Retrofit: Oswin Baumann (rechts), Programmierer bei Weibl & Partner, setzte mit seinem Team die Futtermühle wieder in Gang.

Oswin Baumann (rechts), Programmierer bei Weibl & Partner, setzte mit seinem Team die Futtermühle wieder in Gang. (Bild: Daniel Wallimann)

Maschinenstillstände passieren natürlich immer im ungeeignetsten Moment – Murphys Gesetz lässt grüßen. So auch bei Landi Unterwalden: Die Produktionsmaschine für Futtermittel fiel plötzlich aus. Da es aber bereits auf den Herbst zuging und die Bauern ihr Vieh von der Alp zurück ins Tal brachten, brauchten die Tiere dringend Futter. Landi-Geschäftsführer Albert Amschwand erklärt: „Wenn die Anlage nach dem Ausfall nicht schnell genug wieder in Betrieb gegangen wäre, hätten die Bauern nach anderen Verteilern Ausschau halten müssen, was uns finanziell erheblich getroffen hätte.“ Deshalb wandte sich der Futtermittelhersteller sofort an die Lieferanten, um an Ersatzteile für die Futtermühle zu gelangen. Jedoch trat schnell ein großes Problem auf: Die Anlage stammte aus den 80er Jahren und Ersatzteile waren nicht mehr verfügbar.

Die Mitarbeiter des Schweizer Ingenieurbüros Weibel & Partner sind auf die Automatisierung und Steuerung von Anlagen spezialisiert. Einige von ihnen arbeiten bereits seit 25 Jahren mit Steuerungen und Komponenten von B&R und verfügen über eine entsprechende Expertise. Zum Team gehört auch Oswin Baumann, seines Zeichens Programmierer.

Aus alt mach schlau – die Orange Box

Retrofit: Die Orange Box sammelt Daten von bisher unvernetzten Maschinen und Linien und wertet diese aus. So machen Maschinen- und Anlagenbetreiber ihre Bestandsanlagen fit für die Smart Factory.

Die Orange Box sammelt Daten von bisher unvernetzten Maschinen und Linien und wertet diese aus. So machen Maschinen- und Anlagenbetreiber ihre Bestandsanlagen fit für die Smart Factory. B&R

Für Bestandsanlagen, sogenannte Brownfields, stellt B&R mit der Orange Box eine Manufacturing-Intelligence-Lösung zur Verfügung. Ohne die existierende Hard- und Software in bestehenden Systemen ändern zu müssen, lässt sich dieses Datenerfassungs- und Analysewerkzeug über eine einfache Parametrierung installieren – unabhängig vom vorhandenen Steuerungsfabrikat. Die Orange Box sammelt Daten von bisher unvernetzten Maschinen und Linien und wertet diese aus. Sie setzt sich zusammen aus einer Steuerung und sogenannten Mapps. Dabei handelt es sich um vorkonfigurierte Softwarebausteine der Mapp Technology von B&R. Über I/O-Module oder direkt über eine Feldbus-Verbindung erfasst die Steuerung Betriebsdaten einer beliebigen Maschine. Aus diesen Daten erzeugen die Mapps Kennzahlen, zum Beispiel die Gesamtanlageneffektivität (OEE). Anwender können die gewonnenen Daten und Informationen mit OPC UA an übergeordnete Systeme und in die Cloud übertragen.Die Orange Box ist flexibel und modular. Um grundsätzliche Betriebsdaten zu erheben und zu analysieren, reichen eine 25-mm breite Kompaktsteuerung und die Software-Komponente Mapp OEE aus. Für weitere Funktionen – zum Beispiel Alarmmanagement oder Energie-Monitoring – gibt es weitere Software-Bausteine und gegebenenfalls Steuerungen mit höherer Performance. Soll auch die Bedienoberfläche an den aktuellen Stand der Technik angepasst werden, sind Panels mit integrierter Steuerung oder Panel PCs erhältlich

Retrofit unter Zeitdruck

Retrofit: Fast schon gespenstisch wirkt der Schaltschrank nach dem Retrofit. Eine Neuverkabelung war nicht nötig.

Fast schon gespenstisch wirkt der Schaltschrank nach dem Retrofit. Daniel Wallimann

Baumann stand vor der Herausforderung, die Anlage schnell wieder in Gang zu setzen. Allerdings konnte er nicht mehr auf die originalen Ersatzteile zurückgreifen. Prinzipiell gibt es für einen Retrofit, wie bei der Futtermittelanlage, zwei mögliche Ansätze: Bei der ersten Lösung sollte genügend Zeit vorhanden sein, sodass der Kunde alle seine Wünsche und Vorstellungen einbringen kann, zum Beispiel neue Funktionen, eine zeitgemäße Visualisierung und vieles mehr. Diese Anliegen analysiert der Retrofitter dann mit dem Kunden und skizziert ihm die Möglichkeiten.

Der zweite Ansatz kommt zum Einsatz, wenn der Zeitdruck besonders groß ist und der Kunde die Steuerung in kürzester Zeit ersetzen muss – so auch in diesem Fall. „Neben dem Problem, dass für die alte Steuerungsgeneration, keine Ersatzteile mehr vorhanden sind, ist auch der enorme Programmieraufwand nicht zu unterschätzen, soll der Code auf die neueste Generation übernommen werden“, erläutert Baumann. Ein weiteres Hinderniss liegt darin, dass die Steuerung mit den vorhandenen und für den Betrieb unersetzlichen Geräten harmonieren muss, etwa Umrichter oder Regler. Diese zu ersetzen, wäre oft schlichtweg zu teuer oder würde zusätzlichen Programmieraufwand erfordern.

Konverter übersetzt AWL- in C-Code

Um Aufwand und Kosten zu reduzieren, entwickelte Weibel einen Konverter, basierend auf der B&R-Software Automation Studio. In dieser Entwicklungsumgebung sind Werkzeuge für Projektabschnitte, wie Steuerung, Antrieb, Kommunikation oder Visualisierung bereits integriert. Indem er den AWL-Code in einen C-Code übersetzt, übernimmt der Konverter die Software einer alten Steuerung größtenteils. „Das bestehende Programm wird eingelesen und in einen fertigen Code umgewandelt“, so Baumann. Nun lassen sich die C-Files direkt im Automation Studio verwenden. So konnte Weibel & Partner die gesamte Steuerungshardware mit 750 I/Os in nur 60 Stunden wechseln, testen und in Betrieb nehmen.

Keine Neuverkabelung notwendig

Retrofit: Die X20-Steuerung spart Platz im Schaltschrank und vereinfachte so den Retrofit, da keine Neuverkabelung notwendig war.

Die X20-Steuerung spart Platz im Schaltschrank – ein positiver Nebeneffekt des Retrofit. B&R

Ein Retrofit ist dann sinnvoll, wenn eine alte Steuerung aus- sowie eine neue eingebaut wird und alle bisherigen Funktionen wieder identisch laufen müssen. Dies bietet für Kunden nicht nur finanzielle Anreize, auch die aktuelle Steuerungsgeneration braucht weniger Platz im Schaltschrank und die Entwicklungszeit der Software lässt sich reduzieren. „Da die Bauteile kleiner sind, konnte die Steuerung so platziert werden, dass wir die bestehende Verkabelung nicht anpassen mussten“, betont Baumann. „Ein großer Vorteil ist auch, sollte ein Bauteil kaputt gehen, haben wir sofort wieder Ersatz.“

Daniel Wallimann

freischaffender Journalist aus der Schweiz

(ml)

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