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Bild 1: Ein typisches Beispiel eines Web-basierten Produktauswahlwerkzeugs, das nur Baustein-bezogene Parameter auf Grundlage standardisierter Testbedingungen zur Verfügung stellt.

Bild 1: Ein typisches Beispiel eines Web-basierten Produktauswahlwerkzeugs, das nur Baustein-bezogene Parameter auf Grundlage standardisierter Testbedingungen zur Verfügung stellt.International Rectifier

In jüngerer Zeit wurde der typische Produktentwicklungszyklus kürzer, während die Produktangebote der Unternehmen zahlreicher und stärker auf die eine oder andere Anwendung zugeschnitten wurden. Die Entwicklungsteams von heute müssen zudem einen zunehmenden Teil ihrer Ressourcen den Compliance-Problemen widmen. Diese zusätzlichen Anforderungen gehen häufig zulasten des Endstufen-Designs, das sowohl elektrische als auch thermomechanische Probleme umfasst und oft arbeitsintensive Arbeiten im Labor notwendig macht.

Nachdem ihnen keine Möglichkeiten zur Verfügung stehen, neue Entwicklungen unter Einsatz der modernsten Leistungsbausteine zu evaluieren, können die Entwickler in Versuchung geraten, weiterhin mit einer bekannten und qualifizierten Lösung unter Verwendung älterer und weniger effizienter Bausteine zu arbeiten. Das kann sich aber nachteilig auf das Endprodukt auswirken, weil beispielsweise ein relativ großer und teurer Kühlkörper erforderlich ist, der bei Einsatz eines neueren Designs auf Basis modernerer Leistungshalbleitertechnologien kleiner ausgeführt werden oder sogar entfallen könnte.

Anwendungsorientierte Tools

Auf einen Blick

Neue Leistungshalbleitergenerationen können zu einer Reduzierung von Größe und Kosten einer Gesamtlösung beitragen und gleichzeitig eine verbesserte Zuverlässigkeit und Effizienz bieten. Allerdings kann Zeitdruck die Entwickler davon abhalten, neue Möglichkeiten zu untersuchen, und die Wiederverwendung älterer Designs begünstigen. Die Konsequenzen schlagen sich in einer sub-optimalen Performance des Endprodukts nieder. Die modernsten Generationen von Web-basierten Tools gewährleisten eine effektive Beschleunigung der Stromversorgungsentwicklung und können Ingenieuren helfen, die jüngsten Technologien in neuen Produktentwicklungen zu nutzen.

Online-Design-Tools haben das Potenzial, zur Beschleunigung der Leistungsstufen-Entwicklung beizutragen, jedoch ist eine grundsätzliche Web-basierte Bauteilauswahl nur von begrenztem Wert. Ein typisches Beispiel, wie in Bild 1 dargestellt, führt zwar eine Reihe von Schlüsselparametern auf, aber die Wärmeumgebung oder die Betriebsfrequenz finden keinerlei Beachtung.

IR‘s Web-basiertes Tool bietet einen wertvollen Fortschritt, denn es ermöglicht die Analyse kritischer Anwendungsparameter wie Temperatur und Frequenz. In den ursprünglichen Versionen berechnete ein Prozessor im Hintergrund die Sperrschichttemperatur im Betrieb unter einer Reihe von Betriebsbedingungen, die zwar einfach, aber repräsentativ waren. Das jüngste Release schließt die Lücke zwischen der Wärmeumgebung und dem Baustein selbst noch mehr; es bietet eine erweiterte Funktionalität, mit deren Hilfe sowohl der Wärmewiderstand des Kühlkörpers als auch der Wärmewiderstand der oberflächenmontierten Bauteile in die Berechnung mit einbezogen wird.

Die Bilder 2 bis 6 zeigen, wie das Tool bei der Entwicklung eines kleinen Motorantriebs für eine Anwendung wie ein Haushaltsgerät zur Bewertung mehrerer zur Wahl stehender IGBTs und Design-Lösungsansätzen beitragen kann.

Die Gehäusekennwerte und die elektrischen Betriebsbedingungen werden in die entsprechenden Kästchen eingetragen, einschließlich der üblicherweise geforderten Kurzschlussfestigkeit von 10 µs. Festgelegt wird ein einfacher Kühlkörper-Clip, der an der Dreiphasenbrücke befestigt ist, und sein Wärmewiderstand von 12 °C/W wird eingegeben.

Bild 2: Der Evaluierungsprozessor verwendet die in diesen Bildschirm eingegebenen Informationen, um die Bausteine auszuscheiden, welche die vorgeschriebene Sperrschichttemperatur unter den spezifizierten Betriebsbedingungen überschreiten.

Bild 2: Der Evaluierungsprozessor verwendet die in diesen Bildschirm eingegebenen Informationen, um die Bausteine auszuscheiden, welche die vorgeschriebene Sperrschichttemperatur unter den spezifizierten Betriebsbedingungen überschreiten.International Rectifier

Das Tool berechnet mithilfe dieser Daten die Leistungsverluste bei den spezifizierten Applikationsbedingungen. Nur diejenigen Bausteine, die mit einer Sperrschichttemperatur unter einem voreingestellten Grenzwert arbeiten, werden als potenzielle Kandidaten ausgegeben. Die Temperaturgrenze ist gleich der maximalen Nenn-Sperrschichttemperatur, und diese liegt unter dem in Bild 2 eingegebenen Derating. Man sollte sich stets vor Augen halten, dass die Werte für Leistungsverluste und Temperatur nicht absolut sind und lediglich zum Vergleich potenzieller Kandidaten herangezogen werden sollten.

Die vier IGBTs, die den in Bild 2 eingegebenen Anforderungen entsprechen, werden in Bild 3 aufgelistet. Sie sind nach der Betriebs-Sperrschichttemperatur klassifiziert, die selbstverständlich eng mit dem Wirkungsgrad zusammenhängt.

Bild 3: Vier IGBTs entsprechen den in Bild 2 eingegebenen Kriterien. Sie sind nach der Betriebs-Sperrschichttemperatur klassifiziert – ein Wert, der eng mit dem Wirkungsgrad verbunden ist.

Bild 3: Vier IGBTs entsprechen den in Bild 2 eingegebenen Kriterien. Sie sind nach der Betriebs-Sperrschichttemperatur klassifiziert – ein Wert, der eng mit dem Wirkungsgrad verbunden ist.International Rectifier

Das Tool kann zur Untersuchung von Alternativlösungen herangezogen werden, zum Beispiel Oberflächenmontage ohne einen Kühlkörper. Das Design wird im Hinblick auf das spezifizierte oberflächenmontierte DPAK-Gehäuse und einen Wärmewiderstand gegenüber der Umgebung von 40 °C/W überarbeitet. Das ist repräsentativ für eine Leiterplatte mit einem Kupferlaminat von 4…6 Unzen (112…168 g) sowie Vias unter den IGBTs. Sämtliche anderen Betriebsbedingungen bleiben unverändert.

In diesem Fall gibt das Tool die beiden in Bild 4 aufgeführten IGBTs aus. Die Verlustleistung liegt nahe bei jener der IGBTs in Bild 3, jedoch sind die DPAK-Bausteine, weil sowohl Gehäuse als auch Chip kleiner sind, höchstwahrscheinlich weniger teuer. Die Sperrschichttemperatur mag etwas höher sein, doch sie hält sich innerhalb der Grenzen des Ratings der Sperrschicht sowie der Möglichkeit der Leiterplatte.

Bild 4: Die in Bild 2 dargestellten Eingaben wurden verändert; selektiert werden oberflächenmontierte IGBTs. Ausgegeben werden Bausteine, die wahrscheinlich weniger teuer sind als die in Bild 3 gezeigten.

Bild 4: Die in Bild 2 dargestellten Eingaben wurden verändert; selektiert werden oberflächenmontierte IGBTs. Ausgegeben werden Bausteine, die wahrscheinlich weniger teuer sind als die in Bild 3 gezeigten.International Rectifier

Eine Verkürzung der Kurschluss-Anforderung von 10 µs auf 5 µs (das liegt ausreichend innerhalb der Ansprechzeit typischer Strommess-ICs) kann helfen, andere geeignete Bausteine zu identifizieren, die den Ansprüchen dieser Anwendung genügen. Diesmal gibt das Tool dieselben beiden IGBTs aus wie in Bild 4 zu sehen, sowie zusätzlich einen neuen IGBT (Bild 5), der eine geringere Verlustleistung sowie ein niedrigere Sperrschichttemperatur hat. Es überrascht sicher nicht, dass es sich bei diesem effizienteren IGBT um einen neueren Baustein in Trench-Technologie handelt, während die anderen beiden in Planar-Technologie hergestellt werden.

Bild 5: Eine Erweiterung der Anforderungen an die Kurzschlussfestigkeit führt dazu, dass das Tool effizientere und kostengünstigere Bausteine vorschlägt.

Bild 5: Eine Erweiterung der Anforderungen an die Kurzschlussfestigkeit führt dazu, dass das Tool effizientere und kostengünstigere Bausteine vorschlägt.International Rectifier

Die allerneueste Version des Tools, die soeben freigegeben wurde, ermöglicht es den Ingenieuren, ihre Analyse durch den Vergleich der relativen Leistung der vorgeschlagenen IGBTs noch einen Schritt weiter zu treiben, um auf diese Weise noch mehr über deren Fähigkeiten herauszufinden.

Die in Bild 6 dargestellten Kurven werden durch Anklicken des Kästchens links von jeder Bauteilnummer sowie des Schaltfelds „Current v. Frequency Chart“ generiert. In den vorhergehenden Abbildungen waren Strom und Frequenzen nicht festgelegt. Man beachte, dass in diesem Diagramm die Sperrschichttemperatur festgelegt ist, während die Temperatur abgetastet wird und der Strom das Endergebnis darstellt.

Verfeinerung des Designs

Bild 6: Die Strom-vs.-Frequenzkurve vermittelt einen Schnappschuss der Leitungs- und Schalt-Performance und erleichtert dadurch den Vergleich von Bausteinen.

Bild 6: Die Strom-vs.-Frequenzkurve vermittelt einen Schnappschuss der Leitungs- und Schalt-Performance und erleichtert dadurch den Vergleich von Bausteinen.International Rectifier

Wie Bild 6 zu entnehmen ist, macht das Tool sehr deutlich, dass der IRGR4045 weitaus bessere Leitungskennwerte aufweist als die anderen beiden IGBTs, weil er bei niedrigen Frequenzen mit wesentlich mehr Strom belastet werden kann. Außerdem wird klar, dass die Strombelastbarkeit rascher abnimmt als die Frequenz zunimmt, was auf höhere Schaltverluste hinweist. Wie erfahrene Entwickler sehr wohl wissen, führt schnelles Schalten häufig zu EMI-Problemen und bringt nicht notwendigerweise konkrete Vorteile mit sich, insbesondere in Motorantrieben.

Darüber hinaus gibt die dargestellte Tabelle Hinweise auf die Betriebs-Sperrschichttemperatur und die Verlustleistung. Die Diagramme gelten für eine Sperrschichttemperatur, bei der 25 °C vom Maximalwert abgezogen wurde, entsprechend dem im ersten Bildschirm gemachten Eintrag. Der Nennwert des IRGR4045 beträgt 175 °C, während der der anderen bei 150 °C liegt. Das ist einer der Gründe, weshalb die Kurve des IRGR4045 so viel höher liegt als die der anderen beiden.

In der Praxis würden es die Einschränkungen der Leiterplatte verhindern, dass der Muster-Motorantrieb das höhere Temperatur-Rating des IRGR4045 ausnutzt. Allerdings hat der IRGR4045, wie in Bild 5 zu sehen, die niedrigste Betriebstemperatur in dieser spezifischen Applikation. Daraus ergibt sich ein weiterer Optimierungstipp: Der Wegfall von Vias auf der Leiterplatte und die Verwendung von 4-Unzen-Kupfer kann die Kosten der Materialliste etwas senken. Die Auswirkungen auf Verluste und Temperatur lassen sich überprüfen, indem man zum Bausteinauswahlwerkzeug zurückkehrt, den Wärmewiderstand von 40 °C/W auf angenommen 50 °C/W erhöht und sich die Ergebnisse erneut vornimmt.

Dieses Beispiel zeigt, wie sich das jüngste Release dieses Web-Tools als Hilfe für Entwickler bei der Bewertung der Gesamt-Performance ihrer Stromversorgungssysteme sowie der Optimierung der Entwicklungen hinsichtlich Kosten, Wirkungsgrad und Zuverlässigkeit als effektiver erweist.

Tools der Zukunft

Nach wie vor können die derzeit modernsten Web-basierten Leistungs-Design-Tools noch weiter verbessert werden. IR hat dabei zwei Schlüsselbereiche für die Weiterentwicklung ausgemacht. Der eine besteht darin, eine noch repräsentativere Berechnung der Tastverhältnisse und Verluste des Wandlers zu erreichen. Im Schaltbild von Bild 6 sind die Verluste für einen Abwärtswandler berechnet, der mit einem Tastverhältnis von 50 Prozent im Continuous-Current-Mode arbeitet. Dabei sperrt die zusammen mit dem IGBT im Gehäuse untergebrachte Diode. Die Komplementärdiode hingegen ist leitend, und ihre Verluste werden nicht berechnet.

Die für den oberen Baustein berechnete Sperrschichttemperatur ist immer noch formal richtig, weil seine Diode nicht leitet, doch ist die Berechnung nicht repräsentativ für eine Real-Life-Anwendung, weil das Tastverhältnis höher oder niedriger sein könnte und sich die Verluste dementsprechend verändern.

Um diese Einschränkung zu überwinden hat IR mit der Entwicklung von anwendungsspezifischen Tools begonnen. Dadurch entsteht die Möglichkeit, eine Reihe von zusätzlichen Faktoren mit in die Betrachtung einzubeziehen, zum Beispiel die Auswirkungen unterschiedlicher Modulationsstrategien oder die Tatsache, dass ein IGBT in einem Motorantrieb lediglich während eines halben Zyklus der Motorstroms leitet, währen seine Diode während der anderen Hälfte durchlässt. Ein speziell für Motorantriebe entwickeltes Tool würde all diese Faktoren mit berücksichtigen, ohne dabei die Wärmeumgebung zu vernachlässigen. Es würde das Tastverhältnis auf Grundlage des vom Anwender eingegebenen Modulations-Index und Leistungsfaktors errechnen.

Die zweite Verbesserung beschäftigt sich mit der Tatsache, dass sich die Wärmeumgebung mit Wärmewiderstandszahlen nicht sauber charakterisieren lässt, weil Wärme nicht linear von Punkt zu Punkt fließt, sondern sich – getrieben durch die Temperaturdifferenz – in alle Richtungen ausbreitet. So etwas wie eine „Kühlkörpertemperatur“ oder eine „Sperrschichttemperatur“ gibt es überhaupt nicht; stattdessen finden eine Temperaturverteilung auf der Oberfläche einer Sperrschicht sowie eine dreidimensionale Temperaturverteilung innerhalb eines Kühlkörpers statt.

Die Analyse-Tools, die zur genauen Modellierung einer Wärmeumgebung benötigt werden, stehen bereits in Form von FEA-Engines zur Verfügung, die in das Tool eingebettet werden können. Die Herausforderung besteht darin, einen geeigneten Satz von Kühlkörpermodellen zu schaffen. Derartige Modelle werden in besonders anspruchsvollen Bereichen entwickelt, so etwa für den Kraftfahrzeugsektor. Der weitere Weg nach vorn besteht darin, diese Modelle zu standardisieren und sie für allgemeine Applikationen besser nutzbar zu machen.

Steve Clemente

ist Senior Technologist bei International Rectifier Corp.

(jj)

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