Für das Erstellen von Touch-Interfaces müssen in der Software-Entwicklung neue Wege beschritten werden. So wurden im Projekt für Omicron Electronics, ein führender Anbieter energietechnischer Prüfgeräte, neben allen Projektbeteiligten von Beginn an auch die Anwender einbezogen. Die Prüfgeräte der CMC-Familie dienen verschiedenen Aufgaben der Sekundärtechnikprüfung bei Energieversorgungs-Unternehmen, in der Industrie, bei der Bahn sowie bei Relais- und Messgeräteherstellern. Berner&Mattner entwickelte die Software für das Touchscreen-Bedienterminal in Zusammenarbeit mit den UI-Designern und Usability-Experten von Centigrade. Centigrade unterstützt Unternehmen bei der Entwicklung von User Interfaces, die sich durch hohe Benutzerfreundlichkeit, visuelle Attraktivität und technische Eleganz auszeichnen. Unter Verwendung eines neuen Konzepts der vernetzten parallelen Entwicklung von Software und Design wurde ein Benutzer-Interface entwickelt, das den Bediener über eine hierarchische Navigation schnellstmöglich zur gewünschten Prüffunktion führt. Nach Erstellung der Anforderungsspezifikation hat man die Entwicklung unter Einhaltung der Terminvorgaben geplant und zum Festpreis realisiert. Das CMControl wurde gut von den Anwendern angenommen und für sein Interface-Design mit dem IF Communication Design Award 2010 ausgezeichnet.

Anwendungsfälle definieren

In ersten Workshops ging es darum, die Anwendungsfälle (Use Cases) zu definieren und auf dieser Grundlage ein Workflow-orientiertes Interaktionskonzept zu erarbeiten. Dabei wurden wesentliche Elemente konkret am Flipchart skizziert und die erforderlichen Interaktionsmechanismen mit allen Beteiligten diskutiert und festgelegt. Aus diesen Skizzen ließen sich im weiteren Prozess sowohl die grundsätzlichen Interaktionsmodelle als auch das Grundlayout der Anwendung ableiten.

Die Einbindung der Anwendersicht endete jedoch nicht im Workshop. Um den bestmöglichen Praxisbezug sicher zu stellen, wurde ein Mock-up (der aus dem Englischen stammende Begriff Mock-up bezeichnet im Deutschen beispielsweise eine Attrappe), entsprechend einem Prüfgerät, gebaut. Dieser von den Entwicklern präsentierte interaktive Prototyp mit dem jeweils aktuellen Stand der Benutzeroberfläche bot allen Beteiligten ein höchstmögliches Maß an Realitätsbezug. Er ermöglichte Usability-Tests mit der jeweils aktuellen Version des GUI-Designs, lange bevor ein funktionsfähiger Hardwareprototyp oder gar eine ins Produkt integrierte Software zur Verfügung standen.

Trennung von Design und Funktion

Die parallele Entwicklung des UI-Designs und der funktionalen Software ist ein neues Verfahren, das von der bisherigen Praxis – die Benutzeroberfläche einer Software abschließend mit einem Produktdesign zu versehen – abweicht. Gerade dieses progressive Vorgehensmodell erwies sich als entscheidend für die Effizienz im Entwicklungsprojekt. Die damit mögliche effektive iterative HMI-Entwicklung unter aktiver Beteiligung der Anwender veränderte die Prioritäten bei der Interface-Entwicklung.

Anders als bei den klassischen technisch-funktionalen Designs setzt der Anwender die Prioritäten: zuerst der Bedienablauf, dann die Funktionsimplementierung. Die technische Voraussetzung dafür bieten moderne GUI-Beschreibungssprachen wie XAML (Microsoft, .NET), MycroXAML (OpenSource, C++), SwiXML (Open Source, Java) und QML (Nokia Qt, C++). Designer und Software-Entwickler können damit Funktion und UI-Design parallel iterativ entwickeln und ihre Ergebnisse direkt automatisch integrieren. Professionelle WYSIWYG-Editoren (What You See Is What You Get) geben den Designern und Usability-Experten größere Freiheiten in der Gestaltung, ohne dass diese sich um den Code kümmern müssen. Die erzeugten UI-Beschreibungsdateien können direkt in die Software übernommen werden. Änderungen des Designs oder der Verknüpfungen von UI-Elementen mit Softwarefunktionen sind rein konfigurativ, ohne Software-Änderungen, umsetzbar.

Der Einsatz der richtigen Technologien allein bietet noch keine Erfolgsgarantie. Die parallele Entwicklung macht eine enge Verzahnung und Kontrolle aller Prozesse nötig. Im Omicron-Projekt stellte eine von Berner&Mattner entwickelte Distributed Development Platform sicher, dass alle Beteiligten jederzeit auf dem aktuellen Stand der Entwicklung arbeiten konnten. Nicht zuletzt aus den guten Erfahrungen in diesem Projekt hat sich die Nutzung dieser Infrastruktur zum Standardverfahren in der Partnerschaft von Berner & Mattner und Centigrade entwickelt. Sie bildet die Basis für die verteilte, agile Entwicklung mit rollenbasierten Zugriffsrechten, Projektmanagement, Sourcecode- Verwaltung und automatisierten Tests.

Eine selbsterklärende Benutzerschnittstelle

Mit dem CMControl können nun manuelle Prüfungen in nur wenigen Schritten schnell und zuverlässig durchgeführt werden. Spezielle Prüfwerkzeuge, die an den praktischen Ablauf der jeweiligen Schutzprüfung angepasst sind, führen Schritt für Schritt durch den Prüfvorgang. Alle wesentlichen Informationen und Bedienelemente für den Techniker sind übersichtlich am Bildschirm dargestellt. „Berner&Mattner hat neue Impulse in die Entwicklung eines intuitiven, modernen Bedienkonzeptes eingebracht und durch schnelle, effektive Realisierung von Prototypen die Lösungsfindung beschleunigt. Dass man die Bediensoftware in überzeugender Qualität zum Festpreis und termingerecht lieferte, erhöhte die Planungssicherheit unseres Entwicklungsvorhabens,“ fasste Winfried Peter, Prozess Manager Innovation bei Omicron zusammen. 

Dr. Klaus Wiltchi und Thomas Immich

: Dr. Klaus Wiltchi ist Abteilungsleiter Industrial Customers bei Berner&Mattner Systemtechnik. Thomas Immich ist Managing Director bei der Centigrade GmbH. Stefan Schwabe ist Product Manager bei Omicron electronics.

(hw)

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