Sprachsteuerung

(Bild: RS Components)

Im hessischen Bad Hersfeld, wo zahlreiche Unternehmen Lieferzentren unterhalten, sind Arbeitskräfte knapp. Die heimliche Logistikhauptstadt in der Mitte Deutschlands weist annähernd Vollbeschäftigung auf, sodass die ortsansässigen Unternehmen im Wettbewerb um gute Mitarbeiter stehen. Vor diesem Hintergrund bemüht man sich im deutschen Distributionszentrum von RS Components um die bestmögliche Ergonomie, Sicherheit und Gestaltungsfreiheit im Arbeitsprozess.

Dies gilt insbesondere für die mehr als 90 Kommissionierer, die in Bad Hersfeld den größten Teil der Belegschaft stellen. In drei Schichten kommissioniert die Mannschaft jeden Tag rund 6000 Lieferungen mit Elektronik, Automations- und Steuerungselementen, Werkzeugen und Verbrauchsmaterialien, die in der Regel am nächsten Tag bei den Kunden eintreffen.

Freie Hände, freie Sicht

Sprachsteuerung

Das Distributionszentrum von RS Components im hessischen Bad Hersfeld RS Components

Die Kommissionierer stellen die Bestellung in einer oder mehreren Kunststoffwannen zusammen, die auf Rollen- und Gurtförderern mit einer Gesamtlänge von 2,2 Kilometern durch die verschiedenen Lagerbereiche fahren. Pro Stunde werden hier bis zu 1400 Wannen bewegt, die an den einzelnen Stationen gestoppt und von den Kommissionierern befüllt werden.

Eck-Daten

Aus dem hessischen Bad Hersfeld liefert Distributor RS Components für den deutschen Markt aus. Im Zentrallager kommt das Pick-by-Voice-Prinzip zur Anwendung: Eine Sprachsoftware leitet Kommissionierer beim Picking an. Durch den papierlosen Vorgang konnte die Picking-Rate deutlich erhöht werden.

Um die Arbeitsbedingungen sowie die Qualität und Leistung zu verbessern, entschied sich RS Components bereits 2014 dafür, die Kommissionierprozesse von Papierlisten auf Pick-by-Voice umzustellen. Die Mitarbeiter sollten beim Picken beide Hände und das Blickfeld frei haben, um sich besser auf die eigentliche Arbeit konzentrieren zu können. Nach einem Auswahlprozess, in dem die Verantwortlichen Angebote dreier Anbieter verglichen, entschied sich RS Components für eine Lösung von Honeywell Vocollect Voice Solutions, die Dematic implementierte. Ausschlaggebend für die Entscheidung waren die positiven Erfahrungen, die der Distributor mit den Komponenten und Produkten des amerikanischen Mischkonzerns im Rahmen einer langjährigen Zusammenarbeit sammeln konnte.

Sprachsteuerung nach Wahl

Im Juni 2015 stand die neue Technik bereit. Vorausgegangen war eine rund viermonatige Projektphase, in der vor allem die Schnittstellen zwischen dem Lagerverwaltungssystem (LVS) Sicalis, der Spracherkennungssoftware Voice Catalyst und der Voice Console von Honeywell entstanden. Die Voice Console ist eine browserbasierende Anwendung zum Verwalten von Geräten, Arbeitskräften und Konfigurationseinstellungen sowie zur Systemdiagnose. Sie unterstützt verschiedene Betriebssysteme, Datenbanken und Browser. Managementfunktionen für Geräte und Bediener geben einen Überblick darüber, wer gerade Voice-Geräte einsetzt und welche Anwendungen auf den Geräten jeweils laufen. Zudem lassen sich neue Benutzerprofile anlegen und anpassen.

Die Kommissionieraufträge werden direkt aus dem LVS via WLAN an das Sprachsteuerungsgerät – den sogenannten Talkman – gesendet. Dort wandelt die Software Voice Catalyst die Informationen in Sprachbefehle um, die dann per Bluetooth zum Headset des Mitarbeiters gelangen. Bei RS Components sind zwei verschiedene Typen von Talkman und Headset im Einsatz, unter denen die Mitarbeiter frei wählen können. Den größten Anteil haben die Talkman-Geräte vom Typ A730 mit integriertem Scanner und kabellosem Headset. Von diesem Modell stehen insgesamt 28 Einheiten zur Verfügung. Hinzu kommen fünf Talkman-Geräte vom Typ A720 mit kabelgebundenem Headset. Manche Mitarbeiter bevorzugen diese Variante, weil die Headsets etwas leichter sind. Dafür lassen sich die Sprachsteuerungsgeräte vom Typ A730 aufgrund der Kabelfreiheit leichter anlegen.

 

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17 Prozent mehr Leistung

Mithilfe der Sprachsteuerung erreichen Kommissionierer nun 70 Picks pro Stunde, womit sie die frühere Methode mit Picklisten um rund 17 Prozent übertreffen. Damals lag der Durchschnitt bei 60 Picks pro Stunde. Zu dieser Leistungssteigerung trugen unter anderem die deutlich beschleunigten Prozesse bei Minder- oder Fehlmengen am Entnahmeort bei. Beim früheren Arbeiten mit Picklisten mussten die Mitarbeiter Fehlmengen sofort am PC eingeben, was umständlich war und darüber hinaus lange Wegezeiten nach sich zog. Durch Pick-by-Voice werden Fehlmengen jetzt im Sprachdialog direkt am Lagerort gemeldet.

Schneller als zuvor stellt sich nun auch die Einarbeitung dar: Bis ein neuer Mitarbeiter die gleiche Pick-Leistung wie seine Kollegen bringt, vergehen in der Regel nur drei Tage. Beim Kommissionieren mit Picklisten lag dieser Wert noch bei fünf Tagen. Mit der Sprachsteuerung sei aber nicht nur die reine Pickleistung, sondern auch die Qualität gestiegen. Der Fehlerindex verbesserte sich von 99,7 auf jetzt 99,9 Prozent. Für das Entstehen dieser Werte ist neben der Technik sicher auch deren Akzeptanz durch die Belegschaft ausschlaggebend. Die Anwender müssen sich mit der Bedienung der Technik wohlfühlen.

Die Kommissionierer können deshalb nicht nur zwischen den verschiedenen Talkman-Modellen wählen, sondern auch die Feinheiten der Prozesse bestimmen. Dafür stehen sogenannte Task-Pakete bereit, die sich vom Mitarbeiter im Sprachdialog festlegen lassen. So kann sich zum Beispiel jeder Mitarbeiter aussuchen, ob die Lagerortadressen in Form einzelner Buchstaben (N) oder gemäß Funkalphabet (Nordpol) in Worten angesagt werden. Außerdem stehen für sämtliche Abläufe bebilderte Anleitungen oder sogenannte Helpcards zur Verfügung.

Potenzial von Task-Paketen

Sprachsteuerung

Mithilfe der Sprachsteuerung hat sich die Pick-Rate der Kommissionierer deutlich erhöht. RS Components

Darüber hinaus unterliegen die Task-Pakete einem kontinuierlichen Verbesserungsprozess. Ein Beispiel liefert das Identifizieren der Auftragswannen vor dem Start der Bearbeitung. Jede Wanne verfügt über einen Barcode, der mit dem Talkman A730 gescannt wird – beim Modell A720 werden hierfür die letzten vier Ziffern des Barcodes per Spracheingabe erfasst. Ursprünglich war der Scan-Prozess so definiert, dass sich der Scanner nach Beendigung des vorangegangen Auftrags automatisch einschaltete. Dadurch hätte sich der Bediener zwar einen Tastendruck erspart, aber das Licht des Scanners war dadurch unnötig lange aktiviert. Im Logistikzentrum wollte man jedoch ausschließen, dass Mitarbeiter vom Laser geblendet werden oder versehentlich eine falsche Wanne scannen, und ließ das Task-Paket entsprechend ändern.

Änderungen und Anpassungen der Task-Pakete übernimmt das Unternehmen Dematic, das als Projektpartner von Honeywell das gesamte Projekt begleitet. Die zur Kion-Gruppe gehörenden Materialfluss-Spezialisten hatten bereits das im Jahr 2003 eröffnete Distributionszentrum geplant und gebaut. Da lag es nahe, Dematic auch mit der Umstellung auf Pick-by-Voice zu beauftragen. Weiteres Potenzial sieht der Distributor in der Optimierung der Wege der Kommissionierer und in der Einführung eines Multi-Order-Pickings. Außerdem ist angedacht, auch Inventuren und Einlagerungen mit Sprachtechnik steuern. Schließlich bietet die Sprachsteuerung viele Möglichkeiten, die weit über das Kommissionieren hinausgehen.

Frank Behrens

ist PR & Advertising Manager Central Europe

(tm)

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