Nanowired 01_KlettWelding-1024x683

Mittels Nanowiring hergestellter „Rasen“: Mit mit einem auf Tampon-Druck basierenden galvanischen Prozess wird die Grundlage für die Strukturierung der Nanodrähte geschaffen. (Bild: Nanowired)

Klett Welding hat Zukunft: Löten, bonden, kleben, schweißen oder schrauben: Elektronikbauteile zu verbinden, kann mitunter nicht nur aufwendig, sondern fehleranfällig sein.

Dem breitbandig aufgestellten Gründerteam von NanoWired ist mit den Technologie NanoWiring, KlettWelding und KlettSintering der Durchbruch gelungen. Sie haben das geschafft, wovon viele Ingenieure träumen: Ein raffiniertes, weltweit einzigartiges Verfahren zur schnellen, dauerhaften und umweltfreundlichen Verbindung für die Elektronikfertigung zu entwickeln. „Die Idee entstand im September 2015 aus einem Zusammentreffen von universitärem Wissen mit Industrie- und Elektronikerfahrener Management-Expertise.“, erinnert sich Olav Birlem, der neben Dr. Sebastian Quednau, Florian Dassinger und Farough Roustaie dieses Zusammentreffen bestritt.

Durch das Gewinnen des Sience4Life-Wettbewerbes wurde dieses dann manifestiert. Die Gründung von Nanowired erfolgte im Jahr 2017“, erläutert der heutige CEO von NanoWired. Dr. Sebastian Quednau (CTO), Florian Dassinger (Leiter Kundenprojekte) und Farough Roustaie (Leitung Produktion) zählen zu den Gründungsmitgliedern des jungen Unternehmens, das nun die Vermarktung der massentauglichen Technologie vorantreibt, deren Anwendungen für die Bereiche Sensorik, Halbleiter, Automobil, Konsumgüter Medizin, Luft/Raumfahrt, Wasser, Gebäudetechnik oder andersartigen Verbindungsansprüchen ausgelegt sind. Mit 25 internationalen Firmen wie Osram, Bosch, Murata, Wika, SMA, Honda und Huawei wurde das Verfahren bereits erprobt, weshalb Birlem betont: „Schon heute haben wir den Prozess automatisiert und produzieren mit sechs Vollautomaten das NanoWiring auf beliebigen Oberflächen. Bis Ende des Jahres 2019 wird momentane Kapazität noch verdoppelt.“

Nanotechnologie, die verbindet

Um eine Klett Welding – Verbindung zu ermöglichen, muss zuvor die Oberfläche der Bauteile behandelt werden. „Prinzipiell ist ein NanoWiring auf allen beliebigen Oberflächen möglich. „Ich beliebe zu scherzen indem ich sage, sogar auf Holz“, erläutert Olav Birlem und setzt fort: „Die Voraussetzung für die Anwendung des NanoWiring ist, dass es ein industriell etabliertes Massenverfahren gibt, mit dem eine Grundmetallisierung der Substratoberfläche möglich ist, so zum Beispiel durch Sputtern oder galvanisieren.“ Die Grundmetallisierung stellt dabei die Startschicht des galvanischen Prozesses, dem NanoWiring, das per Tampon-Druck aufgetragen wird. Hierbei wird ein Schwamm, der den Elektrolyten trägt, auf das Substrat gepresst. Daraus entsteht ein aus feinsten Drähten bestehender metallischer Rasen, der in die Porösitätsschicht des Schwammes hineinwächst. Der Durchmesser eines solchen „Grashalms“ kann dabei je nach Anwendung zwischen 30 nm und 2 µm und die Länge zwischen 2 µm und 50 µm betragen. Durch den galvanischen Prozess ist es möglich, die Nanodrähte aus praktisch allen galvanisch abscheidbaren Metallen herzustellen. Bewährt haben sich Kupfer, Gold, Silber und Nickel, gleichwohl sind auch Platin oder Indium für den Prozess geeignet.

Klettwelding-Prozess

Darstellung der verschiedenen Prozessschritte: Mit NanoWiring wird strukturiert und mit KlettWelding die Verbindung mittels Zusammendrücken hergestellt. Nanowired

Durch einen Strukturierungsprozess, dem Maskieren, werden die Substrate nur in den vorgesehenen Bereichen beschichtet. „Hier zeigt sich die Stärke des Verfahrens. Denn es ist nahezu nichts zu beachten, außer, dass man sich derzeit in Strukturbreiten zwischen 1 µm² und 1m² aufhalten müssen und zwischen den Kontakten idealerweise ein gleichgroßer Abstand zu wählen ist“, erläutert der Experte. Als Maskier-Verfahren wird in Abhängigkeit der Strukturbreite das aus der Halbleiterindustrie bekannte Spray-Coating oder Laminieren verwendet oder einfach eine Klebefolie oder Gummi-Abdeckung.

Anschließend werden beim Stripping-Prozess alle Materialien entfernt, die nicht zur Verbindung benötigt werden. Das Stripping ist eine Art Reinigungsprozess und stellt sicher, dass alle Fremdmaterialien verschwinden und die Halme nur an den vorgesehenen Bereichen stehen bleiben. Aus welchen Materialien die zu beschichtende Oberfläche besteht und welche Geometrie diese besitzt, spielt keine Rolle. Geeignet ist die Technologie unter anderem für FR4, Silizium, Kupfer, Aluminium und Stahl. Nichtleitende Materialien wie Glas, Keramik (LTTC) oder Polymer (PI, PCB) müssen jedoch zuvor in einem Prozess elektrisch leitend gemacht werden..

Einfach bei Raumtemperatur fügen

Die Besonderheit ist, dass die KlettWelding genannte Klettverbindung bei Raumtemperatur erfolgt. Das macht die Technologie vor allem für hitzeempfindliche Bauteile attraktiv. Die Bauteile werden gegeneinander ausgerichtet und zusammengedrückt. Wie die Ösen und Haken eines Klettverschlusses verfangen sich die einzelnen Drähte instantan mechanisch ineinander und zusätzlich auf Atomgitterebene, die vergleichbar mit dem Kaltschweißen ist. So entsteht eine Verbindung, die nicht nur stabil ist, sondern auch Strom von mehreren 100 A standhält, Wärme leitet und hochtemperaturfest mit bis über 600 °C ist.

Tabelle1

Tabelle 1: Eigenschaften der NanoWires und der KlettWelding-Verbindung. Nanowired

Bemerkenswert ist dabei, dass die rein metallische Verbindung aus unter anderem Kupfer, Gold, Silber oder Nickel deutlich höhere elektrische und thermische Leitfähigkeiten aufweist, als Löten, Bonden, Klebstoffe oder Schrauben. Überdies wird eine hohe Langzeitstabilität durch die Verwendung von sortenreinen Metallen in der Verbindung erreicht. Das verhindert ein Verspröden der Verbindung in Folge von Temperaturwechseln. Ein interessanter Nebeneffekt ergibt zudem: Denn beim KlettWelding und KlettSintern findet der Bond-Prozess in der z-Achse statt, wodurch ein 3D-Packaging realisierbar ist. Die Substrate lassen sich zu mehreren Lagen stapeln und kontaktieren.

Klettwelding: Technik im Detail

Zum Fügen und Kontaktieren werden die zuvor mit NanoWiring funktionalisierten Bauteile mit einem von mechanischem Druck von 10 MPa bis 50 MPa zusammengedrückt und damit verfestigt. Dies kann mit handelsüblichen Bestückautomaten, Flip-Chip-Bondern oder auch Pressen erfolgen. Hingegen lassen sich großflächige Verbindungen mit elektromotorischen oder hydraulischen Kraftmaschinen herstellen. Ebenfalls ist die Anwendung von einfachen Kniehebelpressen möglich. Ein weiterer Vorteil ist, dass auch nach einer Lagerung von mehr als einem Jahr eine leistungsfähige Verbindung mittels einem KlettWelding-Aktivator problemlos hergestellt werden kann.

Nanowired gewinnt Hermes Award 2019

HANNOVER MESSE 2019, 01.-05. April

Gewinner des Hermes Award 2019 ist NanoWired mit seiner Lösung Klettwelding-Tape. Olav Birlem (CEO, l.) und Dr. Sebastian Quednau (CTO) freuen sich über die Auszeichnung. Hannover Messe

Um den jährlich auf der Hannover-Messe verliehene Industriepreis „Hermes Award“ hat sich NanoWired mit der innovativen Verbindungstechnologie KlettWelding verdient gemacht. Der Hermes Award wird durch die Deutsche Messe verliehen und zählt durch seine Öffentlichkeitswirkung zu den höchstdotierten und weltweit bedeutendsten Industriepreisen. Der Technologie-Innovations-Preis wurde von der Bundesministerin für Bildung und Forschung, Anja Karliczek, übergeben. Schirmherren des Preises sind das Bundeministerium für Bildung und Forschung sowie das Land Niedersachsen.

Parallel zum KlettWelding hat das Unternehmen mit KlettSintering eine Verbindung mit einseitiger Beschichtung entwickelt. Das Verfahren verbindet prinzipiell zwei Substrate, bei dem nur eines von ihnen mittels NanoWiring vorbereitet wurde. Hierbei brauchen die zu verbindenden Substrate nur eine verkupferte oder vergoldete Oberfläche aufweisen. Beim Zusammendrücken mit typischen 20 MPa muss zusätzlich eine Temperatur von 210 °C in die Verbindungszone gebracht werden (Thermode). Das KlettSintering erreicht ähnliche Zug- und Scherfestigkeiten wie das KlettWelding. Vor allem bei Stanzgitteranwendungen oder beim Anbinden von Temperatursensoren, bietet dieses Verfahren deutliche Vorteile.

Als dritte Variante steht das KlettWelding-Tape zur Verfügung. Es lässt sich auf zwei Arten anwenden. Zum einen beim KlettWelding zur Verlängerung der NanoWiring Haare. Dies kann bei sehr robusten Anwendungen von Vorteil sein, wobei eine Aufdickung der Verbindungszone ähnlich einer künstlichen Haarverlängerung geschaffen wird. Dies ist besonders von Vorteil, wenn Substrate mit unterschiedlichen Ausdehnungskoeffizienten verbunden werden müssen. Zum anderen ist es möglich, das KlettWelding-Tape auch für das KlettSintering einzusetzen. Dies hat den Vorteil, dass keiner der zu verbindenden Substrate im Vorfeld ein NanoWiring durchlaufen müssen. Durch einfaches Zusammendrücken findet bei 210°C ein doppelter KlettSintering-Prozess statt.

Zuverlässige und dauerhafte Verbindung

Dass der metallische Klettverschluss „bombenfest“ hält, daran lässt Olav Birlem keinen Zweifel: „Wir sind etwas für die Ewigkeit. Das heißt, einmal verbunden sind wir nicht lösbar.“ Eine Reparatur von defekten oder zerstörten Elementen sei jedoch durch Austausch und wieder Aufbereiten der Substratflächen möglich. Das Entsprechende Bauteil lässt sich durch abscheren oder abdrehen entfernen. Auch die Reparatur der Nanodrähte ist möglich, indem die beschädigte Struktur entfernt und anschließend wieder neu strukturiert wird.

Nanowired 03_Leiterplattenutzen

Derzeit produziert das Unternehmen mit sechs Vollautomaten das Nanowiring auf beliebigen Oberflächen wie etwa auf Leiterplatten, Wafern und Busbars. Nanowired

Mechanischen Spannungen in der Klettverbindung sind nicht möglich, versichert Birlem: „Da die KlettWelding-Verbindung aus einem sortenreinen Metallverbund besteht, treten primär in der Verbindung keine Spannungen auf.“ Allerdings können Spannungen in der Verbindung temperaturbedingt durch beim Verbinden unterschiedlicher Materialien entstehen, die unterschiedliche Ausdehnungskoeffizienten haben, räumt er ein: „Dazu zählen wir Paarungen aus beispielsweise Aluminium mit Keramik.“

Abschließend erfolgt die Qualitätssicherung: Dabei werden im Anschluss an das NanoWiring die „berasten“ Flächen auf Homogenität und eventuelle Fehlstellen hin untersucht. Hierfür kommt eine Kombination aus unterschiedlichen optischen Verfahren zum Einsatz. Eine vollautomatische Anlage zur Endkontrolle ist derzeit im Aufbau. Für eine noch genauere Analyse werden Stichproben im Rasterelektronenmikroskop untersucht..

Vielfältige Anwendungsfelder

Derzeit steht ein Batch-basiertes Vollautomaten-Design der NanoWiring-Produktionsmaschine mit einer Produktionsfläche von 300 mm x 300 mm zur Verfügung. Damit ist somit auch möglich 12 Zoll große Wafer zu verarbeiten. Ein NanoWiring von mehrerer Tausend Teilen ist damit in einem Prozesslauf möglich. Basistechnisch gelten die gleichen Galvanikzeiten wie sie auch in der Halbleiterindustrie anzutreffen sind. Derzeit ist man bei NanoWired in der Lage, Prozessgeschwindigkeiten von ca. 1 µm NanoWiring-Länge pro Minute Prozesszeit zu erzeugen. Die Feinheit der „Halme“ spricht überdies für sich: Abhängig von den Anforderungen ist es dadurch möglich, bis zu mehrere Milliarden Nanodrähte pro Quadratzentimeter aufbringen. „Typischerweise haben wir für das Erzeugen einer KlettWelding-Verbindungen im Bereich des NanoWiring einen Füllfaktor von ca. 17 Prozent. Dieser Füllfaktor kann aber bei KlettSintering-Anwendungen oder speziellen Strukturen variieren.“ Gefragt nach der Ausbeute, antwortet Olav Birlem: „Der Yield des Prozesses ist abhängig von den Strukturbreiten der zu erzeugenden Kontaktstruktur. Wir haben Anwendungen bei denen das NanoWiring wie Plätzchenbacken funktioniert, ohne Ausschuss zum Naschen. Andere Applikationen benötigen hingegen Prozessanpassungen, sodass wir dort einen Yield von über 90 Prozent erzielen.“

Interessant ist der Prozess laut Birlem vor allem für die Elektronikfertigung, da dieser zweigeteilt ist. Das NanoWiring erfolgt im Vorfeld der Modulproduktion direkt auf den Bauteilen oder den Substraten. Diese mit NanoWiring veredelten Substrate können eingelagert und zu einem späteren Zeitpunkt dem finalen Fertigungsprozess zugeführt werden. „Damit lässt sich das NanoWiring sowohl bei elektronischen Baugruppen oder der Modulfertigung genauso einsetzen, wie in der Leiterplatten- oder der Chip-Fertigung. Natürlich ist der Einsatz in der Linie ebenso möglich wie das Auslagern auf spezialisierte Dienstleister wie uns.“ Darüber hinaus hält die NanoWiring-Struktur, also vor dem KlettWelding, dem Reflow-Lötprozess stand, weshalb er anmerkt: „Wir sind somit Hybrid-fähig. Das führt dazu, dass der Anwender nicht gezwungen ist, gleich alle Bauteile umzustellen, sondern sich nur auf seinen sensiblen Bereich konzentrieren kann.“ Das können Baugruppen sein, die besonders temperaturempfindlich sind, feine Strukturen besitzen, die nicht mehr lötbar sind oder die aus Platz- und Präzisionsmangel nicht in eine flüssigphasenbedingte Schwimmzone eintreten dürfen.

„Ich glaube wir sind eines der wenigen, vielleicht sogar das einzige Verfahren, das flexible Leiterplatten in seiner vollen Leistungsbreite unterstützt. Wir können auf Silber-bedruckten Leiterplatten ebenso, wie auf Niedertemperatur Substraten unser NanoWiring durchführen“, umreißt Olav Birlem ein weiteres Einsatzgebiet. Der Raumtemperatur-Prozess KlettWelding und die fehlende Flüssigphase und erreichbare Peelkräfte von >1,7 N/mm lassen Struktur- und Kontaktbreiten von lediglich < 80 µm zu. „Gerade der asiatische Markt wird dieses in Anwendungen nutzen die gefaltete Elektronik mit hoher Kompaktheit erfordern. Ebenso wird die Technologie in nahezu allen Anwendungsfeldern der modernen AVT anzutreffen sein. Wir gehen auch davon aus, dass Anwendungen aus dem Bereich des Silbersinterns und des Laserschweißens aus Kostengründen zu unseren Verfahren wechseln werden“, prognostiziert er zuversichtlich..

Klettverschlussartige Verschmelzung

Es hält selbst hohen Temperaturen stand und ist dabei extrem leitfähig, sowohl für Wärme als auch für elektronische Impulse: Beim KlettWelding werden zwei, mit NanoWiring versehene Oberflächen, dauerhaft mechanisch, elektrisch und thermisch bei Raumtemperatur miteinander verbunden. Diese weltweit neue Technologie hat großes Zukunftspotential, da es sich in vielen Bereichen einsetzen lässt.

Marisa Robles

Chefredakteurin Productronic

Sie möchten gerne weiterlesen?

Unternehmen

NanoWired GmbH

Merckstraße 25
64283 Darmstadt
Germany