Bild 12 Henning Wriedt

(Bild: Henning Wriedt)

Die Schreibmaschine Gabriele.

Die Schreibmaschine Gabriele. Henning Wriedt

Jetzt vergessen Sie bitte mal für einige Minuten Ihr Smartphone, den Computer mit E-Mail und Textverarbeitung, das Fax und das gesamte Internet. Ich möchte Ihnen nämlich gerne meinen Arbeitsplatz Ende der 60er Jahre als Redakteur beim Elektronik-Journal schildern. Direkt vor mir auf meinem Bürotisch wartet die kleine Schreibmaschine Gabriele darauf, dass ich eilige Meldungen tippe, rechts davon türmt sich der Poststapel mit Pressemitteilungen, Katalogen, Firmenschriften und den Konkurrenzmagazinen und etwas weiter links liegt eine Stenorette mit den diktierten Magnetbandaufnahmen für meine Sekretärin. Ja, und dann noch das Telefon. That’s it.

Nachdem die monatlichen Texte abgesegnet waren, gingen sie per Bote in die Setzerei. Von dort kamen dann im Laufe der Tage die Druckfahnen für die Imprimatur zurück, die wir dann mit Schere und Kleber (Cut and Paste) in den Seitenumbruch übertragen haben – moderne Layout-Software war noch lange nicht erfunden. Wenn das alles getan war, ging die Redaktion ein paar Tage später in die Druckerei, um zu sehen, ob alles nach Programm verlief. Dabei war es sehr hilfreich, die Bleiplattenseiten in Spiegelschrift lesen zu können, um letzte Korrekturen anzubringen und nicht von den Setzern ausgelacht zu werden.

Was uns als Redakteure damals sehr schmerzte, war die Vorlaufzeit von bis zu sechs Wochen zwischen dem Empfang einer Neuheitsmeldung und ihrer Veröffentlichung im Magazin. Heute sind wir ja online gewissermaßen runter auf eine Minute.

Kennzifferzeitschriften

Ende der 60er Jahre etablierten sich die ersten Fachzeitschriften als Informationsvermittler zwischen Industrie und den technisch interessierten Lesern. Was die Firmen im Wesentlichen tun konnten, um potenzielle Kunden zu finden, waren teure Mailings per Briefpost oder Anzeigen in den Fachzeitschriften. Die Verlage stellten sich auf diese Situation schnell ein, wobei die Herausgeber von den Abo-Zeitschriften immer mit einem etwas verächtlichen Blick auf die Kennzifferzeitschriften schauten, die sich schnell ihren eigenen Markt schufen.

Diese Bestellkarte lag dem 25-Jahre-Jubiläumsheft bei.

Diese Bestellkarte lag dem 25-Jahre-Jubiläumsheft bei. Archiv

Doch Leser und Kunden nahmen das Kennziffersystem sofort an. Es war ja auch ganz einfach: Man kreuzte als Leser auf einer Postkarte die gewünschte Meldungsnummer an, schickte diese an den Verlag, der sie an die jeweiligen Verlagskunden weitergab. Dieser sendete Datenblätter, Broschüren und weitere Infos an den Leser. Sie können sich den Zeitverlust und den Aufwand hinter den Kulissen sicherlich gut vorstellen. Aber die Kennzifferzeitschriften hatten einen handfesten Vorteil: Die Kennziffer-Rückläufe zeigten dem Verlagskunden zum ersten Mal, wie sehr sich die Ingenieure für ein konkretes Thema interessierten, und die Redaktion konnte sehr genau verfolgen, welche Produkte gefragt waren und welche zum Ausgang tendierten. Dieses sehr wichtige Feedback hatten die Abo-Magazine nicht.

Die Kontakte zwischen der Redaktion und den Unternehmen waren damals sehr intensiv, wir Redakteure hatten dafür auch mehr Zeit als heute (keinen Online-Feed, nur Monatsausgabe). In diesen Jahren etablierte sich die Elektronikindustrie in Deutschland, mit vielen neuen Unternehmen und zahlreichen Distributoren, die den einschlägigen US-amerikanischen Herstellern das Tor zum deutschen Markt öffneten. Das war schon enorm interessant. Eigene Firmenbesuche waren quasi an der Tagesordnung. Und nicht zu vergessen die stetig wachsende Hannover-Messe.

Start des Silicon Valley

Das Phänomen des Silicon Valley begann wohl 1955 mit der Firma Shockley Transistor, aber erst nach der Gründung von Fairchild Semiconductor anno 1957 legte die Branche richtig los. In den 70er-Jahren gab es dann eine Lawine von neuen Halbleiterfirmen: National Semiconductor, Rheem Semiconductor, Raytheon Semiconductor, Signetics, Siliconix, American Microsystems, Intel, Precision Monolithics, AMD, Monolithic Memories, Litronix und Monsanto Electronics – die Liste ließe sich noch seitenweise ergänzen.

Klar, dass in der Industrie damals ein sehr großer Informationshunger auf vielen Ebenen herrschte. Wir Redakteure steckten mittendrin mit einer Flut von hochinteressanten Produkten sowohl für Konsumgüter als auch im Industriebereich. Nicht zu vergessen die Meldungen über Firmenneugründungen. Die einzige Konstante in der Elektronikindustrie war und ist der Wandel.

Voll integriert

Die Umstellung von diskreter auf integrierte Elektronik war für die Industrie anfangs ein recht gewagtes Unterfangen, denn sie musste viel Neues lernen und zuverlässige Herstellungsverfahren für ICs erfinden. Die Kunden waren den neuen Halbleiterfirmen und ihren jungen Managern gegenüber erkennbar reserviert, auch wenn die Hersteller ihre ICs (zum Beispiel TTL 7400) oft per Flugkurier lieferten. Man wusste ja nicht, ob die jeweilige Firma länger im Markt bleiben würde und ob die neuen Fertigungstechnologien bestehen bleiben. Um die Kunden zu beschwichtigen, beeilten sich die IC-Hersteller daher, mit passablen Konkurrenten Second-Source-Abkommen zu schließen – siehe die fast endlose Geschichte von Intel und AMD.

1969 erfanden Experten von Honeywell eine dynamische Speicherzelle mit drei Transistoren, die Intel dann aufgriff. Im Oktober 1970 stellte die 1968 gegründete Firma dann das erste DRAM vor (1103, 1024 x1). Der Chip war zwar sofort ein Hit, Intel litt in den ersten Monaten aber unter einer extrem schlechten Fertigungsausbeute. Erst im folgenden Jahr ging der 1103 in die Serienproduktion. Das war Intels erstes erfolgreiches pMOS-Produkt.

Intels erste 4004-Anzeige.

Intels erste 4004-Anzeige. Henning Wriedt

Schon 1971 produzierte Intel den ersten Mikroprozessor (4004) auf einem 2”-Wafer in einer 10-Mikron-Technologie mit etwa 2300 Transistoren für 1200 Kalkulationen pro Sekunde. Es dauerte aber noch bis Anfang 1980, als Intel die Speicher-ICs aufgab, weil japanische DRAM-Hersteller jeden US-Preis unterboten.

Vorbild Robert Noyce

Robert Noyce, junger Halbleiterexperte bei Shockley Transistor in 1955, verließ das Unternehmen in 1957, gründete mit acht weiteren Shockley-Kollegen die Fairchild Semiconductor. Er entwickelte sich schnell zu einem der Schlüsselfiguren des Silicon Valley, nicht nur in Sachen zukunftsweisender Technologien, sondern auch im Management moderner Jungunternehmen. Man denke nur an die flachen Hierarchiestufen dieser Halbleiterfirmen und den saloppen Umgangston. Trotzdem wurde dort sehr hart gearbeitet.

Robert Noyce und Jack Kilby von Texas Instruments arbeiteten damals zeitgleich an der Entwicklung der Planartechnologie, Grundlage des integrierten Schaltkreises. Noyce gehörte 1968 zu den drei Gründern von Intel. Wer mehr über die Person Robert Noyce und seinen markanten Einfluss auf das Silicon Valley erfahren will, der sollte den Artikel „The Tinkerings of Robert Noyce – How the sun rose on the Silicon Valley“ lesen, den der US-amerikanische Autor Tom Wolfe im Dezember 1983 für die Zeitschrift Esquire schrieb.

Was ist geblieben?

Das Internet hat mit seiner elektronischen Kommunikation die Gemengelage deutlich verändert. Die Industrie kann mit potenziellen Kunden direkt, schnell und professionell kommunizieren. Trotzdem hält sich gerade in Deutschland der Fachzeitschriftenmark wacker: Diese Art der Informationsvermittlung ist bei den Lesern weiter sehr beliebt, ergänzend zu den umfangreichen Online-Angeboten.

Ich bin sehr froh, dass ich den Aufstieg der Elektronikindustrie von den 60er Jahren bis heute als Journalist für Fachzeitschriften miterleben und darüber berichten konnte – eine für mich immer noch faszinierende Epoche.

Henning Wriedt

(Bild: Henning Wriedt)
Redakteur in der Anfangszeit beim Elektronik-Journal, später auch Chefredakteur.

(lei)

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