Im Rahmen der PI Conference in Karlsruhe diskutierten Hersteller und Anwender das Thema 'Ethernet in der Prozessautomatisierung'.

Im Rahmen der PI Conference in Karlsruhe diskutierten Hersteller und Anwender das Thema 'Ethernet in der Prozessautomatisierung'.CHEMIE TECHNIK

Es klingt, wie das Pfeifen im Wald: „Der Feldbus ist in der Chemie angekommen.“ Irgendwo schon, aber noch längst nicht in der Breite der deutschen Chemie. Das wurde auf den jüngsten Anwenderkonferenzen der für die Prozessindustrie relevanten Feldbusorganisationen erneut deutlich: Ende Januar bei der Foundation-Fieldbus-Anwenderkonferenz in Leverkusen und Mitte Februar bei der PI-Conference der Profibus-Nutzerorganisation in Karlsruhe. Während in Leverkusen über ein erstes FF-Großprojekt bei Bayer Materialscience in China berichtet wurde, stellte in Karlsruhe Gerd Niedermeyer, BASF, die zweite Profibus-PA-Großinstallation des Chemiekonzerns vor. Wir erinnern uns: Die Fieldbus Foundation wurde 1994 gegründet, den Profibus gibt es seit 1989, und an dessen eigensicheren Ausprägung für die Prozessautomatisierung (Profibus PA) wird ebenfalls seit 1994 gearbeitet.

Doch vor allem aus Sicht der Hersteller von Automatisierungstechnik spricht einiges dafür, dass der nächste Schritt zur Kommunikation im Physical Layer – das ist die Verbindung zwischen Prozessleitsystem und Feldgeräten in der Anlage – Ethernet heißen könnte. „Wahrscheinlich führt an Ethernet kein Weg vorbei, weil das die Technologie ist, an der die ganze Welt arbeitet“, nennt Hans-Georg Kumpfmüller, Siemens, im Rahmen einer von Dr. Reinhard Hüppe, ZVEI, geleiteten Podiumsdiskussion, einen Grund. Mit Profinet setzt die Profibus Nutzerorganisation bereits seit einigen Jahren auf die aus der Bürokommunikation stammende Busvariante. Bislang vor allem in den diskreten Prozessen der Fertigungsindustrie, künftig – so der Wunsch der Protagonisten – soll diese Technik auch in Feldanwendungen der Prozessindustrie hineinwachsen.

Doch wer hat welchen Nutzen davon?

Und macht der Einsatz der Ethernet-Technik in Feldgeräten – das Spektrum reicht vom Temperaturmessumformer bis zur komplexen Antriebssteuerung – überhaupt Sinn? Die erste Frage warf Michael Pelz in der Diskussion als Vertreter der Namur gleich in aller Deutlichkeit auf: „Selbst der Ersatz von Profibus DP als Backbone für Remote-IOs durch Ethernet hat in der praktischen Umsetzung noch seine Tücken. Deshalb fragen wir Anwender uns schon, wodurch für uns eigentlich der Mehrwert durch den Einsatz von Ethernet im Feld entstehen soll.“ Aus Herstellersicht lässt sich die Frage einfacher beantworten: Niedrigere Entwicklungskosten, größere Mengeneffekte, einheitliche Strukturen und einfachere Know-how-Pflege zählen zu den Pluspunkten auf der Anbieterseite.

Wem nutzt Ethernet in the Field?

Dass jedoch auch auf der Anwenderseite Mehrwert entsteht, ist aus Sicht von Dr. Raimund Sommer, Endress+Hauser, bereits klar zu erkennen: „Maschinenbauer und OEM-Kunden fragen nach Geräten mit Ethernet-Anschluss. Sie wollen die in ihren Anlagen vorhandene Ethernet-Struktur nutzen.“ Vor allem für Vier-Leiter-Geräte wie Durchflussmesser sieht Sommer den Bedarf: „Ethernet ist längst im Feld angekommen, wir machen bereits erste Gehversuche mit solchen Geräten und lassen uns vom Bedarf der Kunden ziehen.“ Achim Laubenstein, ABB, sieht den Nutzen vor allem in der Einsparung von Kabeln, Schaltschränken und zur Kommunikation mit komplexen Feldgeräten: „Ethernet hat sich als Backbone für die Systeme bewährt und wird auch in die Prozessautomatisierung Einzug halten.“ Er sieht den Nutzen allerdings eher für die Kommunikation mit Motorsteuerungen und zu Regelungszwecken. „Wo liegt der Vorteil, einen Temperaturmessumformer an eine 10-Megabit-Ethernetleitung anzuschließen?“, zweifelt Laubenstein. Eine Sichtweise, die Michael Pelz teilt: „Wir führen jetzt Feldbustechnik ein und nutzen die inzwischen akzeptierten Vorteile. Doch das ist noch längst nicht flächendeckend im Einsatz. Was wir uns im Moment nicht vorstellen können, ist unsere einfachen Feldgeräte über Ethernet anzubinden. Wir sind froh, wenn uns das irgendwann problemlos für Umrichter und Motorcontroller gelingt. Trotzdem stellt sich die Frage, wird es durch Ethernet wirklich einfacher oder statt dessen nur noch komplexer?“
Insbesondere für die sicherheitskritischen Anwendungen in den Ex-Zonen der Chemie sowie der Öl- und Gasindustrie kommt dazu, dass die bisherige Ethernet-Technik noch nicht reif für den Einsatz im Ex-Bereich ist.

Doch Ethernet ist nicht gleich Ethernet. Von mindestens 27 Protokollvarianten berichtete Raimund Sommer, und Hans-Georg Kumpfmüller plädierte dafür, zunächst in einer ‚Ethernet-Initiative‘ einen Standard festzulegen. „Wir laufen sonst Gefahr, dass ein Hersteller mit einem System vorprescht und ein ähnliches Chaos entsteht, wie derzeit bei Wireless. Einen Ethernet-Krieg sollten wir unbedingt vermeiden.“ „Den Ethernet-Krieg haben wir schon“, meint dagegen Raimund Sommer: „Aber wir sind bereits in einer Phase der Bereinigung: Für die PNO ist Profinet auch eine Integrationsschiene, über die unterschiedlichste Feldbusse – ob drahtgebunden oder nicht drahtgebunden – integriert werden.“ Zudem, so Laubenstein, biete Ethernet Möglichkeiten, verschiedene Protokolle auf einem Kabel zu nutzen.

Doch wie ist es um das Thema Sicherheit und vor allem Security bei zunehmend integrierten und vom Feld bis zur Unternehmensleitebene vernetzten Systemen bestellt? Wandern via Ethernet die Viren aus der Bürowelt bis in die Feldgeräte? Hier kommt eine große Herausforderung auf die IT-Security zu. „Gewisse Vorteile müssen oft mit einem Preis bezahlt werden“, verdeutlicht Sommer. „Es gibt Techniken wie VPN mit denen wir heute bereits einzelne Fertigungszellen vor Viren schützen. Solche Verfahren muss man auch für Prozessanwendungen nutzen“, erklärte Kumpfmüller. „Die IT-Security muss in die Produkte hineinkonstruiert werden“, erklärte Laubenstein. Doch Michael Pelz sieht ein noch viel weiteres Feld: „Im Moment gibt es meist noch eine harte Trennung zwischen IT-Abteilung und Automatisierung. Wenn Ethernet immer tiefer in den Prozess wandert, dann muss die IT mit der Automatisierung zusammenwachsen. Aber das bedeutet für den Anwender eine zukünftige Baustelle, um die er sich an dieser Stelle heute nicht kümmern muss. Auch das ist ein Punkt, den man dem Anwender schmackhaft machen muss, um eine neue Ethernet-Technologie einzusetzen.“

Armin Scheuermann

: Chefredaktur CHEMIE TECHNIK

(as)

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