Nederlandse Spoorwegen N.V., kurz NS, die staatliche Eisenbahngesellschaft der Niederlande ist wie die Deutsche Bahn AG eine rechtlich unabhängige Gesellschaft – mit einer Besonderheit: Das Schienennetz ist nicht Eigentum der NS. Das Netz wurde auf die Gesellschaft Prorail unter der Obhut des Verkehrsministeriums ausgelagert. Die Zuständigkeit fokussiert sich auf Infrastruktur und Wartung, sowie Instandhaltung und Erweiterung des gesamten nationalen Schienennetzes. Allein die Aufgabenstellungen zum Thema Infrastruktur sind vielfältig.

Bei Prorail arbeiten über 4.000 Mitarbeiter Tag für Tag daran, dass Tag für Tag, und das sieben Tage in der Woche, rund 1.2 Mio. Passagiere und über 100.000 Tonnen Fracht heil an ihrem Bestimmungsort ankommen. Werden über 6.000 Züge auf den knapp 7.000 Bahnkilometern zugrunde gelegt, dann ist mit Fug und Recht vom schlagenden Puls der mobilen Niederlande zu sprechen.

Prorail initiiert nach vorangegangenen Analysen und Folgeplanungen letztlich aber auch detaillierte Ausschreibungen und man pflegt und wartet Teile der Eisenbahn wie z. B. Gleise, Weichen, Signale und Bahnübergänge. Ein wesentliches Augenmerk gilt den Stellwerken, die grundsätzlich mit Relaistechnik arbeiten. Für die Pflege und Kontrolle der Relais ist ein Testintervall von maximal sechs Jahren pro Relais vorgeschrieben. Innerhalb dieses Zeitraums müssen alle Relais, in den Niederlanden sind an die 220.000 Relais im Einsatz, Stück für Stück einen Test auf Funktion und Zuverlässigkeit über sich ergehen lassen. Allein im Bahnhofsbereich Utrecht erfüllen bis zu 800 diverse Relais ihre Aufgabe.

Stellwerke mit Relaisschaltung

Vom Stellwerk aus werden alle Einrichtungen am und im Schienenweg für Zugfahrten und auch beim Rangieren zentral gestellt. Mechanische, elektrische oder auch elektronische Abhänigkeiten zwischen den Einrichtungen und dem Stellwerk sichern durch das Herstellen von Fahrstraßen mithilfe von Signalabhängigkeiten den Fahrweg.

Alle Signalabhängigkeiten werden bei der niederländischen Bahn hauptsächlich über Relais geschaltet. Daneben sind auch computergesteuerte Stellwerke im Einsatz. Alle Relais sind in Funktionsgruppen zusammengefasst und separat in speziellen Räumen untergebracht. Der Zugverkehr wird im ganzen Land automatisch gesteuert, nur bei großen Verspätungen werden die Züge individuell von Hand gelenkt. Auch die Stellwerke die nur mit Relaistechnik ausgestattet sind, werden auf dieser Weise so gesteuert.

Relaistest im Fokus

Zur Gewährleistung der Sicherheit im gesamten Bahnbetrieb ist die Überprüfung der Relais in einem regelmäßigen Turnus eine zentrale Aufgabe. Neben der obligatorischen Sichtprüfung zählt der elektrische Test zum Standard. Prorail schreibt regelmäßige Tests in bestimmten Zeitabständen vor und hat entschieden, alle Relais im Abstand von sechs Jahren komplett zu überprüfen.

Dazu mussten geeignete Testsysteme her. Das Ergebnis der eigens für diese Tester veranlassten Ausschreibung stieß bei den Projektverantwortlichen Ronald Helder und Johan Heijnen auf große Zustimmung. Den Zuschlag erhielt die Dr. Eschke Elektronik GmbH in Berlin. Dabei waren nicht nur das optimale Preis-, Leistungsverhältnis entscheidend. Auch die angebotene Technik überzeugte ebenso wie die mechanischen Lösung. „Und nicht zuletzt die intelligente Software“, ergänzte Ronald Helder.

Das Sicherheitsrelais B1 ist zuständig für die Signal- und Weichensteuerung, während das Sicherheitsrelais B2 für die Gleisfreimeldung und damit für die Sicherheit der Blockstreckenkontrolle verantwortlich ist. Blockstrecke wird die Strecke genannt, in der sich nicht mehr als ein Zug aufhalten darf. Bei geringsten Unklarheiten wird der entsprechende Abschnitt blockiert. Das führt das Relais B2 aus.

Aufgrund der hohen Anforderungen an die Sicherheit wird ein entsprechend hoher Safety-Integrity-Level (SIL) festgeschrieben. SIL drei ist festgeschrieben, die Relais und der Tester entsprechen jedoch höchsten Anforderungsstufe SIL 4. Dieser Level weist im Klartext auf eine Betriebsart mit hoher Anforderungsrate hin.

Sicherheitsrelais-Tester

Der Tester T-B1 sollte zwei Relais gleichzeitig testen können. Dagegen wurde dem zweiten Tester auf Grund der relativ komplexen Tests für die B2-Relais nur ein Exemplar zugeordnet.

Für die Konzipierung der beiden Testsysteme standen den Entwicklern in Berlin Originalrelais zur Verfügung. Über die Anforderung leicht trag- und transportfähig zu sein, entstand eine bedienerfreundliche Konstruktion. Letztlich wurden die bereits erwähnten tragbaren Messgeräte erdacht, die das gesamte Messarsenal in sich aufnahmen – tragbar deshalb, weil die Prüfer mit ihren Geräten oft längere Strecken zu Fuß bis zum Stellwerk überwinden müssen. Die Tester mit knapp 12,5 kg müssen Bedingungen wie spritzwasserdicht nach Schutzart IP54, temperaturunempfindlich und stoßfest bis 9 g erfüllen und gegen das Eindringen von Staub und Salznebel sollten die „Meetkoffer“ resistent sein. Auch die entsprechenden EMV- und EMC-Anforderungen unter Bahnbedingungen galt es umzusetzen.

Diese Aufgaben waren noch leicht zu lösen. Doch anspruchsvoller wurde es bei der weiteren Entwicklung in puncto Sicherheit der Messergebnisse. Denn kein Relais durfte trotz Fehler zufällig als gut befunden werden. Die Lösung bot ein spezielles Messverfahren, das solches Fehlverhalten definitiv ausschloss. Jetzt wird auf zwei unabhängigen Messpfaden gemessen. Praktisch bedeutet das, jede Messung wird auf einem anderen Messpfad nochmals überprüft.

Für diese Aufgabe wurden im T-B1 zwei Mikrokontroller und im T-B2 für das B2-Relais sogar vier Mikrokontroller pro zu testendem Relais eingesetzt. Die Mikroprozessoren führen die Kommunikation mit dem PC, den Selbsttest, die Relaisidentifikation, die Testparametrierung, die Testablaufsteuerung und die Testbewertung durch.

Der für exaktes Logging der Messwerte zu jedem einzelnen Relais erforderliche Datensatz wird in den Messgeräten vollständig zusammengestellt und an den PC übertragen. Dabei ist ein hoher Sicherheitsstandard zu gewährleisten und die Daten müssen gegen zufällige Störungen geschützt werden. Die integrierten Mikroprozessoren unterstützen die regelmäßige automatisierte Kalibrierung und Eichung.

Auswertung der Daten

Die Messgeräte sind mit einem PC oder Notebook per USB-Kabel verbunden und stellen die Messergebnisse schnell und übersichtlich auf dem Monitor dar. Am Ende gibt es nur zwei Möglichkeiten als Ergebnis: Goed oder Fout, also Gut oder Fehler. Die SIL 4-Konformitätserklärung gibt die Gewissheit, dass Funktionsfähigkeit, Genauigkeit der Messungen und die Zuverlässigkeit der Messergebnisse mit geltenden Vorschriften übereinstimmen und zugesicherte Eigenschaften erfüllt werden. Alle Entwicklungsschritte wurden parallel durch den TÜV Brandenburg-Berlin exakt überprüft und zertifiziert. Zugleich stimmen die Meetkoffer mit einer ganzen Reihe gültiger internationaler Standards überein. Das heißt, sie können an nahezu allen Orten der Welt eingesetzt werden.

Einfache Adaption

Zur Fixierung der zu testenden Relais im Meetkoffer wurden die gleichen Aufnahmen bzw. Fassungen verwendet, die auch in den Relaisräumen genutzt werden. Welcher Messumfang zu bewältigen ist, macht die Gesamtzahl der zu prüfenden Relais deutlich. Rund 220.000 Relais müssen im Rhythmus von sechs Jahren getestet werden. 26 Varianten des Relaistyps B1 müssen periodische Sicherheitstests zu allen statistischen und dynamischen Daten über sich ergehen lassen. Bei aktuell 25 aktiven Messgeräten sind das annähernd fast 9.000 Relais. Pro automatischem Testablauf rechnet Prorail mit ca. 120 s.

Alle B1- und B2-Relais sind mit zwangsgeführten Kontakten nach EN 50205 ausgerüstet. Was heißt das? Zwangsgeführte Kontakte setzen sich aus mindestens einem Öffner und Schließer mit einer integrierten Mechanik zusammen. Diese Mechanik verhindert, dass Öffner und Schließer gleichzeitig geschlossen sein können. Insbesondere bei einem gestörten Zustand (Fehler), wie z. B. durch Öffnungsversagen eines Kontaktes, muss das für die gesamte Lebensdauer der Relais gewährleistet sein. In einer Schaltung kann ein geöffneter Schließer durch einen geschlossenen Öffner erkannt werden (Fehlererkennung). Entsprechend gilt das auch für einen geschlossenen Schließer, bei dem der Öffner geöffnet ist.

Daraus ergibt sich, dass das Öffnen eines Kontaktes stets dem Schließen des antivalenten Kontaktes vorangeht und keinesfalls gleichzeitig oder gar umgekehrt geschieht.

Die Messtechnik

Alle zu testenden B1-Relaistypen sind zum Teil mit zwei oder einer Spule, ein bis vier Wechslern, bis zu zwei Schließern und gleicher Anzahl Öffnern ausgestattet. Hauptfunktion der Messgeräte ist es, die Kontakt- und Spulenwiderstände, die Anzugs- und Abfallströme sowie die Schließ- und Öffnungszeiten genau zu messen und typbezogen zu bewerten.

Bei vorgegebenen Spulen-Gleichströmen für die B1-Relais handelt es sich bei deren zeitlichem Verlauf nicht um eine einfache Gerade. Durch die Messgeräte werden genau vorgegebene nichtlineare DC-Stromverläufe für die B1-Relaistestung und AC-Stromverläufe für die B2-Relaistestung realisiert. Die DC-Stromrampen werden mit segmentweise genau definierten Anstiegs- und Abfallzeiten generiert. Und mit diesen Stromkurven wird das exakte Anzugs- und Abfallverhalten der Relais mit den zugehörigen Zeiten überprüft.

Je nach Relaistyp fließen Spulensättigungsströme zwischen 5 mA und maximal 1.000 mA. Für den Anker beträgt der maximale Anzugsstrom 2,5 mA bis 264 mA und der Abfallstrom minimal 1,1 mA. Der Spulenstromwiderstand variiert je nach Relaistyp von 0,9 bis 500 A und die Messgeräte selbst arbeiten mit einer Netzspannung zwischen von 90 bis 240 V AC und bei 47 bis 80 Hz Netzfrequenz.

Für die B2-Relais, deren Funktion wesentlich auf dem Wirbelstromprinzip beruht, erfolgen Messungen bei unterschiedlichen Wechselspannungen und -strömen. Wahlweise werden Spannungen mit 50 Hz oder 75 Hz generiert. Die notwendigen Phasenverschiebungen zwischen der lokalen Wechselspannung und der Spur-Wechselspannung werden präzise eingestellt und gemessen.

Software und Kalibrierung

Bei der Softwareentwicklung waren sich alle Beteiligten darüber im Klaren, das Programmpaket darf auf keinen Fall allgemein zugänglich sein. Zugang sollten nur einige wenige Zugriffsberechtigte bei Prorail und natürlich bei der Dr. Eschke Elektronik GmbH haben. Die Messgeräte sind darum so ausgerüstet, dass sie entsprechend den Vorgaben ein oder zwei Relais gleichzeitig testen können. Das Gute daran, die Software erkennt den Relaistyp sobald er im Adapter arretiert ist. Überschaubare Masken machen es dem Bediener leicht, die Informationen zu den Tests einzugeben.

Als größte Herausforderung für die Softwareentwickler entpuppte sich die strikte Parallelerkennung der insgesamt 26 unterschiedlichen Typen des Typs B1. Da an dem Messgerät T-B1 zwei Relais aufzunehmen waren, verschärfte das die Aufgabe zusätzlich. Sicherheitsgründe und auch wirtschaftliche Anforderungen ließen eine manuelle Auswahl der Relais durch das Testpersonal vor Ort einfach nicht zu. Im Prinzip galt, Relais aus dem Gestell nehmen, in den Meetkoffer einstecken und Teststart. Ohne im Vorfeld zeitaufwendig den Typ bestimmen zu müssen.

Parallel musste die Installation und Inbetriebnahme der Software komfortabel über ein einfaches Setup-Programm möglich sein. Derzeit läuft die Software noch unter dem PC-Betriebssystem Windows XP. Doch eine Erweiterung für Windows 7 ist bereits in Arbeit. Die Bildschirmauflösung beträgt 1.024 X 768 Pixel und als Kommunikationsinterface zum Messkoffer kommt eine USB 1.1-Verbindung mit 12 MBit/s zum Zug.

Nach klarer TÜV-Vorgabe dürfen im PC keine sicherheitsrelevanten Funktionen enthalten sein oder gar sicherheitsrelevante Entscheidungen getroffen werden. Letztlich konnte der PC nur für zusätzlich gesicherte Eingabe- und erweiternde Anzeigefunktionen eingesetzt werden. Alle Entscheidungen zur Qualität und zur Einsetzbarkeit der Relais erfolgen über die elektronischen Baugruppen in den Testern und die entwickelte  Mikroprozessor-Firmware. Im Messkanalfenster der Bildschirmanzeige wird die Bedeutung verschiedener möglicher Anzeigen dargestellt. Die vorgesehenen Felder zur visuellen Kontrolle müssen vollständig ausgefüllt werden. Es folgt sofort das Zwischenergebnis „GOED“ oder „FOUT“. Dann wird nach Einsetzen des Relais, der automatischen Relaiserkennung und der Bestätigung des Relaistyps die Relaismessung durch den Bediener gestartet.

Zentrale Datenauswertung

Wichtig ist zudem die vollständige Speicherung der Testergebnisse in einer hausinternen Datenbank, um im Bedarfsfall jederzeit darauf zugreifen zu können. Zu diesem Zweck laufen die Messwerte zentral in Utrecht zusammen. Auf Basis dieser Daten kann ein Eigenschaftsprofil zu jedem einzelnen Relais erstellt werden. Zudem besteht zentral ein klarer Überblick zum Stand der Prüfungen. Die nach TÜV-Vorschrift durchzuführende jährliche Kalibrierung und der notwendige Service zu den Messgeräten werden ausschließlich beim Hersteller Dr. Eschke Elektronik GmbH durchgeführt und bedeuten für die Messgeräte die periodische Neuausrichtung in puncto Messgenauigkeit und Zuverlässigkeit.

Manfred Frank

: Redaktionsbüro Frank in 63165 Mühlheim.

(hb)

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