Um die Verfügbarkeit einer Anlage zu erhöhen und die Kosten zu verringern, reicht 'Instandhaltung Pi mal Daumen' nicht aus. Datenanalyse hilft in die Zukunft zu blicken.

Um die Verfügbarkeit einer Anlage zu erhöhen und die Kosten zu verringern, reicht 'Instandhaltung Pi mal Daumen' nicht aus. Datenanalyse hilft in die Zukunft zu blicken.RA2 Studio – Fotolia.com

Bei Maschinen haben sich in den vergangenen Jahrzehnten verschiedene Methoden der Zustandsüberwachung etabliert. Bei Aggregaten mit schnell rotierenden Elementen, wie Turbinen, Pumpen und Kompressoren, gehören die Schwingungsanalyse, die Temperaturüberwachung und die Schmierstoffanalyse (Tribologie) dazu. Die Analyseergebnisse ermöglichen Anlagenbetreibern und ihren technischen Dienstleistern das frühzeitige Erkennen von kritischen Betriebszuständen. Die Diagnose hilft drohende technische Störungen und deren Ursachen zu ermitteln. Die für Zustandsüberwachung zuständige Personen können dann gezielte Maßnahmen einleiten, um die Störung zu beheben.

Bei der Zustandsüberwachung sind ein ausgelöster Alarm oder eine detaillierte Zustandsdiagnose in der Regel umso wertvoller, je früher diese auf einen kritischen Betriebszustand hinweisen und je präziser die verbleibende Restlebensdauer bekannt ist. Bleibt keine Zeit mehr einzugreifen, ist auch eine vorausschauende Instandhaltung sinnlos. Möglich ist dann nur eine rein vorbeugende oder sogar nur eine reaktive Instandhaltung. Damit müssen sich die meisten Anlagenbetreiber bislang abfinden. Deswegen herrscht oft die falsche Annahme vor, dass die erfassten Daten aus der Zustandsüberwachung nicht ausreichen, um nützliche Informationen für Prognosen zu liefern. Denn vor dem Hintergrund des allgemein relativ großen technischen Aufwandes bei der Zustandsdatenerfassung, -verarbeitung und -archivierung erstaunt Anwender oft der fehlende genaue Prognosehorizont.

Die Software ergänzt die Funktionen der Zustandsüberwachung wie Alarm und Diagnose durch eine genaue prognostische Dimension. Die Ergebnisdaten lassen sich insbesondere im Rahmen der mittel- und langfristigen Instandhaltungsplanung sowie des Asset Managem

Die Software ergänzt die Funktionen der Zustandsüberwachung wie Alarm und Diagnose durch eine genaue prognostische Dimension. Die Ergebnisdaten lassen sich insbesondere im Rahmen der mittel- und langfristigen Instandhaltungsplanung sowie des Asset ManagemCassantec

Stochastische Prozesse zeigen die Zukunft

Auf der von der Zustandsüberwachung erfassten empirischen Datenbasis lassen sich jedoch mithilfe eines computergestützten stochastischen Prozesses genaue Prognosen berechnen – etwa mit der Software Cassantec Prognostics. Sie berechnet Zustandsgradienten, erstellt daraus eine Zustandsprognose und erweitert dies zu einer Störungsprognose. Zudem konsolidiert und priorisiert die Software die Zustandsdaten und vereinheitlicht den Prognosehorizont. Zusätzlich stellt die Software die Verteilung der Restlebensdauer dar. Außerdem aktualisiert sie die Ergebnisse automatisch, wenn neue Daten verfügbar sind.

Dies wird mithilfe zweier stochastischer Berechnungsschritte erreicht. Im ersten Schritt werden in einem nicht-parametrischen Modell Datenparameter anhand ihrer historischen Entwicklung in die Zukunft prognostiziert. Dieser Schritt ist pure Mathematik, damit also unabhängig von dem betrachteten Gerät und lässt sich daher leicht skalieren und breit einsetzen. Im zweiten Schritt werden mit komplexen stochastischen Algorithmen die prognostizierten Datenparameter mit der Eintrittswahrscheinlichkeit von Störungen korreliert. Das kombinierte Ergebnis aus Schritt eins und zwei ist die Prognose. Da die Methode weder eine Bibliothek an Soll-Daten noch eine Störungshistorie benötigt, ist sie im Ergebnis robust und nicht anfällig für bekannte Probleme wie Datenausreißer oder Datenänderungen aufgrund von Änderungen am Gerät. Die Prognose-Software ergänzt die Funktionen der Zustandsüberwachung wie Alarm und Diagnose durch eine genaue prognostische Dimension. Die Ergebnisdaten lassen sich insbesondere im Rahmen der mittel- und langfristigen Instandhaltungsplanung sowie des Asset Managements weiterverarbeiten.

Die Konfiguration der Lösung, bis die ersten Prognosen errechnet werden können, nimmt nicht viel Zeit in Anspruch: Nachdem die kritischen Aggregate ausgewählt, relevante Störungsarten definiert und geeignete Zustandsparameter formuliert wurden, ist das Anpassen des mathematischen Modells abgeschlossen und Prognoseberichte für die entsprechenden Aggregate können erstellt werden. Einsetzen lässt sich ist die Lösung für rotierende und nicht-rotierende, stationäre und mobile Geräte. Voraussetzung ist lediglich das Vorhandensein von Datenhistorien. Bisherige Anwendungen der prognostischen Lösung waren beispielsweise in Kraftwerken in den USA und Europa sowie bei Eisenbahnen. Bei allen Projekten lautete das Ziel, die Instandhaltungs-Planung und den -Aufwand so zu optimieren, dass Betriebs- und Instandhaltungskosten sinken. Zusätzlich wurden die Restlebensdauer der Maschinen und die Einkaufsplanung verbessert. Aufgrund des Zusammenspiels von Diagnose und Prognose kann ein Betreiber fossil befeuerter Kraftwerke durch die verbesserte Planbarkeit der Wartungsarbeiten und verringerte Unverfügbarkeit 3,1 Millionen Euro pro Jahr sparen. Den größten Posten in dieser Kalkulation nehmen mit 1,2 Millionen Euro die Einsparungen durch weniger ungeplante Ausfälle ein. Neben den monetären Einsparungen erhalten Unternehmen ein umfassendes Verständnis ihrer Anlagen und über deren Zustand. Das ermöglicht es, Faktoren, die die Restlebensdauer betreffen, besser einzuschätzen.

Da für die Prognosen bestehende Datenhistorien genutzt werden, sind diese von Beginn an genau. Die oft geäußerte Vermutung, es seien nicht genug Daten vorhanden, ist dabei unbegründet. Aus ihrer Anlagensteuerung und der Zustandsüberwachung verfügen Unternehmen für ihre kritischen Komponenten meist ausreichend Daten für eine Prognose. Durch den prognostischen Ansatz werden die Möglichkeiten dieser Daten ausgeschöpft. Mit der Dauer der Anwendung und entsprechend zunehmendem Datenumfang nimmt die Präzision der Prognosen weiter zu, denn die Software besitzt die Möglichkeit des Machine Learning.

Einsetzen lässt sich ist die Lösung für rotierende und nicht-rotierende, stationäre und mobile Geräte. Voraussetzung ist lediglich das Vorhandensein von Datenhistorien.

Einsetzen lässt sich ist die Lösung für rotierende und nicht-rotierende, stationäre und mobile Geräte. Voraussetzung ist lediglich das Vorhandensein von Datenhistorien.Cassantec

Genaue Vorhersagen anstatt Pi mal Daumen

Viele Entscheidungen von Instandhaltungsmanagern betreffen die Zukunft, basieren allerdings nicht auf prognostischen Informationen. Betriebe nehmen beispielweise Aufträge an, in der Annahme, dass die für das Erfüllen des Auftrages benötigte Maschine keine Störungen während des Produktionslaufs haben wird. Gewissheit bezüglich dieser Zukunftserwartungen und Annahmen haben die Entscheider jedoch nicht. Durch die mathematische Vorhersage erhalten sie eine Prognose auf Grundlage von objektivem und datengestütztem Wissen. Mit einer Prognose und dem erstellten Bericht kann das Unternehmen zum Beispiel aktiv die Restlebensdauer der Maschine steuern, indem es die Betriebskapazitäten anpasst. Der Anwender erhält die Möglichkeit, optimierte Instandhaltungspläne zu erstellen, bei denen Instandhaltungen gebündelt werden, um Kosten zu sparen und vor allem um Stillstandszeiten zu verringern. Die Instandhaltung nach Zeitplan wird zur Instandhaltung nach technischer Notwendigkeit, wobei die Prognose eine frühzeitige Planung von Arbeiten und Ersatzteilbeschaffungen ermöglicht. Das spart Kosten, steigert die Anlagenverfügbarkeit und erweitert den Planungshorizont des Instandhaltungsmanagers.

Vorbehalte gegenüber Wahrscheinlichkeiten unbegründet

Wahrscheinlichkeiten zählen traditionell nicht zu den bekannten Darstellungsformen für Lebensdauerinformationen. Instandhaltungsmanager kennen deterministische Argumente, also sprichwörtlich harte Fakten. Dabei sind sie sich aber oft nicht bewusst, dass sie implizit mit Wahrscheinlichkeiten arbeiten, wenn sie basierend auf Erfahrungswerten oder Herstellerangaben die zukünftigen Instandhaltungen planen. Die Software berechnet derartige Wahrscheinlichkeiten genau, nachvollziehbar, frei von menschlichen Fehlern und transparent. Entsprechend kann der Instandhalter Entscheidungen besser treffen, beispielsweise eine Instandhaltungsaufgabe für seine Aggregate neu zu priorisieren. Als zusätzliches Werkzeug liefert der Prognosebericht diagnostische Informationen über den aktuellen Zustand der Komponenten und der Anlage.

Sowohl Zustandsdiagnostik als auch Zustandsprognostik profitieren von Entwicklungen bei der Datenbeschaffung. So liefern beispielsweise robuste, drahtlose Schwingungs- und Korrosionssensoren sowohl neue als auch bessere Daten. Neue Software im Datenmanagement ermöglicht es, Datenquellen wie Filterrückstandsanalyse (Filter Debris Analysis) oder Stresswellenanalyse (Stress Wave Analysis) zu nutzen. Trotz dieser Entwicklungen reichen aber in den meisten Unternehmen die aktuell bestehenden Datenhistorien aus, um mathematische Modelle einzusetzen. Außerdem erlaubt die von der Software geschaffene Transparenz eine bedarfsorientierte gezielte Nachrüstung mit weiterer Sensorik anstelle einer kostenintensiven und flächendeckenden Ausweitung des Datenbestandes.

Moritz von Plate

ist CEO der Cassantec AG in Berlin.

(mf)

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