Siemens_Analgobaugruppe_Simatic_Joghurtbecher

(Bild: Siemens)

Die Herstellung von Spezialglas – hier Beispiel Solarfarm – Baugruppen, die einen breiten Temperaturbereich abdecken und dennoch präzise sind.

Die Herstellung von Spezialglas – hier Beispiel Solarfarm – Baugruppen, die einen breiten Temperaturbereich abdecken und dennoch präzise sind. Siemens

Während das Erfassen von analogen Messwerten wie Druck oder Temperatur in der Vergangenheit vor allem eine Domäne prozesstechnischer Anlagen war, setzen Anwender die Technologie auch in der Fertigungstechnik und im allgemeinen Anlagenbau immer häufiger ein. Steigende Anforderungen an Genauigkeit und Robustheit solcher Baugruppen begleiten diesen Trend. Um beispielsweise Glas herzustellen, wird geschmolzenes Siliziumdioxid benötigt. Da Glas bei rund 600 °C zu schmelzen beginnt und erst zwischen 1 400 bis 1 500 °C flüssig wird, steigen die Temperaturen im Verarbeitungsprozess je nach Glasart auf über 2 000 °C. Obwohl für alle Glasarten das gleiche Ausgangsmaterial zum Einsatz kommt, fallen je nach Endprodukt teils aufwendige und Präzision erfordernde Prozessschritte an: Das Spektrum reicht dabei von einfachem Gebrauchsglas bis hin zu Spezialglas für optische oder medizinische Geräte. Ist das Produkt fertig geformt, muss es definiert abgekühlt werden. Bei großen Spiegeln, die beispielsweise in Teleskopen oder Solaranlagen verbaut sind, kann sich dieser Prozess über Monate erstrecken. Über den gesamten Fertigungsprozess muss die Temperaturregelung sehr genau erfolgen, denn bereits kleinste Fehler reichen aus, um das Glas zu zerstören. Spannungen im Material, die durch zu schnelles Abkühlen entstehen, können das Glas zum Springen bringen.

Technik im Detail

Für die Simatic S7-1500 gibt es drei neue Analogbaugruppen.

Für die Simatic S7-1500 gibt es drei neue Analogbaugruppen. Siemens

Die drei Analogbaugruppen AI 8xU/I HF (für Strom- und Spannungsmessung), AQ 4xU/I HF (Analog-Ausgabe für Strom und Spannung) sowie AI8xU/R/RTD/TC HF (Temperaturmessung) besitzen eine Auflösung von 16 Bit, eine Genauigkeit von 0,1 % und sind robust gegenüber Übersprechen, elektromagnetischen Störungen oder Potenzialverschiebungen der Kanäle untereinander. Zusätzlich verfügt die Temperaturmessbaugruppe über einen neunten Kanal zur Kompensation sowie über eine Kennlinien-Linearisierung nach dem russischen Gost-Standard. Die Analogbaugruppen sind sowohl mit einer CPU als auch dezentral über Profinet oder Profibus mit den Interface-Modulen der ET 200MP einsetzbar. Sie wurden so realisiert, dass Anwender sie einfach montieren, verdrahten und in Betrieb nehmen können. Durch Einbindung in das TIA-Portal wird ein relativ einfaches und schnelles Engineering möglich. Vorselektion und Plausibilisierung von Parameterwerten vermeidet zudem Fehler bei der Projektierung.

An die Baugruppe zur Temperaturmessung (AI 8xU/R/RTD/TC HF) lassen sich verschiedene Typen an Widerstandsthermometern (RTD) und Thermoelementen (TC) anschließen. So deckt sie die für den gesamten Prozess der Glasherstellung notwendigen Temperaturbereiche ab und Anwender brauchen nur noch einen Baugruppentyp zu verwenden – unabhängig davon, ob die Messung bei 1 500 °C stattfinden soll – oft kommt hier der Typ TC B zum Einsatz – oder bei Raumtemperatur (bislang mit RTD Pt100). Dies vereinfacht die Ersatzteilhaltung und sorgt für eine höhere Anlagenverfügbarkeit, da die Baugruppen beliebig getauscht werden können. Die Gebrauchsfehlergrenze der Baugruppe liegt je nach Messart und Messbereich zwischen 0,5  und 2 K.

Schnelle Temperaturerfassung in der Verpackungsindustrie

Anders als bei der Glasherstellung kommt es in der Verpackungsindustrie auf hohe Taktraten und Schnelligkeit an: Bei Joghurt oder Kaffeekapseln verschmilzt der jeweilige Aluminiumdeckel mit dem Plastik- oder Aluminiumbecher, indem er auf den Becher gepresst und kurzzeitig stark erhitzt wird. Bei diesem Vorgang kommt es innerhalb weniger Millisekunden kurzzeitig zu einem steilen Anstieg der Temperatur. Um hier einerseits eine feste Verbindung zwischen Becher und Deckel zu erhalten, andererseits aber nicht zu stark aufzuheizen, muss die Temperatur exakt erfasst werden.  Die Temperaturmessbaugruppe hat für diesen Zweck einen sogenannten Fast Mode. In diesem Modus ist die Baugruppe doppelt so schnell wie im Standardmodus und liefert für ihre acht Kanäle alle 4 ms einen neuen Temperaturwert. Auflösung und Genauigkeit bleiben dabei konstant. Somit kann die Baugruppe auch schnelle Änderungen der Temperatur erfassen.

Unterstützung des Gost-Standards für den russischen Markt

Durch die richtige Vorauswahl der Parameter und deren Plausibilisierung im TIA-Portal werden bereits während der Eingabe Fehler bei der Projektierung vermieden.

Durch die richtige Vorauswahl der Parameter und deren Plausibilisierung im TIA-Portal werden bereits während der Eingabe Fehler bei der Projektierung vermieden. Siemens

In den vergangenen Jahren haben sich weltweit unterschiedliche Standards gebildet und Regionen wie Europa, die USA oder Russland verlangen unterschiedliche Normen. Aufgrund der langen Ost-West-Trennung hat sich beispielsweise der russische Gost-Standard (Gossudarstwenny-Standard) etabliert. Entsprechend hoch sind deshalb die Verbreitung und die installierte Basis von Sensoren, die Gost entsprechen. Bei der Thermoelementmessung gibt es verschiedene Temperatursensoren, beispielsweise Typ B oder E – für den russischen Markt Typ Txk. Je nach Typ sorgen zwei unterschiedliche Metalle für die Entstehung der Thermospannung (Seebeck-Effekt). Ebenso eignen sich die Sensoren für unterschiedliche Messbereiche; ihre Kennlinien sind sehr unterschiedlich.

In der Analogeingabebaugaugruppe AI8xU/R/RTD/TC HF findet dagegen eine Kennlinien-Linearisierung statt. Dazu muss in der Baugruppe die Kennlinie des Temperatursensors exakt abgebildet sein, was entweder über eine Messwerttabelle oder über einen Polygonzug erfolgt. Nur wenn Baugruppe und Sensortyp zusammenpassen, kann der gemessenen Thermospannung auch der korrekte Temperaturwert zugeordnet werden. Andernfalls kommt es zu Fehlmessungen. Was bei Thermoelementen über die Auswahl des geeigneten Typs erfolgt, geschieht bei der Messung mit Widerstandsthermometer (RTD) über den Temperaturkoeffizienten (Alpha-Wert). Auch hier haben sich in den regionalen Standards unterschiedliche Werte etabliert und im Engineering-Tool muss der richtige Temperaturkoeffizient des Sensors ausgewählt werden. Das TIA-Portal bietet zum Beispiel für das Widerstandthermometer Cu10 nur die Werte an, die für Cu10 zulässig sind. Die Auswahl ist einfacher und übersichtlicher, um Fehleingaben zu vermeiden.

Lange Leitungslängen für Retrofit

Bei Umbau und Erweiterung bestehender Anlagen müssen oft sehr lange Leitungen beherrscht werden und die Potenzialverhältnisse sind unklar. Entsprechend robust müssen die eingesetzten Baugruppen sein.

Bei Umbau und Erweiterung bestehender Anlagen müssen oft sehr lange Leitungen beherrscht werden und die Potenzialverhältnisse sind unklar. Entsprechend robust müssen die eingesetzten Baugruppen sein. Siemens

Nicht nur der Temperaturmessbaugruppe, sondern allen drei Baugruppen gemein ist, dass sie sehr robust sind. So liegen zum Beispiel die Immunität gegen Übersprechen sowie die Störspannungsunterdrückung bei Gleichtakt- und Gegentaktstörungen bei 80 dB. Eine Störspannungsunterdrückung von 80 dB bedeutet, dass ein von außen eingekoppeltes Störsignal um den Faktor 10 000 unterdrückt wird. Ein Störsignal von 100 V macht sich auf der Baugruppe mit nur 10 mV bemerkbar.

In diesem Zusammenhang ist die sogenannte Common-Mode-Spannung ein weiterer wichtiger Wert: Er gibt an, wie stark sich die Potenziale der einzelnen Kanäle gegeneinander verschieben dürfen, ohne dass es zu Verfälschungen der Messwerte kommt. Ursachen dieser Verschiebungen können statischer oder dynamischer Natur sein – statisch zum Beispiel aufgrund sehr langer Leitungen oder schlechter Erdung infolge von felsigen Böden; dynamisch durch Einkopplungen von EMV-Störungen, beispielsweise von Antrieben, die im gleichen Schaltschrank installiert sind. Im letzteren Fall wirken diese Störungen nur, solange der Antrieb läuft. Bei abgeschaltetem Antrieb sind keine Beeinflussungen spürbar. Bei den Baugruppen beträgt der zulässige Wert der Common-Mode-Spannung durchgängig DC 30 V/AC 60 V.

Aufgrund der hohen Werte für die Störspannungsunterdrückung sowie der hohen Common-Mode-Spannung eignen sich die Baugruppen auch für die Erweiterung von Anlagen und deren Retrofit. In solchen Applikationen sind nach vielen Jahren Betriebszeit die Potenzialverhältnisse oft unklar oder Erdung beziehungsweise Potenzialausgleich haben sich aufgrund von Korrosion verschlechtert. Dann werden Baugruppen benötigt, die auch hohe Potenzialunterschiede zwischen den Kanälen aushalten.

Weiterhin praktisch für den Einsatz im Retrofit sind die großen zulässigen Leitungslängen. In alten Anlagen ist wenig dezentralisiert und die klassische Parallelverdrahtung kommt zum Einsatz, das heißt alle Signalleitungen führen tatsächlich aus dem Feld einzeln vom Sensor direkt an die Baugruppe im Schaltschrank. Leitungslängen von mehreren hundert Metern sind keine Seltenheit. Die Temperaturmessbaugruppe ist so ausgeführt, dass sie bei der Spannungsmessung bis zu 800 m Leitungslänge zulässt. In den Messarten Widerstand (R), Widerstandsthermometer (RTD) und Thermoelement (TC) sind bis zu 200 m möglich.

Schirmkonzept für störungsfreie Signalerfassung und -ausgabe

Einspeiseelement, Schirmbügel und Schirmklemme bilden bei der integrierten Schirmung eine Einheit. Die Signalleitungen werden auch im Schaltschrank geschirmt.

Einspeiseelement, Schirmbügel und Schirmklemme bilden bei der integrierten Schirmung eine Einheit. Die Signalleitungen werden auch im Schaltschrank geschirmt. Siemens

Um die beschriebenen Eigenschaften (wie Auflösung und Genauigkeit, schnelle Temperaturerfassung, sehr lange Leitungen) ausnutzen zu können, ist es notwendig, die Baugruppen störsicher aufzubauen. Dazu gehört eine zuverlässige Schirmung der Signalleitungen. Die Baugruppen besitzen deshalb ein integriertes Schirmkonzept, das aus einem separaten Einspeiseelement für die Versorgung der Baugruppe, einem Schirmbügel und der Schirmklemme besteht. Die separate Versorgung der Baugruppe über ein Einspeiseelement sorgt für eine Trennung der 24-V-DC-Versorgung von den eigentlichen Messsignalen. Störungen auf den 24 V wirken sich somit nicht auf die Messwerte aus. Die eigentliche Schirmung erfolgt über den Schirmbügel und die Schirmklemme unmittelbar an der Baugruppe; die Leitungen werden also komplett geschirmt geführt – auch im Schaltschrank. Alle drei Elemente bilden mit dem Frontstecker der Baugruppe eine Einheit, was zusätzliche Anbauten oder Konstruktionen im Schaltschrank für das Auflegen der Schirme überflüssig macht.

Norbert Brousek

ist Produktmanager Factory Automation bei Siemens in Nürnberg.

(mns)

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