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Ob eine Baugruppe die relevanten Normen bezüglich hochfrequenter Störemissionen einhält, überprüfen Entwickler klassischerweise in einem EMV-Labor. Überschreiten die Störemissionen festgelegte Grenzen in der Fernfeldmessung, müssen Entwickler ihre Baugruppe auf deren Störfrequenzen hin analysieren und verbessern. Dieser Prozess von Prüfung und Modifikation muss unter Umständen mehrmals ablaufen, bevor die Baugruppe alle Kriterien der Normen erfüllt.

Auf einen Blick

Die Spezialisten für Elektromagnetische Verträglichkeit von Langer EMV zeigen, wie Entwickler direkt an ihrem Arbeitsplatz die Ursache von EMV-Problemen aufspüren und beheben können. Sie brauchen dazu ein klappbares Schirmzelt, verschiedene Nahfeldsonden und einen Spektrumanalysator. Mit der speziellen Software Chipscan-ESA verwalten sie hunderte Einzelmessungen zusammen mit dem Spektrum und einem Protokoll.

In den letzten zehn Jahren sanken der Aufwand und die Kosten für wiederholte Prüfungen im EMV-Labor, da heute Nahfeldsonden und kleine geschirmte Kabinen (Schirmzelt) zur Verfügung stehen. Nahfeldsonden messen die lokalen elektrischen und magnetischen Felder auf elektronischen Baugruppen direkt am Arbeitsplatz. Die im Fernfeld auftretenden Störfrequenzen lassen sich auch im Nahfeld analysieren, um die für die Störaussendung verantwortlichen Komponenten aufzuspüren. Voraussetzung für aussagekräftige Nahfeldmessungen ist ein Schirmzelt, das jegliche elektromagnetische Störungen vom Messaufbau abschirmt. Nahfeldmessungen erfassen die durch die Baugruppe direkt und indirekt verursachten Störemissionen.

Vergleichen und dokumentieren

Auf den ersten Blick ist eine weitere Zeit- und Kostenreduktion des Prozesses kaum möglich. Doch diese Einschätzung ignoriert den Aufwand des Ingenieurs bei der Analyse von Vergleichsmessungen vor und nach der Baugruppenmodifikation und deren Dokumentation. So lassen sich zum Beispiel die Messreihen verschiedener Baugruppenmodifikationen nur sehr aufwendig miteinander vergleichen, da die zur Messung der Störfrequenzen eingesetzten Spektrumanalysatoren für gewöhnlich nur einen Bildexport des angezeigten Spektrums ermöglichen. Weiterhin ist zum Beispiel die Dokumentation der Bildexporte in einem zusätzlich verwendeten Dokumentationsprogramm meist ebenfalls sehr aufwendig. In dieser Software müssen Ingenieure die Bildexporte zusammen mit allen händisch übertragenen Messparametern und den jeweiligen Beschreibungen des Messaufbaus dokumentieren. Die aufgeführten Probleme und weitere methodische Schwachstellen reduzieren die Arbeitseffizienz des Entwicklungsingenieurs erheblich.

Mit einer maßgeschneiderten Software lässt sich die Zeit zum Lösen von EMV-Problemen nochmals erheblich reduzieren. Im Folgenden dient ein Mikrocontrollerboard als praktisches Beispiel.

Bild 1: Messplatz zur entwicklungsbegleitenden Optimierung der Störaussendung auf dem Arbeitsplatz des Entwicklers.

Bild 1: Messplatz zur entwicklungsbegleitenden Optimierung der Störaussendung auf dem Arbeitsplatz des Entwicklers.Langer EMV-Technik

Quellensuche

Das Mikrocontrollerboard überschreitet bei Prüfmessungen zur Normkonformität im EMV-Labor die festgelegten Störaussendungsgrenzen. Nun hat der Entwickler die Aufgabe, den Ursprung der Störfrequenzen auf dem Board zu ermitteln. Weil dafür viele Mess- und Modifikationsschritte erforderlich sind, ist es von Vorteil, wenn der Ingenieur am eigenen Arbeitsplatz zusammenhängend arbeiten kann. Der Messplatz sollte mit allen notwendigen Messgeräten ausgestattet sein und möglichst den direkten und ständigen Zugriff zum Prüfling auch während einer Messung erlauben (Bild 1). Dieser Zugriff macht es möglich, die Veränderung der Störaussendung auf einfache Manipulation hin zu untersuchen.

Die Baugruppe wird auf einer Groundplane entsprechend dem späteren Einsatzumfeld angeordnet. Dabei gilt es, wie in Bild 1 dargestellt, die konstruktive Umgebung und die elektrische Verkabelung nachzustellen. Über der Groundplane ist ein klappbares Schirmzelt angeordnet, das Störungen aus der Umgebung abschirmt. Das Schirmzelt ermöglicht den direkten Zugriff auf den Prüfling und damit flüssiges Arbeiten. Es sollte eine Dämpfung von zirka 50 dB besitzen. Die leitungsgebundenen Zuführungen wie Stromversorgung und Kabel zum Übertragen der Messergebnisse sollten mit HF-Filtern versehen sein.

Vergleich von Nahfeld und Fernfeld

Die Störaussendungsanalyse beginnt damit, dass Entwickler mithilfe eines Stromwandlers und eines Spektrumanalysators eine Vergleichsmessung mit der Baugruppe durchführen. Das Ziel lautet, die in der Fernfeldmessung aufgetretenen Störfrequenzen auch im Nahfeld aufzuspüren [1].

Normalerweise sind an der Messdatenerfassung während einer Störaussendungsanalyse mehrere Softwaretools beteiligt, angefangen bei der Aufnahmesoftware des Spektrumanalysators, einer Dokumentationssoftware und gegebenenfalls einer Bildverarbeitungssoftware zum Bearbeiten der aufgenommenen Spektren. Die Messdaten und die zugehörige Dokumentation innerhalb der verschiedenen Programme manuell zu übertragen, wäre bei der Aufnahme weniger Spektren vielleicht vertretbar. Bei der Analyse mehrerer Störquellen und deren Auskopplungspfade kommen aber schnell sehr viele Spektren zusammen. Das Protokollieren eines jeden Messschrittes ist mit herkömmlichen Methoden sehr aufwendig. Schließlich möchten Entwickler zu jedem aufgenommenen Spektrum die genaue Beschreibung des Messplatzes oder seiner Veränderungen, die Entstörungsmaßnahme und deren Bewertung ablegen. Allein die heute noch umständliche Protokollierung des gesamten Entstörprozesses steigert den Aufwand während einer Elektronikentstörung erheblich.

Bild 2: Die universelle Software Chipscan-ESA 3.0 steuert den Spektrumanalysator, zeichnet die Messkurven auf und dokumentiert sie. Bereich 1: Messkurven, Bereich 2: Messprotokoll, Bereich 3: Steuerung des Spektrumanalysators.

Bild 2: Die universelle Software Chipscan-ESA 3.0 steuert den Spektrumanalysator, zeichnet die Messkurven auf und dokumentiert sie. Bereich 1: Messkurven, Bereich 2: Messprotokoll, Bereich 3: Steuerung des Spektrumanalysators.Langer EMV-Technik

Ein Tool für alle Schritte

Es ist also eine Software erforderlich, die diesen Aufwand umgeht [2,3]. Gefragt ist ein einzelnes Tool, das alle Programme (Aufnahmesoftware des Spektrumanalysators etc.) in sich vereint oder steuert: Chipscan-ESA (Bild 2) muss den angeschlossenen Spektrumanalysators ansteuern, per Mausklick die Spektren aufzeichnen und den Dokumentationstext erfassen. Entsprechend können Entwickler ohne Umwege eine Vielzahl von Spektren aufnehmen und gleichzeitig protokollieren und dabei sehr viel Zeit sparen.

Die Suche nach der Störungsursache bei unserem Mikrocontrollerboard beginnt damit, dass der Entwickler an der Stromversorgungszuführung mit einem HF-Stromwandler ein Frequenzspektrum aufnimmt (Referenzmessung mit HFW 21 zur Fernfeldmessung). In diesem Spektrum kann er die im Fernfeld als kritisch fest gestellten Frequenzen wieder auffinden (Bild 3).

Bild 3: Die erste Messung ist eine Referenzmessung mit HFW 21 zur Fernfeldmessung.

Bild 3: Die erste Messung ist eine Referenzmessung mit HFW 21 zur Fernfeldmessung.Langer EMV-Technik

In das Messprotokoll hat der Entwickler eingetragen: „wie curve 36, Messsystem: HFA 21 common mode, Board: mit Flachbandleitung Maßnahme: ohne, Vielfache des Prozessortaktes koppeln im Bereich bis 300 MHz aus.“ Sein Berstreben ist nun, die Frequenzen um eine bestimmte Anzahl von dB zu senken, um bei einer erneuten Messung im Fernfeld die Grenzwerte nicht mehr zu überschreiten.

Den Fehler einkreisen

In den weiteren Messschritten wird der Ingenieur mit verschiedenen Nahfeldsonden die Quelle der Störfrequenzen einkreisen und genau lokalisieren. Dazu führt er die Nahfeldsonden von Hand über das Mikrocontrollerboard, dabei dreht und wendet er die Sonden, um die Position und Ausrichtung der Störfelder zu ermitteln. So verschafft sich der Entwickler ein genaues Bild der EMV-Verhältnisse auf dem Mikrocontrollerboard.

Bild 4: Die Fehlerursache ist gefunden – es handelt sich um eine erhöhte HF-Auskopplung aus Pin 13 (rot) in die angeschlossene Flachbandleitung. Alle anderen Pins besitzen diese Auskopplung nicht (Beispiel Pin 12, blau).

Bild 4: Die Fehlerursache ist gefunden – es handelt sich um eine erhöhte HF-Auskopplung aus Pin 13 (rot) in die angeschlossene Flachbandleitung. Alle anderen Pins besitzen diese Auskopplung nicht (Beispiel Pin 12, blau).Langer EMV-Technik

Alle Messungen sollte er aufzeichnen und direkt zur Messkurve möglichst aussagekräftig protokollieren. So lässt sich der Entstörungsprozess auch später anhand der Kurven und Beschreibungen (Protokoll) nachvollziehen. Er wird dabei sehr viele Messkurven aufnehmen. Der Entwickler kann maximal 40 Messkurven gleichzeitig visualisieren (in Bild 2 sind nur vier Messkurven zu sehen). In der praktischen Arbeit ist das gleichzeitige Darstellen mehrerer Kurven jedoch nicht immer erforderlich. Viel wichtiger ist es, Vorher-Nachher-Messungen übersichtlich miteinander vergleichen zu können. So werden in der praktischen Arbeit jeweils die zwei relevanten Messkurven miteinander verglichen (Bild 4).

Vorher-Nachher-Vergleich

Ein Vergleich der einzelnen Spektren der Messungen ist auf konventionellem Weg zeit- und kostenintensiv. Zum Beispiel ist der Vergleich von Papierausdrucken der exportierten Bilder des Spektrumanalysators durch bloßes Nebeneinanderhalten aufwendig und fehleranfällig. Ein Foliendruck der Bilder umgeht zwar den Nachteil, treibt aber die Kosten bei vielen Spektren in die Höhe. Mit Hilfe von Bildbearbeitungssoftware und einer halbtransparenten Spektrendarstellung lassen sich die Bilder auch direkt am PC vergleichen. Jedoch ist auch dieser Ansatz zeitaufwendig und nicht weniger umständlich.

Im seinem Entstörprozess identifiziert der Entwickler des obigen Beispiels Pin 13 als eine Störungsursache: Mit einer Nahfeldsonde, die HF-Ströme in einzelnen Leiterzügen auflösen kann, entdeckt er am Pin 13 erhöhte Störstromeinspeisung in eine angeschlossene Flachbandleitung. Es liegt die Vermutung nahe, dass dies die Ursache für die Störaussendung ist (Bild 4). Alle anderen Pins der Steckverbinder besitzen keine auffälligen Werte: Bild 4 enthält auch die Messkurven von Pin 12. Das Messprotokoll besagt zu Pin 13: „HF Strom im Pin 13 mit Nahfeldsonde RF-U 2,5 gemessen, enthält hohe Anteile der Vielfachen des Prozessortaktes im Bereich bis 300 MHz, Ursache für Störauskopplung.“ Für die Messung am Pin 12 steht im Messprotokoll: „Pin 12 HF Strom im Pin 12 mit Nahfeldsonde RF-U 2,5 gemessen, enthält wesentlich weniger Störungen.“

Bild 5: Messung zum Überprüfen der Maßnahme „1 nF an Pin 13 des Steckverbinders“ (grün). Zum Vergleich ist die Messung am Pin 13 ohne den Filterkondensator zu sehen (rot).

Bild 5: Messung zum Überprüfen der Maßnahme „1 nF an Pin 13 des Steckverbinders“ (grün). Zum Vergleich ist die Messung am Pin 13 ohne den Filterkondensator zu sehen (rot).Langer EMV-Technik

Als Gegenmaßnahme lötet der Entwickler einen Filterkondensator mit 1 nF gegen Masse an Pin 13 und überprüft mit einer weiteren Messung den Erfolg: Bild 5 vergleicht die Messkurven an Pin 13 vor und nach der Maßnahme. Die kritischen Frequenzen werden in ihrem Pegel um 10 bis 20 dB abgesenkt. Das muss mit einer Überprüfungsmessung zur Referenzmessung mit HFW 21 zur Fernfeldmessung Bild 3 bestätigt werden.

Auf das Fernfeld schließen

Bild 6 zeigt die Kurven der Referenzmessung mit HFW 21 zur Fernfeldmessung aus Bild 3 (rot) und die Überprüfungsmessung mit HFW 21 (grün). Mit der Maßnahme ließen sich die kritischen Frequenzen um 10 bis 20 dB absenken. Dieses Ergebnis ist mit einer erneuten Messung im Fernfeld zu bestätigen. Meistens senken sich die Störfrequenzen im Fernfeld im gleichen Verhältnis. Wenn durch eine Maßnahme das Problem noch nicht ausreichend gelöst ist, gilt es, weitere Störungsursachen mit Nahfeldsonden zu suchen.

Bild 6: Vergleich der Referenzmessung mit HFW 21 zur Fernfeldmessung (rot) und Überprüfungsmessung mit HFW 21 (grün).

Bild 6: Vergleich der Referenzmessung mit HFW 21 zur Fernfeldmessung (rot) und Überprüfungsmessung mit HFW 21 (grün).Langer EMV-Technik

Im vorliegenden Beispiel sind in der Überprüfungsmessung im Bereich ab 150 MHz Frequenzspitzen bis zu 36 dB entstanden. Diese Spitzen sind in der Referenzmessung nicht aufgetreten. Sie entstehen, weil sich zwei Störquellen auf dem Mikrocontrollerboard überlagern. Die Maßnahme „1 nF“ hat eine Störquelle beseitigt und damit auch die Auslöschung aufgehoben. Wenn man diese Frequenzspitzen noch beseitigen will, muss man deren Störquelle auf dem Mikrocontrollerboard suchen und ebenfalls beseitigen. Wichtig dabei ist, dass die erste Gegenmaßnahme (1 nF an Pin 13) erhalten bleibt, da sich sonst das Störaussendungsproblem generell nicht lösen lässt.

Praktische Strategie

Diese Messstrategie ist für allgemeine HF-Messungen und im speziellen für die Entstörung nahezu aller elektronischen Systeme anwendbar. Der Vergleich von Messkurven kann zügig und genau am PC erfolgen. Benutzer bestimmen für die Spektren die Farben, legen die Sichtbarkeit der Kurven fest und führen parallel das Protokoll. Die angewählten Spektren und das gesamte Protokoll sind in einer gemeinsamen Oberfläche dargestellt und sorgen für hohe Flexibilität. Für Präsentationen sind Bilder von Spektren hilfreich. Anwender können Messkurven und Protokoll als Bilder exportieren sowie alle oder einzelne Messkurven als CSV-Datei (Comma Separated Value List) ablegen. Die gesamte Störaussendungsanalyse (Protokoll und Messkurven) lässt sich in einer Datei speichern. Diese Datei kann der Anwender zu beliebigen Zeitpunkten fortführen.

Literaturverweise

[1] EMV-Probleme beherrschen – mehr Effizienz bei der Baugruppenentstörung, Autor: G. Langer, AUTOMOBIL-ELEKTRONIK 03/2014, Hüthig Verlag, Deutschland

[2] Efficient Suppression of Interference in Modules at the Developer’s Workplace, InCompliance, März 2014

[3] New Development Tools and EMC Strategies in Step with Practical Electronics, InCompliance, Juli 2014

Dr. Hagen Moelle

arbeitet bei Langer EMV-Technik in Bannewitz bei Dresden.

(lei)

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