Roboter eröffnen neue Wege in der Medizin. Ein wichtiges Ziel ist es, die Entwicklungszeiten zu verkürzen.

Roboter eröffnen neue Wege in der Medizin. Ein wichtiges Ziel ist es, die Entwicklungszeiten zu verkürzen. sfam_photo / Shutterstock.com

Die Medizin setzt große Erwartungen in mechatronische Systeme und Robotik. Sie dienen als elektronisch gesteuerte Körperkraftverstärker und Prothesen oder als Manipulatoren bei Operationen. Weiterhin ermöglichen leistungsfähige eingebettete Prozessoren Lösungen mit Bildverarbeitung, die zusätzliche Effizienz und Genauigkeit in Diagnoseverfahren bieten.

In der Medizintechnik ist die Mensch-Maschine-Interaktion von entscheidender Bedeutung. Medizinische Roboter müssen daher ein hohes Maß an Sicherheit bieten und mithilfe von Sensoren und Steuerungen Gefährdungen zuverlässig ausschließen.

Kamen für Robotik und Automatisierungstechnik früher zentrale Steuerungen zum Einsatz, so gehen die Entwickler hochkomplexer und autark agierender Systeme heute neue Wege: verteilte Intelligenz. Solche Roboter werden nicht mehr von einem zentralen Rechner gesteuert, sondern von einem Netz vieler lokaler Recheneinheiten, so genannten Knoten. Die Idee: Warum soll das Bild einer Kamera erst zu einer zentralen Steuerung laufen, dort ausgewertet und der Bildinhalt als Hindernis interpretiert werden, um dann Steuerungsbefehle an die Antriebe zu geben? Warum kann eine CPU an der Kamera das Bild nicht selbst auswerten und direkt mit den Antrieben kommunizieren? Eine von Synapticon ins Leben gerufene Entwicklungsplattform soll für solche „Distributed Embedded Systems“ die Entwicklung medizinischer Roboter deutlich beschleunigen.

Entwicklungsumgebung mit Chipsatzkonfiguration

Alles muss qualifiziert werden, also wird von Grund auf selbst entwickelt – das war in der Medizintechnik bisher eine durch Normen erzwungene Haltung. Zugekaufte Elektronik und deren Software, wie zum Beispiel eine Motorsteuerung, verschließen sich eben dem Verlangen nach einer durchgängigen Dokumentation. Hier allerdings steht die Anforderung der Qualifizierung einer schnellen Entwicklung medizintechnischer Produkte entgegen.

Synapticon hat daher einen elektronischen Baukasten mit standardisierten Elektronikmodulen und einer neuen Entwicklungsumgebung erstellt. Die „Dynarc“-Plattform für die Entwicklung verteilter Embedded-Systeme ermöglicht es zunächst, schneller zu einem Prototyp zu kommen – dieser muss ja noch nicht qualifiziert werden. Die Entwicklung beispielsweise eines Roboterarms zur Unterstützung des Chirurgen erfolgt zunächst modellbasiert. Die Elektronik, die die einzelnen Motoren des Arms steuern soll, steht als konfigurierbares System zur Verfügung. Aus einer Aktor- oder Sensorsteuerung, einem XMOS-Prozessormodul und einem Kommunikationsinterface stellen die Entwickler die benötigten Knoten flexibel zusammen.

Bei der Zusammenstellung der Elektronik wählt die Dynarc-Plattform automatisch die passenden, quelloffenen Treiberbibliotheken aus und integriert sie. Das System vernetzt sich selbst und stattet sich mit den benötigten Treibern aus. Dabei ist „quelloffen“ das entscheidende Stichwort für Medizintechniker. Hier liegt der Grund, warum die Software zugleich Entwicklung und Qualifizierung von Robotikanwendungen in der Medizintechnik vereinfachen kann.

Mit quelloffenen und durchgängig dokumentierten Softwaremodulen lässt sich die Software qualifizieren, als ob sie komplett selbst entwickelt wäre.

Mit quelloffenen und durchgängig dokumentierten Softwaremodulen lässt sich die Software qualifizieren, als ob sie komplett selbst entwickelt wäre. Synapticon

Lückenlose Dokumentation und Tests

Anspruchsvolle Entwicklungen mit hohen Ansprüchen an qualifizierbare Eigenschaften folgen dem so genannten V-Modell: Jede Phase der Entwicklung ist vollständig dokumentiert und korreliert mit ihrer entsprechenden Phase des Tests und der Qualitätssicherung. Beim Einsatz von Standardbauteilen entstünden Lücken, da beispielsweise die Embedded-Software einer Motorsteuerung nicht zugänglich wäre.

Die Dynarc-Plattform löst dieses Problem durch Offenheit: Durch die Arbeit mit quelloffenen und durchgängig dokumentierten Softwaremodulen lässt sich die gesamte Software qualifizieren, als sei sie komplett selbst entwickelt. Bedenkt man, wie aufwendig beispielsweise die feldorientierte Präzisionssteuerung eines bürstenlosen Gleichstrommotors in der Robotik zu programmieren ist, zeigt sich das Einsparpotenzial in der Entwicklung deutlich. Legen die Entwickler das System zudem auf der Synapticon-Entwicklungsumgebung modellbasiert an, können sie Funktionszusammenhänge auch bereits modellbasiert testen, um den späteren Hardwaretestaufwand zu reduzieren.

Modulare Elektronik ermöglicht individuelle Systemkonfigurationen für den Aufbau von Prototypen.

Modulare Elektronik ermöglicht individuelle Systemkonfigurationen für den Aufbau von Prototypen.Synapticon

Über Prototypen schneller zum Ziel

Das Baukastenprinzip beschleunigt den Aufbau funktionaler Prototypen, die Softwareentwicklung kann schneller beginnen. Sobald die Funktionalität den erforderlichen Grad erreicht hat, kann der Medizintechnikhersteller die individuelle Elektronik für das Serienprodukt in einem voll qualifizierenden Prozess entwickeln oder entwickeln lassen – auch bereits auf Basis der Module.

Die vollständig verfügbare Dokumentation und die Quelloffenheit der Software ermöglichen eine effizientere Realisierung des Serienprodukts, ohne Abstriche bei der Qualifizierbarkeit machen zu müssen.

Nikolai Ensslen

ist Geschäftsführer der Synapticon GmbH in Gruibingen.

(am)

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