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Bild 1: Während die UV-Strahlung von der Hornhaut absorbiert wird, gelangt blaues Licht in das Auge bis zur Netzhaut. (Bild: Instrument Systems)

Eckdaten

Derzeit werden weltweit Anstrengungen unternommen, den technischen Report IEC TR 62778 auf das Niveau eines neuen Standards zu heben, indem detaillierte und leichter umsetzbare Messverfahren beschrieben werden. Der Artikel stellt diese Methoden mit ihren Vor- und Nachteilen vor und vergleicht sie bezüglich ihrer Qualität mit praxisorientierten Messverfahren.

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Bild 2: Bewertungsleitfaden für Blaulichtgefährdung als Flussdiagramm basierend auf dem technischen Report IEC TR 62778 Instrument Systems

Die schnell wachsende Bedeutung der modernen Festkörperbeleuchtungstechnologie (Solid State Lighting, SSL) in unserem täglichen Umfeld wirft wichtige Sicherheitsaspekte auf, wie die photobiologische Sicherheit und insbesondere die Blaulichtgefährdung  (Blue Light Hazard, BLH). Die aktuelle internationale Norm IEC 62471 enthält Leitlinien zur Bewertung der photobiologischen Sicherheit von Lampen und Lampensystemen. Allerdings stellt sie sehr hohe Anforderungen an Messgeräte und -verfahren, um eine zuverlässige Bewertung zu gewährleisten.

Die Norm nennt zwei Gesundheitsrisiken, die durch sichtbares Licht verursacht werden können. Intensives Licht kann zu Netzhautverbrennungen führen. Eine Gefahr, die durch normales aversives Verhalten leicht zu vermeiden ist. Blaues Licht zwischen 400 und 500 nm verursacht jedoch photochemische Schäden an der Netzhaut (Bild 1). Diese sogenannte Blaulichtgefährdung führt möglicherweise zu einer Degeneration der Makula und ist für normale Benutzer nur schwer einzuschätzen.

Zur effektiven Bewertung der Blaulichtgefährdung gibt die Norm eine Gewichtungsfunktion vor, mit der die spektralen Messdaten multipliziert werden. Die Funktion deckt den Wellenlängenbereich zwischen 300 und 700 nm ab und hat ein Maximum bei 435 bis 440 nm. In Anbetracht des charakteristischen blauen Peaks bei weißen LEDs stellt sich die Frage nach der Gefährlichkeit von SSL-Quellen von selbst. Abhängig von der mit der Blaulichtgefährdungsfunktion bewerteten Strahldichte LB und der daraus berechneten maximalen Expositionszeit tmax teilt die IEC 62471 Lichtquellen in vier Risikogruppen von 0 bis 3 ein (Tabelle 1).

Tabelle 1: Risikogruppen bezüglich der Blaulichtgefährdung der Netzhaut 

Nummer der

Risikogruppe

Name der

Risikogruppe

LB Grenzwert

[W/m²sr]

Dazugehöriges

 tmax

RG 0 Ausnahme ≤ 100 > 10 000 s
RG 1 Niedriges Risiko 100 – 10 000 100 – 10 000 s
RG 2 Moderates Risiko 10 000 – 4 000 000 0.25 – 100 s
RG 3 Hohes Risiko > 4 000 000 < 0.25 s

 

Ergänzend erklärt der IEC Technical Report 62778, wie die Norm für eine BLH-Beurteilung von Lampen und Leuchten mit sichtbarer Strahlung angewendet wird. Weltweit werden aktuell Anstrengungen unternommen, diesen Report auf das Niveau eines neuen Standards zu heben. Das Ziel ist die Beschreibung detaillierter Messverfahren für die BLH-Bewertung, die einer breiten Gemeinschaft zugänglich sind.

Lichtquellen in den Risikogruppen RG 0 und RG 1 gelten als sicher und erfordern kein Sicherheitslabel. Die Risikogruppe RG 3 ist für SSL äußerst unwahrscheinlich. Somit ist die zu lösende Aufgabe folgende: Stelle fest, ob die Quelle die Emissionsgrenze für RG 1 in einem Abstand von 200 mm und einem Sichtfeld von 11 mrad überschreitet (Bild 2 erläutert die zu überprüfenden Vorgaben). Für Quellen, die größer sind als das Sichtfeld von 11 mrad (was einem Messfleck mit 2,2 mm Durchmesser entspricht), sollte eine spektrale Strahldichtemessung durchgeführt werden. Andernfalls wird eine spektrale Bestrahlungsstärkemessung für kleine Quellen empfohlen. Wenn die mit der Blaulichtgefährdungsfunktion gewichtete Strahldichte (oder Bestrahlungsstärke) den Grenzwert für RG 1 überschreitet, sollte zusätzlich die Schwellenbeleuchtungsstärke Ethr als Grenze zwischen RG 1 und RG 2 festgelegt und im Datenblatt für LED-Komponenten oder Lampen angegeben werden. Mit der Kenntnis von Ethr kann der Schwellenabstand dthr für das Endprodukt bestimmt werden.

Welches Messverfahren ist geeignet?

Eine korrekte Risikobewertung ist eine herausfordernde Aufgabe für den Experimentator. Es fängt mit der Wahl des geeigneten Testequipments an. Heutzutage ist das Messinstrument der Wahl häufig ein Array-Spektrometer anstelle des nach der Norm IEC 62471 vorgeschlagenen, schwer zu handhabenden Doppelmonochromators. Aber auch Highend-Array-Spektrometer müssen über fortschrittliche Streulichtkorrekturmethoden verfügen, um die erforderliche hohe Messdynamik zu erreichen. Dies ist besonders im weniger empfindlichen blauen Bereich wichtig. Sorgfältig ausgelegte Testadapter sind erforderlich, um eine korrekte und reproduzierbare Testgeometrie sicherzustellen. Mit diesen Geräten können Prüflabore, die nach ISO 17025 akkreditiert sein sollten, zuverlässig die Risikoklasse von Beleuchtungsprodukten bestimmen.

Die IEC 62471 schlägt zwei Hauptmessverfahren für die BLH-Bewertung vor: eine direkte spektrale Strahldichtemessung mit einem optischen System und eine alternative Methode als Bestrahlungsstärkemessung mit einem genau definierten Sichtfeld.

Direkte spektrale Strahldichtemessung

Die direkte Messung der spektralen Strahldichte kann mit einer optischen Teleskopsonde in Kombination mit einem auf spektrale Strahldichte kalibrierten Array-Spektrometer realisiert werden. Eine Teleskopoptik mit Sucherkamera ermöglicht eine einfachere Positionierung und schnellere Bestimmung der BLH für Lichtquellen, die keine Strahlung unter 360 nm aufweisen, da die Linse für die UV-Strahlung nicht durchlässig ist. Um IEC 62471 zu erfüllen, kann daher eine zusätzliche Messung mit einer anderen für den UV-Bereich geeigneten Optik erforderlich sein, um nachzuweisen, dass keine UV-Strahlung vorliegt. Andererseits decken IEC TR 62778 und die daraus entstehende neue Norm nur sichtbare Strahlung ab.

Thema der nächsten Seite sind alternative Methoden

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Bild 3: Realisierung der alternativen Methode mit der PTFE-Ulbricht-Kugel und einem Tubus mit allen notwendigen Blenden für die BLH-Messungen Instrument Systems

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Bild 4a: Messfleck mit 2,2 mm Durchmesser auf einem LED-Package und Spektren, gemessen mit der Standard- und der Alternativmethode. Instrument Systems

Instrument Systems Bild 4b

Bild 4b: Messfleck mit 2,2 mm Durchmesser auf einer LED-Retrofit-Lampe. Instrument Systems

Eine alternative Methode wird in der Norm IEC 62471 als Bestrahlungsstärkemessung mit einem genau definierten Sichtfeld vorgeschlagen. Hier wird die gemessene Bestrahlungsstärke durch den Raumwinkel geteilt, um die Strahldichte zu erhalten. Das Testequipment für die alternative Methode besteht zum Beispiel aus einem streulichtkorrigierten Array-Spektrometer, einer auf Bestrahlungsstärke kalibrierten PTFE-Ulbricht-Kugel und einem Tubus, der die erforderlichen Blenden zur Berechnung der Strahldichte enthält (Bild 3). Die Länge des Tubus von 200 mm und die beiden Blenden mit dem Durchmesser von 20 beziehungsweise 2,2 mm definieren die Winkel von 100 beziehungsweise 11 mrad. Dieses System deckt den gesamten Spektralbereich der Gewichtungsfunktion für BLH von 300 bis 700 nm ab, wie in der Norm IEC 62471 vorgeschlagen.

Welche Unterschiede liefern die Messergebnisse?

Beide Methoden wurden realisiert, die Messungen an Mustern wie LED-Packages (Bild 4a) und LED-Retrofits (Bild 4b) durchgeführt und den Risikogruppen zugeordnet (Tabelle 2). Mit der Standardmethode wurde die gemessene spektrale Strahldichte mit der Blaulichtgefährdungsfunktion gewichtet und im Bereich zwischen 300 und 700 nm integriert, um LB sowie tmax = 106 / LB zu erhalten. Die Risikobeurteilung erfolgte gemäß Tabelle 1. Bei der alternativen Methode wurde die gemessene spektrale Bestrahlungsstärke zunächst durch den mit der verwendeten Apertur definierten Raumwinkel dividiert und anschließend analog vorgegangen.

Die Abweichungen in den Ergebnissen für LB sind eher gering, obwohl beide Methoden unterschiedliche Aufbauten und Kalibrierungen aufweisen. Das gesuchte Ergebnis ist jedoch die Zuordnung zur richtigen Risikogruppe. Diese ist für die meisten Quellen nicht kritisch, da eine Risikogruppe mehrere Größenordnungen abdeckt. Abweichungen von wenigen Prozent spielen nur dann eine Rolle, wenn die Quelle die Grenze zur Risikogruppe 2 überschreitet. Aber auch in diesem Fall sollten eine Schwellenbeleuchtungsstärke Ethr und ein Schwellenabstand dthr berechnet werden, die sich für die meisten Anwendungen als nicht kritisch erweisen.

Tabelle 2: Messergebnisse der Standard- und Alternativmethode für die Proben im Bild 2 

LED Package LB [W/m²sr] tmax [s] Bewertung
Standardmethode 1989.8 503 RG 1
Alternativmethode 1949.9 513 RG 1
Unterschied -2.0%    
LED Retrofit LB [W/m²sr] tmax [s] Bewertung
Standardmethode 5829.9 172 RG 1
Alternativmethode 5497.9 182 RG 1
Unterschied -5.7%    

 

Mehr Methoden mit dem entstehenden Standard

Zusätzlich zu den Messungen der Strahldichte oder Bestrahlungsstärke werden in IEC TR 62778 einige Überlegungen zur Risikogruppenklassifizierung auf Grundlage der CCT (ähnlichste Farbtemperatur) und der Leuchtdichte oder der Beleuchtungsstärke der Quelle vorgeschlagen und in der entstehenden Norm weiterentwickelt. Vereinfacht ausgedrückt: Je mehr eine Quelle das Licht im blauen Bereich emittiert, desto höher ist die CCT und desto größer ist die Gefährdung durch blaues Licht. Die Messung von Leuchtdichte und CCT kann zum Beispiel mit einem filterbasierenden bildgebenden Kolorimeter durchgeführt werden.

Ein weiterer Vorschlag für die entstehende Norm erfordert eine Leuchtdichteverteilung und ein relatives Spektrum zur Berechnung des LB. Die schnellste Messung der Leuchtdichteverteilung erfolgt mit einer Leuchtdichtemesskamera. Zusätzlich kann ein relatives Spektrum mit einem Spektrometer und einer beliebigen Einkoppeloptik gemessen werden.

Behelfsmäßig könnten auch nur Datenblattspezifikationen für CCT und gegebenenfalls Leuchtdichte verwendet werden, um eine Risikogruppe größer als RG 1 auszuschließen oder um eine sehr grobe Schätzung von Ethr abzugeben. Je einfacher jedoch die Methode ist, desto höher ist die zu erwartende Überschätzung der Gefahr. Denn es müssen höhere Sicherheitsfaktoren hinzugefügt werden, um kein Risiko zu übersehen.

Fazit

Die Messung der Blaulichtgefahr ist eine schwierige Aufgabe, da die Strahldichtemessung selbst sehr anspruchsvoll ist und stark von der Geometrie des Aufbaus abhängt. Die direkte spektrale Strahldichtemessung ist auf die Quellen ohne Strahlung unterhalb von 360 nm begrenzt, da hierfür keine geeigneten Linsen vorhanden sind. Die Positionierung des Messflecks ist jedoch sehr komfortabel und die Messung selbst extrem schnell. Die größte Herausforderung für das alternative Verfahren besteht darin, eine kleine Apertur von 2,2 mm sehr genau und reproduzierbar zu positionieren, womit für die meisten Messungen ein Winkel von 11 mrad in 200 mm Entfernung definiert wird. Die PTFE-Ulbricht-Kugel ist dafür im UV-Bereich empfindlicher, sodass der gesamte Spektralbereich für BLH von 300 bis 700 nm abgedeckt ist.

In der neu entstehenden Norm, die auf IEC TR 62778 basiert, sind noch mehr Methoden zugelassen, die einer breiteren Gemeinschaft zur Verfügung stehen. Diese einfacheren Methoden müssen jedoch zusätzliche Sicherheitsfaktoren enthalten, um eine Unterschätzung des BLH-Risikos zu vermeiden. Daher können die Ergebnisse in Abhängigkeit von der gemessenen Quelle und der verwendeten Methode mehr oder weniger variieren. Das Ergebnis der BLH-Bewertung ist jedoch nicht der genaue Absolutwert, sondern die richtige Risikogruppe, die jeweils einige Größenordnungen abdeckt. Nur wenn sich das Messergebnis an der Grenze zwischen den beiden Risikoklassen befindet, ist es wichtig, eine möglichst genaue und reproduzierbare Messung durchzuführen. Nach Möglichkeit sollten die Ergebnisse der direkten spektralen Strahldichtemessungen oder der in Norm IEC 62471 vorgeschlagenen alternativen Methode zur Bewertung herangezogen werden, anstatt einiger vereinfachter Messungen oder Annäherungen, wie in der neuen Norm vorgeschlagen.

Mehrere Studien haben die Risikoklassen für verschiedene Arten von Displays und SSL-Quellen, Lampen und Leuchten bewertet. Es hat sich gezeigt, dass Verbraucherbildschirme und Lampen auf LED-Basis keine größeren Risiken für Benutzer mit sich bringen als herkömmliche Quellen. Die meisten Leuchten mit nicht direkt sichtbaren LEDs wurden der Risikogruppe 0 zugeordnet. Nur Leuchten mit direkt sichtbaren LEDs wurden in RG 1 oder in wenigen Fällen in RG 2 eingestuft, die – genau wie herkömmliche Quellen – bei normalem Gebrauch und Abwendeverhalten noch als sicher gelten. Die Hochrisikogruppe 3, die auch für kurze Belichtungszeiten unter 0,25 s gefährlich ist, ist für Lichtquellen in der Allgemeinbeleuchtung und für Verbraucherdisplays äußerst unwahrscheinlich.

Dr. Denan Konjhodžić

Produktmanager bei Instrument Systems

(neu)

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