Auf einen einfachen Nenner gebracht ist die Rate der False Calls oder Pseudofehler ein Ausdruck für die Unterscheidungssicherheit in der Inspektion. Ist nämlich die Inspektionstechnik, mit der zwischen fehlerhaften und guten Bauteilen unterschieden wird, genau und exakt genug, dann sind Anzeigen von False Calls sehr niedrig. Sollte allerdings das System große Grauzonen ermöglichen, in denen es nicht mit hoher Sicherheit zwischen guten und fehlerhaften Komponenten unterscheiden kann, wird die Rate der False Calls sehr hoch sein. Von ihrem technischen Konzept her lassen sich AOI-Systeme in zwei Kategorien einteilen: Equipment, das Variablen misst, um Abweichungen und damit Defekte genau zu erfassen und kategorisieren, und solche Instrumente, die dazu nur Bilder vergleichen. So wird also die erste Kategorie als Algorithmen-basierend bezeichnet und die andere als Bildvergleichs-Methode (Image-basierend).

Gut-Muster als Referenz

Ein einfacher Weg für den Vergleich beider Techniken ergibt sich, wenn man einfach einmal in die „Schuhe“ eines Fertigungsmitarbeiters schlüpft, der die Qualität von Holzgehäusen beurteilen soll. Nimmt man an, dass er nun fünf Gehäuse erhält, die für gut befunden wurden (sozusagen die Referenz). Anschließend sind 50 andere Gehäuse aus der laufenden Produktion zu kontrollieren. Eine übliche Vorgehensweise wäre dabei, jedes Gehäuse im Vergleich gegen die fünf „Guten“ zu kontrollieren. Das lässt sich nacheinander für jedes Prüfobjekt separat gegen jede einzelne „Referenz“ vornehmen oder mit mehr Erfahrung des Mitarbeiters gegen die Referenzen als eine Gruppe. An einem anderen Tag jedoch erhält der Mitarbeiter eine genaue Messeinrichtung zur Kontrolle der Gehäuse, gleichzeitig noch eine Anleitung mit deren wesentlichen Daten – und dann sollen die 50 Gehäuse geprüft werden. Gut-Muster sind also nicht mehr vorhanden. Die jetzt übliche Methode wäre, die wesentlichen Punkte jedes Gehäuses auszumessen und solche Objekte zurückzuweisen, die nicht den klar niedergelegten Spezifikationen entsprechen.

Die erste Prüfmethode basiert somit auf einer Reihe von Abschätzungen. Die große Unsicherheit dabei: nach welchen Kriterien wurden die fünf Gut-Muster ausgewählt? Sind sie wirklich die „goldenen“ Muster, welche ein perfektes Produkt repräsentieren oder wurden sie nur zufälligerweise ausgewählt? Was wäre, wenn die Fertigung hier einen schlechten Tag gehabt hätte? Zudem darf man nicht übersehen, sollte ein Fertigungsmitarbeiter Gut-Muster auswählen und entscheiden, ob sie den Vorgaben entsprechen oder nicht, das es sich dabei um eine weitere Abschätzung handelt. Mit weiter steigenden Stückzahlen wird der Mitarbeiter dann auch zwangsläufig berechtigt, auch mehr Referenzen zu seinen Gut-Mustern hinzuzufügen, wenn er diese als akzeptierbar einschätzt. Und mit dieser weiteren Einschätzung ergeben sich Möglichkeiten für noch größere Ungenauigkeiten und Fehler. Bei der anderen, dieser Routine weitaus überlegeneren Methode, verwendet man eine genaue Messeinrichtung und kontrolliert damit anhand klarer Soll-Daten die Prüfobjekte. Abgesehen von einer defekten Messvorrichtung gibt es hierbei wenig Fehlermöglichkeiten.

Messen und vergleichen

In der SMT-Baugruppenfertigung hat man es mit AOI-Systemen zu tun, die ähnliche Techniken und Methoden aufweisen. Die Image-basierenden Systeme vergleichen Aufnahmen von Bauteilen, die Algorithmen-basierende Systeme messen exakt physische oder optische Merkmale, um Defekte auszusortieren. Bei der Programmierung von Image-basierender AOI muss zumindest zuerst ein tadellos gutes („goldenes“) Muster vorliegen, und das für jeden Referenz-Designator (Merkmal) auf dieser Baugruppe. Doch sogar für Systeme mit sogenannter Bild-Bibliothek ist die Übertragbarkeit von Programmen erheblich eingeschränkt. Denn die Bauteile einer neuen Baugruppe in der Fertigung müssen wieder erneut von „guten“ Mustern abgelernt werden. Sind fünf Boards vorhanden, so müssen in der Praxis auch fünf Bilder für den Referenz-Designator bestimmt werden. Will man beispielsweise die Position von C0603 programmieren, der auf den Referenz-Designator C69 bestückt ist, können fünf Muster (Bild 1) verwendet werden.

Auf den ersten Blick erscheinen sie als gute Muster, die alle wesentlichen Prozessabweichungen umfassen, die Bauteile und Lötverbindungen erscheinen leicht unterschiedlich. Die meisten dieser Systeme definieren hier beim Programmieren einen speziellen Bereich (ROI, region of interest) um das „goldene“ Muster (Sample 2, rote Umrandung). Die Annahme, dass es sich hierbei um gute Muster handelt, kann jedoch zu Ungenauigkeiten in der Definition des Programm-Modells führen: Mit Sample 2 wird eine Unregelmäßigkeit in den wichtigen Bildausschnitt (ROI) als Referenz für künftige Beurteilungen übernommen. Vergleicht man auf diese Weise Bilder mit Bildern steht dahinter natürlich keine exakte Messung in X und Y sowie in Theta. Anhand der fünf Beispiele wird klar: keine der Komponenten ist perfekt bestückt in Relation zu den CAD-Sollpositionen in den Achsen X, Y und Theta. Deshalb führen solche Systeme Abschätzungen der Positionen durch, denn ihre Inspektionsergebnisse beruhen auf Vergleiche von Komponenten-Abbildungen, wobei deren wirkliche Lage im System nicht hinreichend eindeutig bekannt ist.

Man kann sagen, der Hauptvorteil dieser Methode liegt in der kurzen Programmierzeit am Anfang. Man braucht (zumindest theoretisch) eigentlich nur ein „goldenes“ Board, um ein Programm zu erzeugen. Damit erscheint die rasche Integration solch eines Systems in die Fertigung für den Programmierer problemlos. Die Nachteile der Image-basierenden Technik sind die sehr hohe Zahl von False Calls sowie die Ungenauigkeit der Prüfmethodik des Equipments. Grundsätzlich sind diese beiden Einflussgrößen miteinander verknüpft, weil sie auf der gleichen Grundlage beruhen: dem Verfahren, mit dem die Bauteile beurteilt werden. In einer laufenden Fertigung gleicht ja kein aktuell aufgenommenes ROI-Bild dem entsprechenden Ausschnitt vom goldenen Board. Jede kleine Abweichung – siehe Sample 2 – wirkt sich negativ auf die Inspektion aus, weil sie zu False Calls führt. Der Mitarbeiter hat hier in der Praxis keine andere Möglichkeit, als das aktuelle Bild als ein goldenes Muster zu akzeptieren, das in die Bibliothek übernommen wird. Auf diese Weise wächst der ursprüngliche Satz von fünf Mustern mit laufender Fertigung unaufhörlich an.

Man erzeugt damit in der Bibliothek eine große Kollektion von Bildern mit unterschiedlichen Charakteristiken. Hier kommt es beim Vergleich zu einer hohen Zahl von Pseudofehlern, die damit konfrontierten Mitarbeiter tendieren dazu, auch eine große Zahl von weiteren Bildern als „gut“ zu akzeptieren. Sie verschlechtern damit die Integrität der Inspektion weiter, denn sie fügen einfach Bilder ohne ausreichend exakte Charakterisierung ihren Referenzen hinzu, wobei sich mit der ständig anwachsenden Bild-Datenbank auch noch die Prüfzeit drastisch erhöht. Nachdem Abbildungen routinemäßig hinzugefügt werden, besteht die sehr große Wahrscheinlichkeit, dass auch zunehmend fehlerhafte Komponenten in die Datenbank gelangen. Diese Methodik führt mithin zu einer Verschlechterung des Inspektionsumfangs und erhöht auch die Wahrscheinlichkeit für eine höhere Zahl von irrtümlich akzeptierten Defekten (False Accepts).

Algorithmische Inspektion

Bei einem Algorithmen-basierenden System hingegen ist die Inspektion nicht von einer solcherart gewonnenen Bild-Datenbank abhängig. Das System verwendet stattdessen die exakt definierten wesentlichen Bauteil-Charakteristiken zur Gut/Schlecht-Unterscheidung. Die eindeutigen Modelle in der Bibliothek (Bild 2) sind universell für jedes Inspektionsprogramm verwendbar, wobei die Bibliothek auf allen diesen Maschinen in der Fertigung eingesetzt werden kann (Portabilität). Die hier angewandte Erkennung und Matching von Pattern (Bild 3) ermöglicht die nötige Flexibilität mit exakt programmierbaren Toleranzen für Farben, Bauteilgrößen und Lötverbindungen. Zur Lokalisierung der Komponenten erfasst das System mit seinem Visionsystem die Kanten oder Kontraständerungen, die mit der Kontur des Modells übereinstimmen. Mit dieser Technik sind präzise Messungen möglich, die auf den Informationen beruhen, welche aus dem Bild des inspizierten Bauteils gewonnen wurden. Diese Inspektionsmethode stellt sicher, dass die Position eines Bauteils exakt und genau reproduzierbar erfasst wird.

Die entscheidenden Vorteile der Algorithmen-basierenden AOI-Technik sind die hohe Genauigkeit und Wiederholbarkeit der Messungen sowie die niedrige Zahl von False Calls, auch bei großen Produktionsvolumen. Ist einmal ein Programm abschließend erstellt, dann werden damit in der Fertigungsinspektion auch durchgängig die gleichen Ergebnisse erzielt. Die durchschnittliche Zahl von Pseudofehlern beträgt, auch über ein große Breite von Applikationen, nur etwa 10 Prozent aller beanstandeten Boards, während bei Image-basierenden Systemen praktisch bei jeder inspizierten Baugruppe mit False Call zu rechnen sind. Der Nachteil des Algorithmen-basierenden Verfahrens ist die längere Programmierzeit bei den ersten Baugruppen nach Inbetriebnahme in der Fertigung. Doch nachdem die einmal erzeugten Modelle in der Bibliothek komplikationslos auch auf alle nachfolgenden Programme übertragen werden können (ebenso wie auf andere Maschinen), reduziert sich bei zunehmender Betriebszeit mit jedem neuen Board der Programmieraufwand exponentiell. Bei der Image-basierenden Methode jedoch bleibt er stets gleich hoch (Bild 4).

Betrachten wir die Maßnahmen zur Qualitätssicherung in der Fertigung und für die Prozesskontrolle, dann kommt es bei der Inspektion auf eine saubere messtechnische Erfassung der konkreten Bauteil-Charakteristiken an. Mit einem Image-basierenden System vergleicht man in einem rasch unübersichtlich und fehlerhaft werdenden Schätzprozess jeweils ein Bild mit vielen weiteren Bildern aus einer Datenbank. Bei Algorithmen-basierendem Equipment hingegen werden zur Gut/Schlecht-Beurteilung eindeutige Messungen mit genau definierten Schwellwerten vorgenommen. Damit sind beste Wiederholbarkeit und Zuverlässigkeit der Inspektionsergebnisse sichergestellt.

Falsch positiv muss nicht sein

Eine hohe Zahl von False Calls ist kein Charakteristikum von AOI-Systemen generell, sondern immer auf eine schwache AOI-Technik zurückzuführen. Ein zu Beginn höherer Programmieraufwand, der echte Messungen ermöglicht, zahlt sich durch stabil niedrigere Falls-Call-Raten aus, sowie auch mit exakt reproduzierbaren Ergebnissen, besserer Prozesskontrolle und höherer Produktqualität. Beispielsweise zeichnen sich die AOI-Systeme der K-Serie von Vi Technology durch hohe Inspektionsgeschwindigkeiten, minimale Pseudofehlerraten und eine einfache Fehlerdetektion aus. Überdies ermöglicht das Breitband-Beleuchtungssystem noch bessere Bildaufnahmen und sorgt für höhere Detailerkennbarkeit.

SMT Hybrid Packaging 2014: Halle 7, Stand 423

Jean-Marc Peallat

ist President und CEO von Vi Technology

Russ Warncke

ist Applications und Support Manager Vi Technology

(mrc)

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