EMV-optimierte Bauteil-Positionierung für Powermodule

EMV-optimierte Bauteil-Positionierung für Powermodule (Bild: Fraunhofer IZM, Berlin)

Mehr noch: Die Kombination von Steuer- und Leistungselektronik auf einem Bord stellt hohe Anforderungen an das Design sowie die Materialien und Prozesse in der Aufbau- und Verbindungstechnik (AVT).

Mit immer komplexeren und anspruchsvolleren Anwendungen vergrößert sich das Einsatzgebiet der Leistungselektronik stetig. In nahezu allen Leistungsdaten haben sich die Leistungshalbleiter in den vergangenen Jahrzehnten verbessert: den Schaltgeschwindigkeiten, den Leit- und Schaltverlusten und in der Temperaturbeständigkeit. Mit den aufkommenden Halbleitermaterialien Siliziumkarbid (SiC) und Galliumnitrid (GaN) und dem weiter vorhandenen Potenzial mit Silizium scheint dieser Trend auch noch einige Zeit fortsetzbar. So sind Chiptemperaturen bis 250 °C und mehr mit diesen Halbleitern möglich. Ein Flaschenhals wird dabei die Aufbautechnik der Halbleiter, da diese den Temperaturen stand hält und vor allem die Wechsellastfähigkeit nicht erreicht. Die AVT steht demnach vor großen Herausforderungen, um diese Möglichkeiten nutzen zu können.

Außerdem müssen Lösungen für die Entstehung von elektromagnetischen Störungen durch das schnellere Schalten gefunden werden. Hier können neuartige Package-Designs helfen, Störungen an der Quelle einzufangen und eine Ausbreitung zu verhindern. Vor allem hart schaltende Leistungsendstufen erzeugen ein hohes Maß elektromagnetischer Störungen. Die daraus resultierenden Probleme beim Einsatz leistungselektronischer Geräte in Elektro- oder Hybridfahrzeugen, bei Solarwechselrichtern und beim Einsatz in der industriellen Antriebstechnik zeigen sich in Form von Fehlfunktionen und gestörtem Radioempfang. Das Fraunhofer IZM erforscht das Störemissionsverhalten von Leistungsmodulen, wie sie typischerweise in Leistungsbereichen von 1 bis einige 100 kW zum Einsatz kommen. Weil Leistungshalbleiter auf immer schnelleren Schaltzeiten zu optimieren sind, entstehen in zunehmendem Maße Grenzwertüberschreitungen auch im UKW-Bereich. Die Einhaltung der Störpegelgrenzwerte zu 30 bis 200 MHz stellt hierbei eine besondere Herausforderung für die Entwickler dar.

Der Trend zur Miniaturisierung macht indes auch vor der Leistungselektronik nicht halt, weshalb Prof. Dr. Klaus-Dieter Lang vom Fraunhofer IZM Berlin betont: „Der Schlüssel zu kleinen, leistungsstarken Modulen ist ein sehr gutes thermisches Management.“ Künftige Leistungselektronik muss nicht nur effizient, sondern auch kompakt und intelligent sein, führt er weiter aus und verweist auf die damit einhergehende Herausforderung: „Die Kombination von Steuer- und Leistungselektronik auf einem Bord stellt hohe Anforderungen an Design, Materialien und Prozesse in der Aufbau- und Verbindungstechnik. Zum einen treten große Stromflüsse mit entsprechend großen Bauelementen auf, zum anderen sind hohe Integrationsdichten mit miniaturisierten Komponenten zu realisieren.“

Die Herausforderungen, denen sich die Branche hinsichtlich des Packagings von Leistungselektronik gegenüber sieht, umschreibt er damit, dass Leistungshalbleiter Bauelemente mit vertikalem Stromfluss seien, deren hohe Verlustleistung über einen Isolator abgeführt werden müsse. Je höher der thermische Widerstand, desto größer die thermomechanische Wechsellast und damit die Belastung der Baugruppe im Betrieb, resümiert er. Auf einer Leiterplatte mit Dickkupfereinlagen kommen neben MOSFETs hoch miniaturisierende Technologien wie etwa 01/005-Widerstände, Flip-Chips als ungehäuste Halbleiterbauelemente und Multichipmodule zum Einsatz.

AVT auf dem Prüfstand

Der Aufbau von Leistungsmodulen umfasst heute standardmäßig das flächige Löten und Aluminium-Dickdrahtbonden bei der Chip- und Substratmontage. Neuartige Aufbaukonzepte mit optimiertem thermischen Design wie beispielsweise die doppelseitige Kühlung sind genauso in der Entwicklung wie alternative Materialien und Verbindungstechnologien, die eine höhere Lebensdauer versprechen.

Indem zum Beispiel durch Silbersintern anstelle von Lot die Verbindungen hergestellt werden (Ag hat einen hohen Schmelzpunkt, ist duktil und hat eine sehr hohe thermische Leitfähigkeit), ist es möglich, die Lebensdauer der Verbindung und damit des Leistungsmoduls deutlich zu erhöhen. Gerade für hohe Betriebstemperaturen sind reine Silberverbindungen daher von großem Interesse. Es gibt aber auch noch andere Technologien, wie das „Transient Liquid Phase Soldering/Bonding“. Hierbei wird zumeist ein Metallgemisch mit Zinn als einer Komponente verwendet, das während des Lötens bzw. bei der Erstarrung oder während nachgeschalteter Tempervorgänge sich mit einem anderen Metall wie beispielsweise Kupfer vollständig in höher schmelzende intermetallische Phasen umwandelt. Dieses Prinzip lässt sich sowohl mit Pasten als auch bei Anwendung sehr dünner Schichten anwenden.

Für Prof. Lang besteht zudem kein Zweifel, Draht- oder Bändchenbondkontakte in ihrer Lebensdauer noch weiter zu steigern: „Hier ist vor allem das Dickdrahtbonden mit Kupfer von Interesse, wofür auf der Chipoberseite allerdings eine Kupferschicht nötig ist.“ Am Fraunhofer IZM sind die Forscher in der Lage, galvanische Kupferschichten auf Leistungshalbleitern abzuscheiden.

Herausforderung Packaging von Leistungselektronik

Es gilt, die in leistungselektronischen Bauelementen entstehende Wärme rasch und zuverlässig abzuführen. Hierzu ist es nötig, den gesamten Wärmepfad in einem Systemansatz zu betrachten: Vom Chip wird die Wärme durch verschiedene Grenzschichten, thermische Interface-Materialien, Spreizer und Substrate abgeleitet, bevor sie durch einen Wärmetauscher (Kühler) an die Umgebung abgegeben wird. „Alle diese Stationen beeinflussen den thermischen Widerstand und sind daher bedarfsgerecht zu optimieren“, erklärt der Experte. Neben einem bestmöglichen thermischen Design ist die thermomechanische Zuverlässigkeit wichtig: Thermisch induzierte mechanische Spannungen und Dehnungen führen zum Versagen von leistungselektronischen Systemen und reduzieren deren Lebensdauer.

Bereits in der Designphase ist es möglich, entscheidende Parameter so zu optimieren, dass eine möglichst hohe Zuverlässigkeit gewährleistet werden kann. Wesentliche Aspekte sind dabei, Gewicht und Größe des Moduls zu minimieren, die eingesetzten Technologien zu vereinfachen und die Kosten zu senken, ohne dabei Einbußen im Wärmemanagement hinnehmen zu müssen. Daher erläutert Prof. Lang: „Heute steht man vor dem Problem, dass eine thermomechanisch induzierte Risse in Drahtbonds und Lötungen bei thermischer Wechsellast nicht ausbleiben.“ Ein Weg den thermischen Widerstand zu reduzieren ist, mehr Halbleiter als nötig einzusetzen, was die Kosten des Leistungsmoduls deutlich in die Höhe treibt. Der intelligentere Ansatz ist freilich, Packages zu entwickeln, mit denen mehr Strom durch die Halbleiter fließen kann, ohne dass es zu thermomechanischer Ermüdung kommt.

Als Beispiel führt Prof. Lang ein symmetriertes Leistungsmodul an, das EMV-Störungen im Package ableitet und damit die Abstrahlung verhindert. Durch Änderung des Layouts und des Aufbaus wird erreicht, dass an den drei Phasenausgängen des Moduls keine Kapazitäten gegen die Masse entstehen. Diese Kapazitäten werden bei einem konventionellen Modul durch das harte Schalten entsprechend der Pulsfrequenz umgeladen und erzeugen Verschiebeströme gegen Erde. Bei dem „symmetrischen Modul“ werden die Chips nur auf die Verschienungen DC± gelötet und die Ausgänge nur aus Bonddrähten realisiert. Das minimiert deren Kapazitäten. Hierzu ist es nötig, die Low-Side-Halbleiter kopfüber aufzulöten – es kommt die Flip-Chip-Technik zum Einsatz.

Neue Kontaktiertechniken für die Leistungselektronik

Heute übliche Kontaktiertechniken erlauben das Chip-Drahtbonden auf Keramiken mit beidseitig aufgebrachtem Kupfer (DCB, Direct Copper Bonding) und direkt auf Leiterplatten. Relativ neu ist hingegen, Leistungshalbleiter durch Kavitäten in die Leiterplatten einzubetten. Dass dies geht, beweist der Leiterplattenhersteller AT&S: Durch das „tiefer legen“ lässt sich die bestückte Leiterplatte insgesamt dünner gestalten. Dabei ist auch die elektrische Ankontaktierung in der Kavität möglich. Diese Technik lässt sich in Multilayer-Leiterplatten einsetzen und erlaubt die Realisierung verschiedener geometrischer Ausführungsformen der Vertiefungen sowie die Ausführung mehrerer – auch unterschiedlich tiefer – Kavitäten auf ein- und demselben Schaltungsträger.

Dennoch bergen die Chipverbindungen ihre Tücken, wie etwa die hohen Beanspruchungstemperaturen, die für Lote dicht am Schmelzpunkt liegen, wodurch durch  hohe Spannungen Risse entstehen, die zum Bruch der Lötverbindung führen können. Strategien zur Verbesserung finden sich in dem Verfahren „Transient Liquid Phase Soldering“ (TLPS). In einer Versuchsreihe wurde ein Si-Chip mit der neuartigen Verbindungstechnologie TLPS unter Verwendung einer Lotpaste auf Sn-Basis plus Kupferpulver auf ein Metallkern-Leiterplatte mit Kupferkern gefügt. Während des Verbindungsprozesses reagiert das Kupferpulver mit dem flüssigen Zinn-Lot und bildet intermetallische Phasen aus, wodurch sich der Wideraufschmelzpunkt der Verbindung auf über 400°C erhöht.

Eine weitere Strategie ist das Niedertemperatur-Sintern: Silberpulver wird unter Druck und Temperatur gesintert (~35 MPa, ~250 °C), woraus eine homogene Fläche mit geringer Dicke aber hoher Festigkeit resultiert, die eine Schmelztemperatur von 962°C aufweist. Die Vorteile liegen auf der Hand: Silber hat eine hohe thermische Leitfähigkeit und einen hohen Schmelzpunkt. Diese Technik stellt somit eine hohe Festigkeit bei Betriebstemperatur sicher.

Schließlich erforschte das von der Europäischen Kommission in Brüssel im Rahmen des 7. EU-Forschungsrahmenprogramms FP7 geförderte Projekt „Nanopack“ (Nano packaging technology for interconnect and heat dissipation, www.Nanopack.org) neuartige TIMs-Materialien („Thermal interface materials“), die mit Hilfe der Mikro- und Nanotechnologie entwickelt wurden. Diese verbessern in hohem Maße den Wärmetransport weg von den Chips und anderen elektronischen Komponenten und reduzieren wiederum die an Kühlsysteme gestellten Anforderungen. Als künftige Kontaktier-Alternativen zum Bonding-Verfahren erweisen sich das Silber-Nanosintern und das relativ elastische Nano-Sponge. Das Fraunhofer IZM war einer der Projektpartner, des im Jahr 2011 beendeten EU-Forschungsprojekts.

Anwendungsbeispiel: Leistungselektronik geht in die Luft

Das Fraunhofer IZM hat für die ZF Luftfahrttechnik GmbH die Leistungselektronik für die elektrische Blattwurzelverstellung in Hubschraubern als Technologie-Demonstrator im Luftfahrtforschungsprogramm IV entwickelt. Da das System höchsten Sicherheitsanforderungen unterliegt, ist der Motor redundant ausgelegt. Diese Redundanz findet sich auch in der Leistungselektronik wieder: der Motor wird von drei dreiphasigen Power Control Units (PCU) gespeist. Die Schaltungstopologie einer Unit mit drei Vollbrücken erlaubt den unabhängigen Betrieb aller Motorphasen voneinander, sodass im Falle einer fehlerhaften Phase nur die fehlerhafte Phase getrennt wird.

Am Fraunhofer IZM wurde das komplette Systemdesign durchgeführt, beginnend bei der Auswahl der Leistungshalbleiter und der Berechnung der zu erwartenden Verlustleistung. Es schließt sich der Entwurf des thermischen Pfades an, in dem auch die Auswahl der zu verwendenden Materialien getroffen wird. Sie bestimmt die erzielbare Lebensdauer der AVT. Da der zur Verfügung stehende Bauraum stark beschränkt ist, wurde eine kompakte Konstruktion entwickelt: Ansteuerung, Lastausgänge und Zwischenkreis werden auf mehrere Platinen verteilt und in Ebenen gestapelt. Die DCB wird in die Leiterplatte eingelassen und die Bonddrähte werden direkt von der DCB auf die Leiterplatte geführt. Für die Verkapselung wurde ein Gehäuse mit einer speziellen Gitterstruktur als Deckel entwickelt, damit sich das Silikongel zwar ausdehnen kann, sich unter Fliehkrafteinwirkung jedoch nicht ablöst. Mit der Inbetriebnahme und Qualifizierung wurde das Projekt erfolgreich abgeschlossen.

Ja nicht heißlaufen!

Es gilt, die in leistungselektronischen Bauelementen entstehende Wärme rasch und zuverlässig abzuführen. Hierzu ist es nötig, den gesamten Wärmepfad in einem Systemansatz zu betrachten. Doch die Kombination von Steuer- und Leistungselektronik auf einem Bord stellt hohe Anforderungen an das Design sowie die Materialien und Prozesse in der Aufbau- und Verbindungstechnik (AVT). Ein Knackpunkt der Zuverlässigkeit sind die Verbindungen der unterschiedlichen Bauteilwerkstoffe, denen man mit neuartigen Verbindungsmaterialien begegnen will.

Marisa Robles Consée

Marisa Robles Consée ist freie Redakteurin Productronic

(mrc)

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