16 m ist die Testanlage hoch. So lassen sich die Kabel unter realistischen Bedingungen auf Herz und Nieren prüfen.

16 m ist die Testanlage hoch. So lassen sich die Kabel unter realistischen Bedingungen auf Herz und Nieren prüfen.Lapp

Bis vor Kurzem war es noch ein Aufzugsschacht in einem Logistikgebäude; nun ist es eine Testanlage für die Auswirkungen von Torsion auf Leitungen in Windenergieanlagen. Der 16 m hohe Schacht eignet sich perfekt, um Turm und Gondel einer Windkraftanlage realistisch nachzubilden. Das Konzept der Testanlage, bei der sämtliche Befestigungspunkte von Kabeln und Leitungen exakt wie unter realen Bedingungen konstruiert sind, wurde so bisher nur ein weiteres Mal in Europa umgesetzt. Bei den meisten Testanlagen sind die Kabelaufhängungen einfacher konstruiert. Sie werden meist in einfacherer Klemmtechnik ausgeführt und die Prüfstände sind nicht so hoch und geben daher die Realität einer Windkraftanlage weniger naturgetreu wieder.

Den Anstoß für die Testanlage gab einer der größten deutschen Windanlagenhersteller. Er wollte nachweisen, dass die Kabel in seinen Windtürmen um 150° pro Meter gedreht werden können ohne Schaden zu nehmen. Im Normalfall kann nur der Drehwinkel der Gondel, nicht aber der des Kabels genau angegeben werden. Ein solcher Nachweis bietet den Anlagenbetreibern also eine höhere Investitionssicherheit im Gegensatz zu anderen Anlagen. Außerdem liefert der Testschacht wertvolle Erkenntnisse zur Tauglichkeit verschiedener Kabelkonstruktionen und Materialien für die Entwicklung neuer Varianten für Windenergieanlagen.

Die Testanlage, deren freie Einbaulänge 12 m beträgt,  bildet die Torsionsbewegung genau nach. Die Leitungen sind ihrer realen Einbaulage entsprechend befestigt. Ein Servoantrieb an der Spitze der Konstruktion dreht die frei hängenden Leitungen in ihrer gesamten Länge. Auch der Loop, zu dem die Kabel auf ihrem Weg zu den Transformatoren und Steuerschränken im unteren Teil des Turms gebündelt sind, wird wie in einer echten Windenergieanlage verdreht. Kameras überwachen die Vorgänge im Inneren der Anlage permanent und erfassen dabei beispielsweise den Abrieb und mögliche Beschädigungen der Leitungen durch Schwingung.

Gummimäntel verschleißen schneller

Speziell bei geschirmten Kabeln war im Extremfall eine deutliche Alterung zu sehen, da die Torsion den Kabelschirm besonders beansprucht. Die einzelnen Schirmdrähte werden gegeneinander verschoben. Im schlimmsten Fall brechen einzelne Schirmdrähte, wodurch die elektrische Wirksamkeit des Schirms stark abnimmt. Viele Kabelhersteller verwenden aus Kostengründen Gummi als Außenmantel. Das Problem: Bei diesem Material ist der Verschleiß höher als bei PVC- oder PUR-Leitungen. Dieses Phänomen ist jedoch nicht allen Anlagenherstellern bekannt, sodass diese aufgrund der geringeren Anfangsinvestition immer noch häufig auf Gummi-Produkte setzen. Doch die günstigere Anschaffung kann hohe Folgekosten nach sich ziehen. PVC zeigt dagegen so gut wie keinen Abrieb. Das Material lässt sich jedoch nur in einem eingeschränkten Temperaturbereich einsetzen, sodass für Anlagen, die auch niedrige Temperaturen aushalten müssen, PUR-Leitungen zu empfehlen sind.

Kabel aus mit einem Mantel aus PVC oder PUR schlagen sich beim Verdrehen besser als ihre Pendants mit Gummimänteln.

Kabel aus mit einem Mantel aus PVC oder PUR schlagen sich beim Verdrehen besser als ihre Pendants mit Gummimänteln.Lapp

Auch die Art der Befestigung spielt eine wichtige Rolle für den Verschleiß, denn je nach Anbringung können die Kabel mehr oder weniger vorgeschädigt werden. Der Grund: Die Torsion baut ein hohes Drehmoment in den Leitungen auf. Dieses Moment wird kritisch, wenn es an den Befestigungspunkten wirkt. Leitungen, die an den Befestigungspunkten mit einfacher Klemmtechnik fixiert sind, können das Drehmoment nicht weitergeben und stehen unter hohen Scherkräften, die zu einem Bruch der Leitung führen könnten. Ein weiterer wichtiger Punkt ist das innere Moment, das Leitungen bei ihrer Herstellung eingeprägt bekommen. Um diese inneren Momente und die mechanischen Spannungen zu verringer, sollten Leitungen in ihrer gesamten Länge wenigstens 24 Stunden bei Raumtemperatur ausgelegt oder ausgehängt werden. Beim Aushängen der Leitung darf sie nur an einem Ende befestigt werden, damit sich die Leitung auf ihrer gesamten Länge frei drehen kann.

Der Loop ist stärker betroffen als gedacht

Neue  Erkenntnisse lieferte die Windkraft-Testanlage zum Loop, der ein viel stärkeres Eigenleben entwickelt als die Lapp-Ingenieure erwarteten. Bei der dritten Umdrehung der Gondel kommt es zu einer extremen Torsion und starken Verkürzung des Loops. „Der Loop hängt in einer bizarren Schlaufe hoch über dem Boden“, beschreibt Thilo Schweizer, Leiter des Testzentrums. „Wir waren überrascht. Denn eine so starke Verdrehung hatten wir nicht erwartet. Man sieht, dass sehr viel dynamische Energie in dieser Bewegung steckt.“ In einer bereits existierenden, aber kleineren Testanlage von Lapp, mit einem Turm von nur 2,5 m Höhe, war dieses Phänomen nicht zu beobachten.

Bei den Tests zeigte sich, dass der Loop stärker verdreht wird als die frei hängenden Kabel, auf denen bisher der Fokus lag. Gespräche mit Fachkollegen ergaben, dass diese die Besonderheit bisher auch nicht kannten. Ein derart stark verdrehter Loop hat jedoch einen bedeutenden Einfluss auf die Lebensdauer des Kabels. Die neuen Erkenntnisse, die aus dem Prüfbetrieb gewonnen werden, werden in die Verbesserung bestehender und in die Entwicklung neuer Produkte einfließen.

Im Moment werden in der Testanlage nur mechanische Prüfungen durchgeführt. Nach rund zwei Monaten zeigt sich, wie hoch der Abrieb eines bestimmten Kabeltyps ist, wie sein Drehverhalten ist und welche Auswirkungen die mechanischen Einflüsse auf die Lebensdauer haben. Daraus leiten die Kabeltechniker entsprechende Empfehlungen für die verschiedenen Designs ab. In Zukunft sollen die Kabel auch zusätzlich elektrisch überwacht werden – beispielsweise auf Widerstandsänderungen, Unterbrechungen oder Kurzschlüsse. Die Ergebnisse werden dabei in Echtzeit abgerufen. Hierfür überwacht eine Kamera den Prüfstand kontinuierlich. Die elektrischen Daten aus dem Testbetrieb werden in Abhängigkeit von der Zeit erfasst und im angeschlossenen Computer gespeichert. Die Ingenieure können auch analysieren, an welcher Stelle die Unregelmäßigkeit aufgetreten ist und aus welchem Grund dies passiert ist. So lassen sich Schwachstellen aufdecken und bei künftigen Produkten eliminieren.

Lapp betreibt außerdem eine kleinere Testanlage, die nun unter Berücksichtigung der Ergebnisse aus der 16 m hohen Anlage ertüchtigt werden soll. Das Unternehmen plant, diese kleine Testanlage zu einer Eiskammer mit Temperaturen bis zu -50 °C umzubauen, in der Tests unter Bedingungen durchgeführt werden können, wie sie zum Teil im Offshore-Bereich oder in den Polarregionen herrschen.

Werner Körner

ist Leiter Technik und Entwicklung der U.I. Lapp GmbH in Stuttgart.

(mf)

Sie möchten gerne weiterlesen?

Unternehmen

U.I. Lapp GmbH

Schulze-Delitzsch-Straße 25
70565 Stuttgart
Germany