Sinne, denn es ist alles so eingetreten, wie wir es im letzten Jahr prognostiziert haben.“ Der Blick auf die Zahlen verdeutlicht die Aussage: Der deutsche Markt für elektronische Komponenten wird in diesem Jahr einen Anstieg um knapp 3 Prozent auf gut 17 Milliarden Euro aufweisen, so die Einschätzung der Marktexperten des ZVEI. Das Nachkrisenjahr 2010 war von einer starken Erholung mit über 40 Prozent Wachstum geprägt. 2011 hatte diese sich fortgesetzt – wenn auch nicht mehr so ausgeprägt. „Nach einem Rückgang der Umsätze im vergangenen Jahr um knapp fünf Prozent wird der Markt für elektronische Komponenten im laufenden und kommenden Jahr wieder an Dynamik gewinnen“, prognostiziert Sievers. Damit sei das langweilige Jahr absolut positiv zu bewerten, denn: „Es gab schließlich schon ganz andere Jahre“.

Mit den Prognosen für das kommende Jahr hält der Experte nicht lang hinterm Berg: „Das Jahr 2014 wird ähnlich langweilig wie das jetzige“. Für das kommende Jahr geht man von gut drei Prozent Wachstum auf einen Umsatz von 17,6 Milliarden Euro aus. Allerdings könnten zwei große Unbekannte dafür sorgen, dass es 2014 doch wieder spannend wird: die Krisenherde im Nahen Osten und die anhaltende europäische Schuldenkrise. Trotzdem, die positive Marktentwicklung wird im Wesentlichen getragen von der anziehenden Nachfrage nach Halbleiterbauelementen, die mit einem Anteil von über 60 Prozent den Gesamtmarkt dominieren.

Die Zeichen stehen auf Wachstum – weltweit

Getriggert wird diese positive Entwicklung durch die sehr dynamische Entwickelung des globalen Wirtschaftswachstums, der sich im Jahr 2014 fortsetzen wird: Gegenüber dem Jahr 2013 prognostizieren die Marktforscher für kommendes Jahr einen Wachstumsschub um 3,6 Prozent auf rund 325 Milliarden US-Dollar. Treiber ist nach wie vor das übermächtige China, dessen Zeichen auch weiterhin auf Wachstum stehen, wenngleich die Prozentzahlen gegenüber dem Vorjahr von 7,7 Prozent im Jahr 2012 auf 7,3 Prozent für 2014 marginal nach unten korrigiert werden mussten. Aufsteiger sind für Sievers vor allem Indien, das „zunehmend auf dem Wachstumspfad wandelt“ und auch die USA. Indien habe sich zum Wissensstandort für Designs entwickelt, weiß er zu berichten: „Indien ist der Ort wo entschieden wird, was künftig entwickelt wird.“ Und der Blick in die USA lässt ihn ebenfalls zuversichtlich stimmen: „Man hat dort endlich erkannt, dass man von Bank- und Versicherungs-Dienstleistungen alleine nicht leben kann, sondern auch Fertigungen nötig sind.“

In diesem Zuge zeigt der Weltmarkt für elektronische Komponenten im laufenden Jahr eine ähnliche Wachstumsrate wie der deutsche Markt. Er wird um gut drei Prozent auf zirka 474 Milliarden US-Dollar steigen. Auch der europäische Markt wird um gut zwei Prozent auf einen Umsatz von ungefähr 60 Milliarden US-Dollar wachsen. Am besten entwickelt sich die Region Asien/Pazifik mit einem Plus von etwa sieben Prozent im Jahr 2013, so die Einschätzung der Experten im ZVEI. Deutsche Unternehmen sind insbesondere als Zulieferer der fernöstlichen Automobilindustrie erfolgreich.

Im Jahr 2014 wird der Weltmarkt für elektronische Bauelemente um fünf Prozent auf 497 Milliarden US-Dollar zulegen, lautet die Erwartung der Auguren. Der europäische Markt wird mit gut drei Prozent Wachstum einen Umsatz von rund 62 Milliarden US-Dollar erreichen und damit die 2012er Schwächeperiode in Europa (minus neun Prozent) hinter sich lassen. Der Markt in der Region Asien/Pazifik wird mit einem Plus von gut sechs Prozent erneut überdurchschnittlich wachsen, gefolgt von Nordamerika mit einem Plus von 3,5 Prozent und Japan mit einem Plus von gut drei Prozent.

2014: Alle Inlandsmärkte mit solidem Wachstum

Die Schwächephase der deutschen Wirtschaft als Folge der Staatsschuldenkrise im Euroraum sowie der konjunkturellen Abschwächung der Weltwirtschaft dürfte zum großen Teil überwunden sein, ist sich Sievers sicher: „Der Produktionsstandort Deutschland wird wieder an Kraft gewinnen.“ Basis dafür sind vor allem die vielen Ingenieure, die ihr Know-how geschickt in innovative Produkte umsetzen, ist Sievers überzeugt: „Mittlerweile sind 90 Prozent der Innovationen im Automobil durch die Elektronik getrieben.“ Mit einem Umsatz von 170,2 Milliarden Euro im Jahr 2012 erzielte die deutsche Elektroindustrie rund zehn Prozent des gesamten Industrieumsatzes, was einem BIP-Beitrag von zirka drei Prozent entspricht.

Überhaupt ist der deutsche Markt gut aufgestellt. Mit 847.000 Beschäftigten ist die Elektronik die zweitgrößte Industriebranche, die 22 Prozent aller Ingenieure (knapp 180.000) auf sich vereint und rund drei Fünftel aller Fachkräfte in Deutschland beschäftigt. Deutschland ist überdies ein Land der kleinen und mittelständischen Unternehmen: Über 90 Prozent der Firmen beschäftigen weniger als 500 Mitarbeiter. Für 2014 rechnet der ZVEI mit einem inländischen Marktwachstum bei elektronischen Komponenten um gut drei Prozent. Gestützt wird die positive Prognose durch die zunehmende Nachfrage nach Sicherheit, ist sich Sievers sicher: „Je mehr die Welt vernetzt sein wird, umso entscheidender ist Security. Dazu müssen aber innovative Elektronik und auch entsprechende Halbleiter zur Verfügung stehen.“ Auch die Medizintechnik treibt die Marktentwicklung in Deutschland voran.

Den Löwenanteil des für das kommende Jahr prognostizierten Wachstums von 3,4 Prozent auf einen Umsatz von dann 17,6 Milliarden Euro halten die Halbleiterbauelemente mit rund 60 Prozent (10,2 Milliarden Euro). Die Halbleiter wuchsen mit 3,9 Prozent im zu Ende gehenden Jahr 2013 stärker als der Gesamtmarkt. Die elektromechanischen Bauelemente mit drei Milliarden Euro, passive Bauelemente mit 1,76 Milliarden Euro, Leiterplatten mit 1,37 Milliarden und Schichtschaltungen mit 0,6 Milliarden Euro teilen sich den Rest des Kuchens. Wie schon in den vergangenen Jahren war es vor allem die Automobilelektronik, die mit 44 Prozent den größten Teil dieser Komponenten abgenommen hat. Für Sievers ein stabiler Trend, der sich noch verstärken könne, wenn die Erholung im Euroraum sich stabilisiere und so auch der europäische Automobilmarkt wieder an Fahrt gewönne: „Dann könne sogar die prognostizierte Wachstumsmarke von 3,5 Prozent für 2014 in diesem Segment übertroffen werden“, blickt er optimistisch in die Zukunft.

Hohe Dynamik erkennt Sievers derzeit auch im Segment der Industrieelektronik mit einem Anteil von 26 Prozent am deutschen Bauelementemarkt. Im Jahr 2012 habe dieses Segment überraschend schlecht abgeschnitten, konnte aber mit einem Plus von 4,3 Prozent im Jahr 2013 deutlich zulegen. Ursächlich für die rasche Erholung war laut Sievers das starke Anziehen des klassischen Maschinenbaus. Auch der Bereich der regenerativen Energien scheint nach Meinung des Verbandes seine rückläufige Entwicklung überwunden zu haben. Sievers erwartet daher für 2014 ein Plus von 4,8 Prozent, was deutlich über dem Marktdurchschnitt liegt. „Die Dynamik der Industrieelektronik könnte sogar die der Automobilelektronik übertreffen“, meinte er. „Das ist gut für Deutschland und für Europa.“

Industrie 4.0 pusht Datentechnik in Deutschland

Das solide Wachstum auf dem Halbleitermarkt freut Sievers auch in anderer Hinsicht: Denn vor allem die Halbleiterbauelemente seien – zum Beispiel als Sensoren oder RFID-Label – die treibenden Kräfte des Trends hin zur Industrie 4.0, argumentierte Sievers in seiner Funktion als Managing Director des Halbleiterherstellers NXP Semiconductors Germany auf dem traditionellen CEO-Roundtable der Productronica. Dieses widmete sich den evolutionären wie revolutionären Aspekten von Industrie 4.0 und beleuchtete verschiedene Aspekte einer umfassend vernetzten Produktion. Industrie 4.0, so die einhellige Meinung auf dem Podium, erlaubt eine schlankere, effizientere Fertigung immer kurzlebigerer Güter in stark individualisierter Ausprägung.

Der ZVEI macht den Trend in Zahlen fest: Demnach legt die industrielle Elektronik derzeit solide zu. Die Datentechnik folgt mit etwa 18 Prozent des deutschen Gesamtmarkts für elektronische Komponenten auf Platz drei. Noch in diesem Jahr wird das Segment ein Umsatzplus um 1,1 Prozent auf drei Milliarden Euro erreichen, für das kommende Jahr sind 3 Prozent Wachstum anvisiert. „Industrie 4.0 ist ein gutes Geschäft für die Elektronikindustrie“, waren sich die Podiumsteilnehmer einig. Das hörte NXP-Topmanager Sievers gerne. Für ihn ist Industrie 4.0 eine spezielle Ausprägung des „Internets der Dinge, über das seit Jahren diskutiert wird. Während heute vor allem Menschen über ihre Endgeräte miteinander verbunden sind, wird es künftig 50 bis 100 Milliarden Geräte geben, die selbständig miteinander kommunizieren“. Und dafür benötigen sie vor allem eines: Sehr viele Chips.

Marisa Robles Consée

ist freie Redakteurin Productronic

(mrc)

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