HTV 01-Analytiklabor

Einblick in das HTV-Institut für Materialanalyse. Die Experten ermitteln ein auf Bauteile und Komponenten zugeschnittenes Lagerungskonzept, um die Funktionalität und Verarbeitbarkeit nach einer Lagerungszeit von mehreren Jahren oder Jahrzehnten sicherzustellen. (Bild: HTV)

Neue Funktionen, höhere Geschwindigkeit und stetige Weiterentwicklung sorgen dafür, dass seitens der Hersteller immer mehr elektronische Bauteile binnen kürzester Zeit abgekündigt und somit obsolet werden. Die hohe Anzahl der Firmenzusammenschlüsse großer Halbleiterhersteller in den vergangenen Jahren führt zudem zur Bereinigung und Verschlankung der Produktlinien, was die Zahl der Abkündigungen noch weiter steigen lässt.

Resultierend daraus können vielfachbestimmte Endprodukte nicht mehr gefertigt oder repariert werden, da die benötigten Bauteile oder Komponenten nicht mehr verfügbar sind. Als Konsequenz müssen Entscheidungen hinsichtlich der weiteren Vorgehensweise getroffen werden, um künftig die Versorgung für die Serie oder von Ersatzbauteilen sicherstellen zu können. Soll ein Redesign durchgeführt werden oder soll ein LTB (Life-Time-Buy) die Verfügbarkeit der benötigten Teile bis zum Serienende oder zumindest bis zum nächsten Produktupdate sicherstellen, um dann direkt mehrere obsolete Teile ersetzen zu können?

HTV 02-Diffusionsprozesse

Alterungsprozesse und Risikofaktoren: Intermetallische Phase als Indikator der Alterung (Diffusionsprozess). HTV

Obsoleszenz vorbeugen

Unternehmen haben vielfach schon auf die Problematik reagiert und eine zuständige Stelle zur Koordination von Obsoleszenzthemen eingerichtet. Sinnvollerweise ist diese Abteilung direkt der Geschäftsleitung unterstellt, da eine wirksame und sinnvolle Strategie nur durch eine übergeordnete abteilungsübergreifende Instanz erreicht werden kann. Zur Vorbeugung und auch zur Bearbeitung von Obsoleszenzfällen muss zunächst eng mit der Entwicklungsabteilung, dem Qualitätsmanagement und dem Einkauf zusammengearbeitet werden. Hier gilt es die Bauteile möglichst so zu wählen, dass eine Second-Source verfügbar und eine Abkündigung somit weitestgehend unproblematisch ist. Unter Zuhilfenahme geeigneter Tools ist eine voraussichtliche Verfügbarkeit abschätzbar. Allerdings gilt zu beachten, dass die Praxis, trotz detaillierter Vorhersagetools zur Bewertung der Verfügbarkeit, oft anders aussieht.

HTV 03-Diagramm und Alterung

Generell ist bei normaler Lagerung die Materialveränderung in den ersten Jahren am schnellsten. Komponenten, die nicht sofort benötigt werden, sollten also möglichst umgehend mit TAB eingelagert werden, um so ein langes Komponentenleben zu ermöglichen. HTV

Wichtige Ersatzkomponenten, insbesondere für langlebige Produkte und Investitionsgüter mit langer Nutzungsdauer, sollten unbedingt rechtzeitig eingelagert werden, um jegliche Gefahr einer mangelnden Verfügbarkeit für die Serie oder später von Ersatzteilen auszuschließen. Doch die Einlagerung von LTB-Teilen birgt nicht zu unterschätzende Risiken, da nur ein qualifiziertes, speziell auf die Komponente zugeschnittenes Lagerungskonzept die Funktionalität und Verarbeitbarkeit nach einer Lagerungszeit von mehreren Jahren oder Jahrzehnten sicherstellt.

 

Risiken bei der Langzeitlagerung elektronischer Komponenten

Zur Beurteilung der Risiken für die Langzeitlagerung muss im Vorfeld der aktuelle Gesamtzustand der zu lagernden Komponenten erfasst werden. Dabei ist zu ermitteln, ob die Bauteile mechanisch und elektrisch einwandfrei sind und welche Risiken während der Lagerung zu erwarten sind, bzw. ob die Komponenten überhaupt für eine Lagerung geeignet sind. Verschiedenste Alterungsprozesse können bereits bei normaler Lagerung, aber auch unter Stickstoffatmosphäre (Stickstoff-Dry-Pack) innerhalb von zwei Jahren die Funktionalität (zum Beispiel durch Daten- und Kapazitätsverluste, Leckströme, etc.) und Verarbeitbarkeit (etwa im Löt-oder Crimp-Prozess) elektronischer Komponenten maßgeblich beeinträchtigen. Wesentliche Alterungsprozesse sind:

  • Diffusionsprozesse (Anschlüsse und Halbleiterchip)
  • Alterung durch Feuchte und Sauerstoff (Korrosion und Oxidation)
  • Alterung durch Schadstoffe
  • Whiskerbildung
  • Zinnpest

 

Vielfach ist die Meinung verbreitet, eine Lagerung in Stickstoff-Atmosphäre stoppe die Alterungsprozesse. Das ist falsch!

HTV 04-LZK-Vergleich-Einlagerung mit TAB

Bei der Lagerung nach TAB ist nahezu kein intermetallisches Phasenwachstum feststellbar. HTV

Durch Stickstoff wird ausschließlich die Oxidation reduziert, die nur ein sehr kleiner Bestandteil der vorgestellten Alterungsprozesse darstellt. In den sogenannten Stickstoff-Drypacks, die oftmals für eine Langzeitlagerung verwendet werden, findet man bei einem Standardverpackungsprozess zudem noch einen Sauerstoffanteil im Prozentbereich. Dementsprechend ist sogar die Wirkung der verminderten Oxidation fraglich. Die relevanten Alterungsprozesse, wie etwa die Diffusions- oder auch Korrosionsprozesse durch ausgasende Schadstoffe, werden hierbei in keiner Weise reduziert. Die Komplexität der verschiedenen Alterungsmechanismen verdeutlicht zudem die Notwendigkeit einer umfassenden Eingangsanalyse, aber auch der Überwachung des Zustandes der Komponenten während des Lagerprozesses.

 

Langzeitverfügbarkeit durch das TAB-Langzeitkonservierungsverfahren

Zur Lösung der Problematik, dass Bauteile während der Lagerung auf vielfache Weise altern, hat HTV Halbleiter-Test & Vertrieb mit TAB ein Verfahren entwickelt, um die Langzeitverfügbarkeit elektronischer Komponenten mit der erforderlichen Qualität sicherzustellen. TAB steht für Thermisch-Absorptive-Begasung. Als komplexe Kombination unterschiedlichster Methoden vermeidet beziehungsweise verringert TAB im Gegensatz zur herkömmlichen Lagerung in Stickstoff Dry-Packs oder Korrosionsschutz-Folien nahezu alle relevanten Alterungsfaktoren elektronischer Komponenten.

 

TAB ermöglicht es, elektronische Komponenten wie Bauteile, Baugruppen, Displays sowie Wafer und Dies bei vollem Erhalt der Verarbeitbarkeit und Funktionalität für bis zu 50 Jahre einzulagern. Die drastische Reduktion der Alterung wird beim TAB-Verfahren im Wesentlichen durch drei Faktoren erreicht: Zunächst wird durch gezielte individuelle Temperaturreduktion die Aktivierungsenergie drastisch reduziert. Chemische Reaktionen laufen dementsprechend gar nicht oder nur sehr langsam ab. Dadurch werden viele der inneren (auf dem Halbleiterchip) und äußeren Alterungsprozesse nahezu gestoppt, wie es beispielsweise am Wachstum der intermetallischen Phase (Diffusion am Bauteilanschluss) zwischen dem Kupfer aus dem Inneren des Bauteilpins in das Zinn der Pinoberfläche, als ein Indikator für Diffusionsprozesse, deutlich gezeigt werden kann.

Auf (fast) ewig konserviert

Ausschließlich TAB beherrscht die Risiken bei der Einlagerung elektronischer Komponenten für bis zu 50 Jahren umfänglich, indem im Gegensatz zur herkömmlichen Lagerung in Stickstoff Dry-Packs oder Korrosionsschutz-Folien alle relevanten Alterungsprozesse elektronischer Komponenten stark reduziert oder sogar verhindert werden. Abkündigungen von Komponenten verlieren damit ihre Brisanz; Produktlebenszyklen können verlängert und das After-Sales-Business abgesichert werden.

Die jahrzehntelange Forschung und abgestimmte Verfahren ermöglichen es dabei, kritische Nebeneffekte, wie etwa die Zinnpest, auszuschließen. Die Lagerung insbesondere bei tiefen Temperaturen erfordert eine genaue Kenntnis der Umwandlungsprozesse, um durch geeignete Einstellung der Lagerungsparameter und zugehörige Überwachungsstrategien eine Umwandlung zu verhindern.

HTV 05-LZK-Vergleich-Lagerverfahren

Vergleich verfügbarer Lagerverfahren: Deutlich zeigt sich, dass das TAB-Verfahren es ermöglicht, elektronische Komponenten wie Bauteile, Baugruppen, Displays oder ganze Geräte bei vollem Erhalt der Verarbeitbarkeit und Funktionalität für bis zu 50 Jahre einzulagern. HTV

Der zweite wesentliche Faktor des TAB-Verfahrens ist ein von HTV entwickeltes System aus speziellen Funktionsfolien und individuell zusammengestellten komponentenspezifischen Absorptionsmaterialien. Dieses bewirkt die Absorption organischer und anorganischer Schadstoffe, die aus den elektronischen Komponenten ausgasen oder von außen in die Verpackungen diffundieren. Der dritte Faktor ist ein spezieller konservierender Gascocktail, welcher die zu lagernden Komponenten umspült und Korrosionsprozessen entgegenwirkt. Zudem werden Feuchtigkeit, Sauerstoff und Gaszusammensetzung kontrolliert und auf das Produkt angepasst eingestellt, sodass eine Alterung bestmöglich reduziert ist.

 

Die eingelagerten Materialien und elektronischen Komponenten werden während der Lagerung durch geeignete Analysemethoden zyklisch überwacht. Zudem findet eine Überprüfung der Lagerungsbedingungen durch regelmäßige Prozesskontrollen statt. Ein wesentliches Risiko bei der Langzeitlagerung ist die physikalische Sicherheit der Komponenten. Insbesondere Feuer ist eine sehr ernstzunehmende Gefahr, deren Auftrittswahrscheinlichkeit bei Lagerdauern von mehreren Jahrzehnten nicht unerheblich ist. Dementsprechend ist bei TAB die Lagerung in Hochsicherheitsgebäuden, die sich durch massiven Stahlbetonbau, besondere brandverhindernde Atmosphäre und aufwändige Alarm- und Kamera-Überwachungssysteme auszeichnen, ein wesentlicher Bestandteil und stellt neben optimierten Lagerungsbedingungen auch den Schutz vor Brand, Diebstahl und Naturkatastrophen sicher.

Holger Krumme

Managing-Director Technical Operations von HTV Halbleiter Test & Vertrieb

(mrc)

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HTV Halbleiter- Test- und Vertriebs GmbH

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