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Präzise Stromerfassung für viele Applikationen, etwa Photovoltaik.

Präzise Stromerfassung für viele Applikationen, etwa Photovoltaik.Infineon

Detaillierte Informationen über die aktuell fließenden Ströme brauchen viele Applikationen, wobei sich die Kriterien jeder Anwendung sehr wohl unterscheiden: Das gilt besonders für die Genauigkeit (absolut und über die Produktlebenszeit), die Unterdrückung von Störfeldern, Schutz gegenüber Manipulation, Messbereich, Verlustleistung, Bandbreite, Abmessungen und vertretbare Kosten. Vor diesem Hintergrund wurden verschiedene Methoden zur Strommessung entwickelt.

Die typischen Messmethoden

Üblicherweise wird der Strom mit Hilfe von Präzisionswiderständen (Shunts), Induktivitäten (Rogowski-Spulen) oder Hall-Elementen gemessen. Die beiden erstgenannten Verfahren bringen verschiedene Nachteile mit sich, zum Beispiel beeinflussen Shunts den zu messenden Strom direkt. Bei Rogowski-Spulen hängt die Messgenauigkeit von der Lage des Leiters ab und es ist zusätzliche Elektronik (etwa Verstärker) nötig. Die unterbrochene Spulenstruktur aller herkömmlichen Rogowski-Spulen verursacht nämlich eine unsymmetrische Geometrie und erhöht die Empfindlichkeit hinsichtlich der Position des zu messenden Stromleiters innerhalb des Sensors. Außerdem können externe elektrische Leitungen die Messung stören.

Auf einen Blick

Stromsensoren in der Praxis: Viele Anwendungen, angefangen von Solarumrichtern und elektrischen Antrieben über Stromversorgungen und Haushaltsgeräte bis hin zu Elektro- und Hybridfahrzeugen nutzen Stromsensoren. Weil die Anforderungen bezüglich Energieeffizienz, effizienterer Energieumwandlung, Elektromobilität und Smart-Grids steigen, wird auch der Bedarf an Stromsensoren zunehmen. Die Applikationen brauchen typischerweise möglichst kleine Sensoren mit geringen Verlusten, die flexibel und kosteneffektiv sowie über die gesamte Lebenszeit hoch präzise und sicher im Betrieb sind. Infineon hat den neuen, Hall-basierten Stromsensor TLI4970 mit seinen innovativen Features genau auf diese Anforderungen abgestimmt.

Magnetfeld-basierte Sensoren gibt es in zwei Konfigurationen: Open-Loop (direktabbildender Stromwandler) und Closed-Loop (Kompensationsstromwandler). Bei direktabbildenden Sensoren erzeugt der Primärstrom in einem Ringkern ein magnetisches Feld, das ein Hallsensor in eine Messspannung umsetzt. Dabei wird der durch den Primärstrom erzeugte Magnetfluss im Magnetkreis konzentriert. Bei Kompensationssensoren wird der durch den Primärstrom erzeugte Magnetfluss mit Hilfe einer Sekundärwicklung kompensiert, wobei ein Hallsensor mit entsprechender Elektronik zum Einsatz kommt.

Beide Verfahren stoßen bei den Verlusten im Kern, den Sättigungs- und Hystereseeffekten sowie der Langzeitdrift an ihre Grenzen. Angesichts der geforderten Miniaturisierung, verbesserter Energieeffizienz und reduzierten Kosten sind daher alternative, innovative Sensorkonzepte gefragt.

Bild 1: Der TLI4970 im industrieweit kleinsten Gehäuse spart Platz auf der Leiterplatte.

Bild 1: Der TLI4970 im industrieweit kleinsten Gehäuse spart Platz auf der Leiterplatte.Infineon

Hochpräziser Miniaturstromsensor

Der TLI4970 ist ein hochpräziser Stromsensor auf Basis der bewährten Halleffekttechnologie von Infineon, mit galvanischer Trennung zwischen Primärseite (Stromschiene) und Sekundärseite (Interface zum Mikrocontroller). Das kernlose Konzept ohne Magnetflusskonzentrator, wie bei Open-Loop-Konfigurationen, erlaubt eine signifikante Miniaturisierung und vermeidet Hystereseeffekte. Der Sensor ist in einem extrem kompakten SMD-Gehäuse untergebracht und benötigt nur ein Viertel der Fläche vergleichbarer Chips (Bild 1). Außerdem erlaubt das differenzielle Messverfahren eine ausgezeichnete Unterdrückung von Streufeldern.

Bild 2: Messungen der Genauigkeit bei drei verschiedenen Temperaturen.

Bild 2: Messungen der Genauigkeit bei drei verschiedenen Temperaturen.Infineon

Die vollständig digitale Sensorlösung vereinfacht den Einsatz, denn es sind keine externe Kalibrierung oder zusätzliche Komponenten (wie AD-Wandler, Operationsverstärker oder Spannungsreferenzen) erforderlich, mit entsprechender Vereinfachung des Systemdesigns, bei weniger Leiterplattenfläche und geringeren Kosten. Der TLI4970 bietet im Vergleich zu herkömmlichen Open- oder Closed-Loop-Systemen mit Magnetkernen eine deutlich bessere Genauigkeit. Messungen bei verschiedenen Temperaturen (-40, +30 und +115 °C) haben typische Fehlerquoten von deutlich weniger als 1 % ergeben (Bild 2).

Bild 3: Schematischer Aufbau des TLI4970: Der Stromfluss durch die Stromschiene auf der Primärseite induziert ein magnetisches Feld, das von den zwei differenziellen Hallelementen gemessen wird.

Bild 3: Schematischer Aufbau des TLI4970: Der Stromfluss durch die Stromschiene auf der Primärseite induziert ein magnetisches Feld, das von den zwei differenziellen Hallelementen gemessen wird.Infineon

Der TLI4970 misst Wechsel- und Gleichströme bis zu ±50 A in Solarumrichtern, Stromversorgungen mit Leistungsfaktorkorrektur (PFC), Ladegeräten oder elektrischen Antrieben. Das kontaktfreie Messprinzip verursacht keine zusätzlichen Verluste und ist damit prädestiniert für stromsparende Designs (Rp < 0,6 mΩ). Dank integrierter Streufeldunterdrückung ist der Sensor robust gegenüber externen magnetischen Feldern. Eine schnelle Überstromerfassung mit konfigurierbarem Schwellwert ermöglicht eine sofortige Abschaltung und damit Schutz des entsprechenden Systems. Der TLI4970 bietet eine Update-Rate von 80 kSample/s und eine interne Auflösung von 16 Bit.

Aufbau und Funktionsprinzip

Bild 4: Blockschaltbild des TLI4970: Der FOC-Signalpfad ist unabhängig vom Stromsignal-Pfad und verfügt über einen programmierbaren Glitch-Filter.

Bild 4: Blockschaltbild des TLI4970: Der FOC-Signalpfad ist unabhängig vom Stromsignal-Pfad und verfügt über einen programmierbaren Glitch-Filter.Infineon

Bild 3 zeigt den schematischen Aufbau des TLI4970 und Bild 4 das entsprechende Blockschaltbild. Der Stromfluss durch die Stromschiene auf der Primärseite induziert ein magnetisches Feld, das von den zwei differenziellen Hallelementen gemessen wird. Die Hallelemente sind gegenüber der Stromschiene galvanisch isoliert. Das Signal von den Hallelementen wird von einem Delta-Sigma-AD-Wandler direkt digitalisiert. Nach dem programmierbaren 0…10-kHz-Tiefpassfilter verarbeitet ein DSP das Signal. Das differenzielle Messprinzip des Magnetfeldes ermöglicht eine sehr gute Unterdrückung gegenüber magnetischen Streufeldern in der Umgebung.

Die Temperatur (T) und der mechanische Stress (S) am Chip werden gemessen und unabhängig vom Primärstrom durch einen zweiten AD-Wandler digitalisiert. Der DSP nutzt dann die Temperatur- und Stressinformationen um das gemessene Stromsignal zu kompensieren. Letztendlich wird das so kompensierte Signal über die IF-Einheit und die SPI-Schnittstelle ausgegeben.

Schneller Überstromschutz

Über den FOC-Pin ist eine schnelle Erfassung eines Überstromes im Messpfad möglich. Dafür ist der FOC-Signalpfad unabhängig vom Stromsignalpfad und verfügt über einen programmierbaren Glitch-Filter. Der symmetrische Schwellwert für den FOC-Ausgang ist vom Anwender einstellbar, und zwar von 0 bis ±60 A, in Schritten von 3 A. Damit können negative und positive Überströme erfasst werden. Die Glitch-Filterzeit lässt sich von 150 ns bis 1550 ns in Schritten von 100 ns programmieren.

Der FOC-Pin besteht aus einem Open-Drain-Ausgang mit integriertem Pullup-Widerstand. Verbunden mit dem Logik-Eingang eines Mikrocontrollers kann dieser Pin zum Beispiel einen Interrupt triggern und das System im Bedarfsfall abschalten und vor Beschädigung schützen. Bei Überströmen ist eine Abschaltung innerhalb von weniger als 3 µs gegeben. Durch den Open-Drain-Ausgang des FOC-Pin kann ein Mikrocontroller die Überstromsignale mehrerer TLI4970-Sensoren auslesen.

Robust gegen Störungen

Bei Stromsensoren auf Basis von Hall-Elementen ist es entscheidend, die Einflüsse von externen magnetischen Streufeldern zu minimieren. Der TLI4970 ist extrem robust gegenüber externen magnetischen Feldern. Dabei spielt die Lage der externen Magnetfelder in Bezug auf die Stromschiene eine wichtige Rolle. Ist der entsprechende Störleiter vertikal zur Stromschiene, gibt es grundsätzlich keine negativen Einflüsse durch Nebensprechen, da hier das Magnetfeld parallel zu den Hallelementen verläuft. Steht der Störleiter senkrecht zur Stromschiene, dann besteht eine hohe Immunität dank der differenziellen Messungen. Nur wenn der Störleiter parallel zur integrierten Stromschiene ist, kann es zu Nebensprechen kommen. Aber auch in diesem Fall bietet der TLI4970 eine effiziente Unterdrückung des Nebensprechens. So konnten bei Strömen von 50 A Crosstalk-Effekte von nur 1 mA im Abstand von 3 mm gemessen werden.

Neben der Robustheit gegenüber Fremdfeldern ist auch die Festigkeit gegenüber elektrostatischen Entladungen wichtig. Hier bietet der TLI4970 eine galvanische Isolation von bis zu 4 kV (Impulse) und 950 VRMS (aktiver Betrieb).

Platz und Kosten sparen

Der TLI4970 steht in einem 7 x 7 x 1 mm3 kleinen SMD-Gehäuse (PG-TISON-8) für die automatische Bestückung zur Verfügung. Das Miniaturgehäuse wiegt nur 0,2 g. Gehäuse von vergleichbaren Wettbewerbsprodukten messen etwa 20 x 10 x 24 mm3. Zusammen mit der integrierten Funktionalität in Form von Level-Shiftern, Filter, galvanischer Isolation sowie sicherer Kommunikation inklusive Parity-Check sinken nicht nur der Platzbedarf, sondern auch die Materialkosten (BOM).

Für Entwickler bietet Infineon ein Evaluation-Kit sowie das TLI4970-Analog-Board, das den Wechsel von bisherigen Designs mit analogen Stromwandlern unterstützt. Das Evaluation-Kit stellt eine Stand-alone-Umgebung für den Test des neuen Stromsensors dar. Über eine grafische Benutzerschnittstelle (GUI) kann der Baustein einfach programmiert werden. Darüber hinaus stehen optionale Testsockel für die schnelle Programmierung der Bausteine zur Verfügung. Mit dem Evaluierungskit lässt sich auch das TLI4970-Analog-Board programmieren.

Bild 5: Das TLI4970-Analog-Board ermöglicht einen schnellen Umstieg auf digitale Stromerfassung.

Bild 5: Das TLI4970-Analog-Board ermöglicht einen schnellen Umstieg auf digitale Stromerfassung.Infineon

Das Analog-Board (Bild 5) ist ein Evaluation-Board mit analogem Interface für den einfachen Test des TLI4970 in einer bestehenden Applikation. Die Pin-Kompatibilität des Boards zu analogen Lösungen erlaubt den problemlosen, direkten Ersatz von herkömmlichen Stromwandlern. Der analoge Ausgang unterstützt eine Datenrate von mehr als 40 kSample/s. Das Board stellt eine voll programmierbare Plug&Play-Lösung dar, ohne zusätzliche externe Komponenten. Die Sensoreinstellungen sind mit Hilfe des Evaluation-Kits programmierbar.

Praxisvorteile

Der TLI4970 bietet zahlreiche Vorteile in der Systemanwendung. So sorgt die effektive Stresskompensierung für eine geringere Drift über die Produktlebenszeit und hält damit zum Beispiel den Wirkungsgrad bei Umrichtern auf hohem Niveau. Das extrem kleine Gehäuse schafft Platz auf der Leiterplatte, während der hohe Integrationsgrad die BOM-Kosten senkt. Die EEPROM-basierte Bausteinflexibilität mit programmierbarer FOC und diversen Filtereinstellungen erlaubt eine schnelle und einfache Anpassung an Designänderungen (Leiterplatte, Komponenten). Dank der effizienten Entwicklungsunterstützung wird auch eine schnelle Time-to-Market ermöglicht.

Der TLI4970 ist kompatibel zu internationalen Anforderungen bei Solarinvertern für erneuerbare Energien. So ist für ein 15-A-Sinussignal eines Solarumrichters in Japan zum Beispiel die Erfassung eines Offsets von 300 mA innerhalb von 0,5 s gefordert, während der Sensor in Großbritannien einen Offset von nur 20 mA detektieren muss – beides kein Problem für den TLI4970.

Jürgen Mann

verantwortet als Produktmarketing-Manager die Produktfamilien Linear Hall und Stromsensorik bei Infineon Technologies in Neubiberg.

(lei)

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