Tabelle 1: Resistives Schalten im Vergleich zu induktivem Schalten, um den dynamischen RDS(on) zu bewerten. Panasonic

Tabelle 1: Resistives Schalten im Vergleich zu induktivem Schalten, um den dynamischen RDS(on) zu bewerten. (Bild: Panasonic)

Sie sind längst dem Hype-Stadium entwachsen: GaN-Leistungshalbleiter zeigen ihre Leistungsfähigkeit in realen Anwendungen. Entwickler haben damit neue Stromversorgungslösungen entworfen, die effizienter, kompakter und in raueren Umgebungen einsetzbar sind. Angesichts eines geschätzten Marktvolumens von 600 Million US-Dollar im Jahr 2020 und einer durchschnittlichen jährlichen Wachstumsrate von 80 % bis 2020 haben sich viele neue Akteure in diesen Bereich begeben und in einem außergewöhnlichen Tempo neue Bauelemente eingeführt.

Eckdaten

GaN-Leistungshalbleiter haben in vielerlei Hinsicht sehr günstige Eigenschaften um effiziente Stromversorgungen zu entwickeln. Doch die junge Technologie muss ihre Zuverlässigkeit erst noch unter Beweis stellen. So kann zum Beispiel ein Current-Collapse auftreten, wenn eine hohe Drain-Spannung über einen längeren Zeitraum anliegt. Panasonic erklärt wie der Effekt entsteht, wie eine optimierte Chip-Struktur Current-Collapse unterbindet und wie man den Erfolg nachweist.

Dabei stellt sich die Frage, ob diese Bauelemente zuverlässig genug sind und ob das Wissen über ihr Ausfallverhalten ausreicht. Panasonic hat viel Zeit investiert, um seine X-GaN-Bauelemente insbesondere unter realen Einsatzbedingungen zu qualifizieren. Eine Störung, die nur bei GaN-Transistoren in Erscheinung tritt, ist das Current-Collapse-Phänomen. Dieses verursacht einen Anstieg des dynamischen Durchlasswiderstands RDS(on), der zu einem Totalausfall von GaN-Bauelementen führen kann.

Bild 1: Der dynamische RDS(on), normalisiert auf die Werte des DC-Betriebs (R/R0) in einem herkömmlichen GaN-FET. Elektronen, die zwischen Gate und Drain gefangen sind, können den Wert sprunghaft ansteigen lassen. Panasonic

Bild 1: Der dynamische RDS(on), normalisiert auf die Werte des DC-Betriebs (R/R0) in einem herkömmlichen GaN-FET. Elektronen, die zwischen Gate und Drain gefangen sind, können den Wert sprunghaft ansteigen lassen. Panasonic

Bisher ist Panasonic nach eigenen Angaben der einzige Anbieter von GaN-Bauelementen, dessen Produkte den Current-Collapse vollständig vermeiden. Das Unternehmen betont, dass die JEDEC- und AEC-Standardmethoden zur Qualifizierung nicht ausreichen, um Bausteine auf den Current-Collapse zu prüfen. Daher beschreibt dieser Artikel die Struktur eines neuartigen GIT (Gate-Injection-Transistor) mit Hybrid-Drain-Gate. Ferner stellt er ein dynamisches Prüfverfahren vor, das Panasonic zum Nachweis der hohen Zuverlässigkeit seiner X-GaN-Bauelemente entwickelt hat.

Current-Collapse und die Ursachen

Der Anstieg des dynamischen Durchlasswiderstands RDS(on) – der sogenannte Current-Collapse, der in Bild 1 dargestellt ist – wird von Elektronen verursacht, die zwischen dem Gate und dem Drain in einem GaN-FET gefangen sind. Liegt eine hohe Drain-Spannung an, kann der Halbleiter Elektronen einfangen (Bild 2), die nicht sofort rekombiniert werden, wenn man das Bauelement anschaltet.

Bild 2: Die zwischen Gate und Drain gefangenen Elektronen in einem GaN-FET (links) verursachen einen Current-Collapse. Panasonic verhindert den Effekt durch Löcher, die in eine zusätzliche p-dotierte GaN-Schicht injiziert werden (rechts). Panasonic

Bild 2: Die zwischen Gate und Drain gefangenen Elektronen in einem GaN-FET (links) verursachen einen Current-Collapse. Panasonic verhindert den Effekt durch Löcher, die in eine zusätzliche p-dotierte GaN-Schicht injiziert werden (rechts). Panasonic

Die gefangenen Elektronen drängen Ladungsträger im Transistorkanal zurück und der dynamische Durchlasswiderstand RDS(on) steigt, da die Anzahl der Ladungsträger im Kanal sinkt. Es ist offensichtlich, dass der Anstieg des Durchlasswiderstands RDS(on) von der Drain-Spannung und der Dauer abhängt, für die diese Spannung am GaN-FET anliegt.

Löcher für mehr Stabilität

Bild 2 zeigt den Ansatz, mit dem Panasonic das Problem des Current-Collapse löst. Der Hersteller injiziert Löcher in die GaN-Bauelemente, die die eingefangenen Elektronen sofort freisetzen. Um diese Löcher zu injizieren, ist eine zusätzliche p-dotierte Schicht nahe dem Drain nötig. Bild 3 zeigt einen schematischen Schnitt durch einen herkömmlichen GIT (Gate-Injection-Transistor) sowie den neuen HD-GIT(Hybrid-Drain-Embedded GIT). Panasonic hat den selbstsperrenden Betrieb mit einem p-dotierten Gate im herkömmlichen GIT nachgewiesen.

Bild 3: Schematischer Schnitt durch einen herkömmlichen GIT (Gate-Injection-Transistor) sowie einen neuen HD-GIT (Hybrid-Drain-Embedded GIT). Panasonic

Bild 3: Schematischer Schnitt durch einen herkömmlichen GIT (Gate-Injection-Transistor) sowie einen neuen HD-GIT (Hybrid-Drain-Embedded GIT). Panasonic

Die neue GIT-Struktur (Bild 3 rechts) verfügt über eine zusätzliche p-dotierte GaN-Schicht nahe dem Drain, die elektrisch leitend mit dem Drain verbunden ist. Die Aufbringung der zusätzlichen p-dotierten Schicht basiert auf der Theorie, dass die Injektion von Löchern in diese Schicht zur effektiven Freisetzung der gefangenen Elektronen beim Schalten des Leistungsbauelements führt. Der HD-GIT verwendet zudem ein vertieftes Gate, damit die AlGaN-Schicht dicker sein kann, und so eine Ladungsträgerverarmung unter dem p-dotierten Bereich nahe dem Drain zu vermeiden. Beim HD-GIT hat Panasonic dieselben Schalteigenschaften nachgewiesen, die herkömmliche GIT aufweisen.

Prüfung mit induktivem hartem Schalten

Um die hohe Zuverlässigkeit der X-GaN-Bauelemente sicherzustellen, ist ein spezielles dynamisches Prüfverfahren nötig. Zum Beurteilen des dynamischen Durchlasswiderstands RDS(on) sollte man die strengste Methode zur Schaltleistungsprüfung verwenden. Zur Wahl stehen zwei Verfahren: resistives Schalten oder induktives hartes Schalten.

Tabelle 1: Resistives Schalten im Vergleich zu induktivem Schalten, um den dynamischen RDS(on) zu bewerten. Panasonic

Tabelle 1: Resistives Schalten im Vergleich zu induktivem Schalten, um den dynamischen RDS(on) zu bewerten. Panasonic

Die Schaltkreise und die V-I-Ortskurve für diese Verfahren sind in Tabelle 1 zusammengefasst. Wie die V-I-Ortskurve zeigt, ist das induktive harte Schalten ein strengeres Verfahren als das resistive Schalten, da es das Bauelement gleichzeitig hohen Strömen und hohen Spannungen aussetzt, die zu mehr gefangenen Elektronen führen. Folglich empfiehlt sich das induktive harte Schalten als Verfahren, um einen stabilen Betrieb des Transistors in praktischen Schaltsystemen sicherzustellen.

Dynamische Eigenschaften

Bild 4: Der Prüfschaltkreis für die induktive Schaltleistungsprüfung (links) und Messungen des dynamischen Durchlasswiderstands eines herkömmlichen GIT und des neuen HD-GIT (rechts), normalisiert auf die Werte des DC-Betriebs (R/R0) bei einem herkömmlichen GaN-FET. Panasonic

Bild 4: Der Prüfschaltkreis für die induktive Schaltleistungsprüfung (links) und Messungen des dynamischen Durchlasswiderstands eines herkömmlichen GIT und des neuen HD-GIT (rechts), normalisiert auf die Werte des DC-Betriebs (R/R0) bei einem herkömmlichen GaN-FET. Panasonic

Bild 4 zeigt sowohl das Prüfungsschaltdiagramm als auch die Bewertungsergebnisse für den dynamischen RDS(on). Es werden Mehrfachimpulstests und induktive Lastprüfungen angewendet. Die Werte des dynamischen RDS(on), normalisiert auf den DC-Betrieb (R/R0), sind als Funktion der Drain-Spannungen rechts aufgezeichnet.

Wie der Graph illustriert, gibt es beim HD-GIT sogar bei 850 V noch keinen Current-Collapse. Beim herkömmlichen GIT zeigt sich schon bei 620 V ein starker Anstieg von R/R0, der bei GaN-Transistoren anderer Hersteller sogar bei noch niedrigerer Spannung auftreten kann. Der dynamische RDS(on) wird 4,5 μs nach dem Wechsel vom Sperrzustand zum Einschaltzustand gemessen. Der leichte Anstieg von R/R0 beim HD-GIT ist auf die Zunahme der Sperrschichttemperatur während der Messung zurückzuführen.

Sicherer Bereich

Bild 5: Der neue HD-GIT verfügt über einen größeren sicheren Schaltbereich (Safe Operating Area, SOA) bei einem einzelnen Impuls als ein vergleichbarer herkömmlicher GIT. Panasonic

Bild 5: Der neue HD-GIT verfügt über einen größeren sicheren Schaltbereich (Safe Operating Area, SOA) bei einem einzelnen Impuls als ein vergleichbarer herkömmlicher GIT. Panasonic

Die Autoren haben den sicheren Schaltbereich (Safe Operating Area, SOA) der GITs mit einem RON von 76 mΩ für einen Impuls untersucht, wobei sie ebenfalls das induktive harte Schalten eingesetzt haben. Die Ergebnisse der SOA-Prüfung mit einem Impuls beim herkömmlichen und beim neuen HD-GIT sind in Bild 5 dargestellt. Wie diese Messungen zeigen, verfügt der HD-GIT über einen sehr großen SOA, einschließlich 800 V und 50 A. Der herkömmliche GIT dagegen versagt sogar bei 800 V und 5 A. In beiden Fällen ließ sich eine Grenze von 50 A beim Drainsättigungsstrom der GITs feststellen.

Auch wenn es vielleicht Bedenken wegen möglicher Nebeneffekte durch die Injektion von Löchern gibt, wie einen Tail-Strom beim Ausschalten, so sind diese nicht begründet. Es ist vielmehr so, dass der HD-GIT mit einem dv/dt von bis zu 200 V/ns die schnellsten Schalteigenschaften gezeigt hat, die bisher von vergleichbaren Transistoren auf dem Markt zu sehen waren. Die Autoren sind davon überzeugt, dass sich die in die p-dotierte GaN-Schicht injizierten Löcher am Drain sofort auflösen und eine Neuanordnung der gefangenen Elektronen ohne Nebeneffekte bewirken.

Alternativlos

Die Forschung hat zwar schon andere realisierbare Lösungen nachgewiesen, wie eine Verbesserung der Oberflächeneigenschaften und eine Reduzierung des elektrischen Feldes durch Feldplattenelektroden, allerdings konnte noch kein anderer Hersteller von GaN-Bauelementen die vollständige Eliminierung des Current-Collapse bei selbstsperrenden GaN-Leistungskaskoden mit Betriebsspannungen von 600 V und mehr beschreiben.

Anwendungen in Schaltnetzteilen, wie bei der Blindleistungskompensation (Power Factor Correction, PFC), müssen den Leistungshalbleiter bei mindestens 400 V ohne die Gefahr eines Current-Collapse einsetzen können. Sollten Entwickler jedoch GaN-Halbleiter verwenden, die Probleme mit dem dynamischen RDS(on) haben, riskieren sie dass sich das Bauelement in der Anwendung überhitzt und zu einem Totalausfall führt. Oder anders gesagt: Die Nachteile durch die Unzuverlässigkeit der GaN-Leistungshalbleiter, bei denen es zum Current-Collapse kommt, überwiegen deren intrinsische Vorteile wie den Betrieb bei hoher Schaltfrequenz und die mögliche hohe Sperrschichttemperatur.

Sicher und robust

Nachdem Panasonic die HD-GIT-Struktur bei allen X-GaN-Halbleitern einsetzt, stellen diese Ergebnisse sicher, dass die vorgestellten HD-GIT robust sind und dauerhaft gute Leistungseigenschaften zeigen, auch bei Anwendungen mit hartem Schalten, wenn hohe Vorspannungen und hohe Ströme gleichzeitig anliegen. Wie erwähnt, hat der HD-GIT auch die Standardmethoden für die Qualifizierung (JEDEC-Verfahren) erfolgreich bestanden. Dies lässt darauf schließen, dass diese Bauelemente ein vielversprechendes Potenzial für praktische Schaltanwendungen besitzen und Kunden sehr sichere und störungsfreie Bauelemente für neue Anwendungen bieten.

Howard Sin

Howard Sin
arbeitet bei Panasonic Semiconductor Solutions in Singapur und hat den Beitrag ursprünglich für how2power.com verfasst.

Saichiro Kaneko

Saichiro Kaneko
arbeitet bei Panasonic Semiconductor Solutions in Kyoto, Japan.

(lei)

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