Herausforderung: Die Kappschnitt-Trennschleifmaschine TS 12 W hat eine andere Arbeitshöhe als die Schmiedeanlage.

Herausforderung: Die Kappschnitt-Trennschleifmaschine TS 12 W hat eine andere Arbeitshöhe als die Schmiedeanlage. Braun Maschinenfabrik

Das speziell entwickelte Materialhandling-System integriert im Edelstahlwerk der Firma Accia­ierie Valbruna die Trennschleifmaschine des Typs TS 12 W in eine bereits bestehende Schmiedelinie. Ihre Aufgabe ist es, die Enden der heißen Schmiedeteile nach Abschluss des Schmiedevorgangs abzutrennen. Bislang wurden die fertigen Schmiedestücke mit einer Länge zwischen 2,5 bis 5,5 m mittels Schmiedemanipulator entladen. Dazu wurden die tonnenschweren Teile auf einen parallel verlaufenden Rollgang gehoben und danach in einfache Stahlrungen ausgeworfen. Noch größere Schmiedestücke mit einer Länge von 5 bis 13 m wurden mit einer Vorrichtung an den Manipulator geklemmt und herausgeschoben.

Als Herausforderung bei der Neukonzeption des Handlingsystems stellte sich die geringe Übergabehöhe von 0,5 m am Schmiedemanipulator heraus. Das Problem: Der Rollengang der Trennschleifmaschine ist exakt 1,09 m hoch. Es galt, eine tragfähige Lösung zu entwickeln, die den Unterschied ausgleicht und die Schmiedeteile von den genannten Entladepositionen auf die Höhe des Rollgangs der Trennschleifmaschine befördert.

Materialhandling: Zwei Wege, ein Ziel

Der heb- und senkbare Rollgang befördert die verschiedenen Schmiedestücke vom Schmiedemanipulator auf die höhere Rollgangslinie der Trennschleifmaschine.

Der heb- und senkbare Rollgang befördert die verschiedenen Schmiedestücke vom Schmiedemanipulator auf die höhere Rollgangslinie der Trennschleifmaschine.Braun Maschinenfabrik

Um den anspruchsvollen Handlingprozess umsetzen zu können, waren mehrere Neukonstruktionen am Fördersystem erforderlich. „Die kompakte, modulare Bauweise der Getriebemotoren von Watt Drive ermöglicht es uns, immer wieder neue und vor allem komplexe Aufgaben im Bereich Materialhandling zu meistern“, erklärt Stefan Purrer, leitender Konstruktions- und Projektingenieur Stahltrenn- und -schleifmaschinen bei Braun. Zunächst befördert jetzt eine Mate­rialumhebeeinrichtung die kürzeren Schmiedestücke mittels vier Transportwagen vom Entlade-Rollgang zum 3,5 m entfernten, höhenverstellbaren Rollgang. Alternativ wird das Material auf einer der fünf Pufferpositionen abgelegt.

Die Schmiedestücke mit einer Länge von 5 bis 13 m werden nach dem Umbau von einer Materialdurchzieheinheit ebenfalls durch Anpressen von Förder- und Leitrollen vollautomatisch aus dem Schmiedemanipulator gezogen und kontinuierlich auf dem heb- und senkbaren Rollgang abgelegt. Die Anpressbewegung erfolgt mittels Gleichlauf-gesteuerter Hydraulikzylinder. Die Förderrollen sind wiederum elektromechanisch angetrieben über zwei Kegelstirnrad-Getriebemotoren des Typs K75 mit jeweils 3 kW Leistung. Die Getriebemotoren in Schutzart IP55 laufen mit einer Abtriebsdrehzahl von 28 U/min (Untersetzung von i=51,02) und erzeugen ein Drehmoment von über 1 000 Nm.

Ausgleich des Höhenunterschieds

Insgesamt 59 baugleiche Watt-Aufsteck-­Getriebemotoren treiben die Rollgänge der Trennschleifanlage an. Hier zu sehen: der Zusammenbau eines Rollgangs vor Auslieferung.

Insgesamt 59 baugleiche Watt-Aufsteck-­Getriebemotoren treiben die Rollgänge der Trennschleifanlage an. Hier zu sehen: der Zusammenbau eines Rollgangs vor Auslieferung. Braun Maschinenfabrik

Der etwa 11,5 m lange heb- und senkbare Rollgang entnimmt durch eine Hubbewegung die kürzeren Schmiedestücke von den Transportwagen, wobei die Verfahrbewegung elektromechanisch und die Hubbewegung mittels Hydraulikzylinder realisiert sind. Die längeren Schmiedeteile übernimmt der Rollgang direkt von der Durchzieheinheit. Alle Schmiedestücke werden nun mithilfe des heb- und senkbaren Rollgangs von der Ausgangshöhe 0,5 m auf das Rollgangsniveau der Trennschleifmaschine befördert.

Den Materialtransport übernehmen 17 einzelne, elektromechanisch angetriebene Rollen. Am gesamten Zufuhr- und Abfuhrrollgang der Trennschleifanlage kommen insgesamt 59 baugleiche Aufsteck-Getriebemotoren des Typs A46 mit einer Leistung von je 0,75 kW zum Einsatz, davon zwei mit Inkrementalgebern. Bei einem Antriebsdrehmoment von 106 Nm und einer Untersetzung von 20,86 laufen die Getriebemotoren mit einer Drehzahl von 68 U/min. Aufgrund der hohen Wärmeentwicklung beim Heißtrennen sind die Antriebe anwendungsspezifisch für Umgebungstemperaturen bis 60 °C ausgelegt und zusätzlich mit einer Temperaturüberwachung ausgestattet.

Die Hubbewegung des Rollgangs erfolgt ebenfalls elektromechanisch über einen Flachgetriebemotor des Typs F131 mit einer Motorleistung von 15 kW. Dieser ­Antrieb ist mit einer Federdruckbremse (Haltebremse) mit einem Bremsmoment von 100 Nm ausgestattet und erzeugt aufgrund seiner Untersetzung von i=76,05 ein Drehmoment von 7 462 Nm. „Die automatisierungstechnische Synchronisierung dieser drei ineinander greifenden Materialhandling-Baugruppen beziehungsweise der Schnittstelle zur bestehenden Radialschmiedemaschine stellte eine besondere Herausforderung in diesem Projekt dar“, erläutert Purrer.

Zum Schluss geht‘s aufs Kühlbett

Zwei Getriebemotoren der WEG-Tochter Watt Drive sorgen dafür, dass größere Schmiedestücke von der Materialdurchzieheinheit vollautomatisch aus dem Schmiedemanipulator auf dem Rollgang abgelegt werden.

Zwei Getriebemotoren der WEG-Tochter Watt Drive sorgen dafür, dass größere Schmiedestücke von der Materialdurchzieheinheit vollautomatisch aus dem Schmiedemanipulator auf dem Rollgang abgelegt werden.Braun Maschinenfabrik

Nach dem Trennschleifvorgang kommen die Schmiedestücke zur Abkühlung auf den Kettenförderer beziehungsweise in die Kettenmulde. Die Antriebe des Kettenförderers, zwei Flachgetriebemotoren des Typs F111, haben eine Motorleistung von jeweils 3 kW. Zum langsamen Auskühlen der Schmiedestücke haben diese Getriebemotoren eine hohe Untersetzung (i=207,08) und laufen daher mit lediglich 7 U/min. Dazu Purrer: „Die modularen Watt-Getriebemotoren lassen auch bei geringen Geschwindigkeiten sehr feine Drehzahlabstufungen zu.“ So laufen beispielsweise die zwei sechspoligen Flach­getriebemotoren des Kettenmulden-Schwenkantriebs mit 1,4 U/min noch wesentlich langsamer. Um ein Herunterfallen der Schmiedestücke zu verhindern, sind diese Motoren mit einer Bremse ausgerüstet. Die Steuerungs- und Sicherheitstechnik der Applikation wurde mit einer Siemens-Steuerung S7-300 CPU 315F-2 PN/DP realisiert. In der Peripherie kommen ­ET-200S zum Einsatz, für die Antriebssteuerung das System Sinamics S120.

Die Heb- und Senkzyklen sind als Kran-­Applikation projektiert. Daher baut der Motor zuerst ausreichend Moment auf, um den Rollgang halten zu können. Erst danach öffnet die Haltebremse des ­Motors. Die Regelung des Antriebs ­erfolgt über ein lineares Wegmessystem an der Hubeinheit.

Martin Kneißel

ist Key Account Manager bei Watt Drive

(sk)

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