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"Wir helfen ­Anwendern, die ­richtigen Schlüsse zu ziehen." Johanna SchüßlerRedaktion IEE/Renate Schildheuer

Frau Schüßler, welche Probleme adressieren Sie mit den Zusatzfeatures ihrer AS-i Master?

Mit der Software unterstützen wir Anlagenbauer und Betreiber bei der Prophylaxe ihrer Kommunikationssysteme. Anlagenbauer können damit, nachdem die Anlage in Betrieb genommen wurde, in einem ersten Schritt Freigabemessungen durchführen und damit den Zustand ‚as Build‘ dokumentieren. Die Software prüft die Installation und weist auf eventuelle Schwachstellen hin, die der Monteur sofort beheben kann, bevor er die Anlage verlässt. Alle Messergebnisse werden von der Software gespeichert, die daraus ein Protokoll generiert. Damit ist eine Hauptintention – nämlich eine einwandfreie Installation zu unterstützen und zu dokumentieren – erfüllt.

Welche Fehlerbilder oder Fehlerquellen diagnostiziert das Tool?

Häufig sind es Kleinigkeiten. Grundsätzlich kommen alle Diagnoseinformationen aus unseren Gateways. Die Software interpretiert und verdichtet lediglich die Daten und weist gezielt auf den ursächlichen Fehler hin.

Welche Diagnosedaten sind das konkret?

Das sind zum Teil Standard-Daten, wie sie im AS-i-Profil definiert sind, etwa Peripheriefehler. Hinzu kommen unsere spezifischen Features wie die Erkennung von Erdschlüssen, von doppelter Adressierung oder von Störspannungen. Unsere Master erfassen Spannung und Strom auf der Busleitung sowie die Fehlerzähler aller Teilnehmer samt Fehlerhistorie.

Das alles speichern die Gateways. Hinzu kommt natürlich die komplette Safety-­Diagnose wie Safety-Stati, Testanforderungen oder Fehler, etwa in der Schützrückführung. Daraus generiert die Software Hinweise und Empfehlungen, wie darauf reagiert werden kann.

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"Wir haben unser ­Diagnose-Know-how in Software gepackt." Johanna SchüßlerRedaktion IEE/Renate Schildheuer

Wie erleichtern Sie die Analyse, wenn sie praktisch nur Standard-Werte nutzen, die jedem zur Verfügung stehen?

Indem wir unsere Erfahrungswerte in die Software einbringen. Nicht jedes Fehlerbild ist immer eindeutig auf eine Ursache zurückzuführen. Häufig treten Fehler in Folge eines anderen Fehlers auf, den man nicht sofort auf dem Radarschirm hat. Diese Zusammenhänge zu erkennen und aus den Diagnosedaten herauszulesen, verlangt viel Erfahrung; Erfahrung, die wir in Software gegossen haben. Unsere Software filtert die Fehlerschauer, etwa die Fehlerzähler aller Slaves, und zeigt nur die relevanten Daten, die für eine schnelle Fehlerlokalisierung und -behebung relevant sind.

Worin besteht der Unterschied zu ihrem bisherigen Diagnosekonzept?

Es war uns schon immer wichtig, dass wir möglichst viele Diagnoseinformationen zur Verfügung stellen. Deshalb haben unsere Gateways viel Messtechnik im Bauch, die diese Informationen liefern. Der Unterschied ist im Wesentlichen die Interpretation, mit der wir Kunden den Zugang zu unserem Know-how erleichtern.

Wie muss ich mir eine Diagnose-Session vorstellen?

Wir erfassen die Informationen an der laufenden Anlage. Dazu zeichnet die Software 30 Minuten lang alle Daten auf – also das, was in der realen Anlage tatsächlich passiert. Das ergibt ein recht präzises Bild der Kommunikationsstruktur und deckt unter anderem konzeptionelle Schwachstellen auf, beispielsweise die Kabelverlegung, die nicht unbedingt sofort Probleme verursachen muss, sporadisch aber sehr wohl verursachen kann.

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"Das Tool analysiert die ohnehin ­vorhandenen ­Diagnosedaten unserer Gateways." Johanna SchüßlerRedaktion IEE/Renate Schildheuer

Gibt es eine Rückmeldung der Daten aus den Applikationen zu Bihl+Wiedemann?

Das war auch eines der Ziele bei der Entwicklung. Die Software zeichnet alle Rohdaten komplett auf, speichert diese und sendet Sie an Bihl+Wiedemann – natürlich nur nach vorheriger Freigabe durch den Anwender. Unser Support nutzt die Daten, um im konkreten Fall die Fehlersuche zu unterstützen. Ebenso werten wir diese Daten anonym aus, filtern typische Fehlerbilder heraus und leiten weitere Hilfestellungen daraus ab.

Haben Anwender keine Bedenken, diese Daten nach außen zu geben?

Das ist unkritisch, denn die Diagnosedaten enthalten ja keine Informationen über den Aufbau der Anlage selbst. Die Software erfasst nur Informationen über den verwendeten Master und die Diagnosedaten aus dem Netzwerk. Daraus lassen sich keine Rückschlüsse ziehen, wie das Netzwerk aufgebaut ist oder welche Komponenten im Einsatz sind.

Wie erkennt das Tool überhaupt einen Störenfried?

Fehlerursachen können sich über mehrere Möglichkeiten bemerkbar machen, beispielsweise über eingekoppelte Störspannungen. Für deren Erkennung haben wir extra eine Sensorik ins Gerät eingebaut. Häufig wirken Fehler auf einen oder mehrere benachbarte Slaves. Dadurch steigt deren Fehlerzähler und man hört diese Slaves nicht mehr so gut im Netzwerk. Darüber lässt sich relativ exakt lokalisieren, wo der Fehler oder die Störquelle sich befindet.

Läuft die Software im AS-i Master beziehungsweise Gateway?

Unser Diagnose-Tool läuft auf einem separaten PC, der über ein Schnittstellenkabel mit der Diagnoseschnittstelle des AS-i Masters verbunden ist. Ohne eine spezielle Konfiguration liest die Software die kompletten Diagnosedaten aus, die dort sowieso bereitstehen. Die Auswertelogik läuft aber auf dem PC.

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"Bislang geht weitaus mehr Zeit bei der Fehlersuche verloren als bei der ­Fehlerbeseitigung." Johanna SchüßlerRedaktion IEE/Renate Schildheuer

Könnte diese Software nicht auch auf dem Leitrechner oder Panel-PC installiert sein und bei Veränderungen Warnhinweise generieren?

Wenn der Panel-PC ein Windows-Betriebssystem hat, natürlich.

Und automatische Fehlermeldungen an die Visualisierung oder Leitwarte absetzen?

Wenn es darum geht, die Diagnosemeldungen der AS-i Master auch am Panel und in der Leitstelle anzuzeigen, können das die Kunden auch ohne unser Tool. Es ist ja nicht so, dass wir bisher etwas verheimlicht hätten. Sämtliche Daten liegen ja im Gateway vor und können über die Feldbusschnittstelle an die SPS übermittelt und darüber angezeigt werden. Das Tool ist nur dazu da, diese Daten on Top zu bewerten und bei der Fehler­suche und Installation zu unterstützen.

Wir reden die ganze Zeit über Diagnose, über den eigentlichen ­Heilungsprozess – sprich Gegenmaßnahmen – nur wenig. Wie unterstützen Sie denn Ihre Kunden?

Wir haben schon Empfehlungen erarbeitet. Aufgrund der Analysen kann es durchaus sein, dass wir noch weitere Dokumentationen und Hinweise herausbringen. Dafür ist es aber noch zu früh. Schließlich ist die Software erst seit Ende 2013 verfügbar.

Zieht Bihl+Wiedemann aus den Diagnosen selbst Rückschlüsse, die in die Produktentwicklung einfließen?

Die Ergebnisse sollen auch dazu beitragen, unsere Produkte zu verbessern. Wir haben schon einige Anwender, die das Tool nutzen. Für aussagekräftige Informationen brauchen wir aber noch mehr Daten. Falls wir Ansatzpunkte für Verbesserungen entdecken, nehmen wir Anpassungen an den Produkten vor.

Wurden die Daten vorher auch schon zu Bihl+Wiedemann geschickt?

Nein. Und mit der neuen Software wird das auch nur gemacht, wenn der Anwender dem zustimmt.

War das Tool eine eigene Idee oder kundengetrieben?

Wie so oft bei Bihl+Wiedemann ist die Idee im Dialog mit Kunden entstanden. Die Automobilindustrie ist hier ein Vorreiter, weil gerade in dieser Branche Anlagenstillstände sehr kostspielig sind. Automobilisten sind daher darauf bedacht, möglichst viele Diagnoseinformationen zu erhalten – zum einen für eine vorbeugende Wartung und zum anderen, falls doch ein Fehler auftritt, um die Stillstandszeiten so kurz wie möglich zu halten. In der kurzen Zeit seit Auslieferung des Tools hatten wir auch schon ein paar Kunden, die mit der Software Probleme in ihrer Anlage in Eigenregie aufgespürt und abgestellt haben. Das hat uns sehr gefreut, weil das schließlich genau unsere Zielsetzung ist.

Für wen sind die erweiterten Diagnosemöglichkeiten eigentlich von Nutzen?

Nutzen daraus können drei Gruppen ziehen: Unser Support, der über das Tool für die Fehlerbehebung sofort die ganzen Roh­daten zur Verfügung hat. Bislang wurden die Daten einzeln per Telefon erfragt. Abgesehen von den Übermittlungsfehlern kostet das extrem viel Zeit.

Der Anlagenbauer kann nach der Inbetriebnahme eine Freigabemessung durchführen, potenzielle Schwachstellen nachjustieren und am Ende ruhigen Gewissens die Anlage übergeben. Und der Anlagenbetreiber kann mit der Software regelmäßig vorbeugende Analysen fahren, wofür er bislang nicht immer das notwendige Know-how und die Zeit hatte.

Bei all den Vorteilen, was kostet die Software?

Die Diagnose-Funktionen gibt es integriert in unsere Projektierungs-Tools Asimon für den Safety-Teil und zusammen mit den AS-i Control Tools für den nicht sicheren Applikationsbereich. Wenn Anwender eines dieser Tools kaufen, bekommen Sie die Software automatisch dazu. Daneben gibt es die Diagnose-Software auch als Einzellizenz auf unserer Homepage zum Download.

Generell sind wir pragmatisch veranlagt und lösen immer zuerst das akute Problem. Soll heißen: Wenn die Anlage steht und es brennt, darf jeder die Software sofort installieren, auch wenn er keine Kreditkarte zur Hand hat. Die kaufmännischen Aspekte wickeln wir hinterher ab.

Ab welcher Gateway-Version funktioniert das Tool?

Die Software passt sich dem Master und dessen Diagnose-Fähigkeiten an. Daher funktioniert das Tool mit jedem unserer Master. Einzige Voraussetzung ist die Diagnoseschnittstelle. Die Software macht aus den verfügbaren Daten dann immer das Beste. Aktuelle Geräte liefern natürlich mehr Informationen.

Stefan Kuppinger

ist Chefredakteur der IEE

(sk)

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Bihl + Wiedemann GmbH Automatisierungstechnik

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