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Auf die Schnelle

Das Wesentliche in 20 Sek.

  • In der MRL werden Security und IoT-Aspekten nicht hinreichend abgedeckt
  • Maschinenrichtlinie braucht eine Überarbeitung
  • Straffer Zeitplan bis 2024 vorgesehen
  • Alle 750 harmonisierten Normen könnten betroffen sein

Die Maschinenrichtlinie (MRL) ist das bedeutendste und wichtigste Werk für den Bereich Maschinensicherheit. Aber wie jedes gute und bewährte Regelwerk muss auch sie sich einer regelmäßigen Überprüfung unterziehen. Erfüllt das Regelwerk die gestellten Anforderungen noch ausreichend? Gibt es zum Beispiel technische Entwicklungen, die zu berücksichtigen sind. Um dies zu überprüfen, wurde von der Europäischen Kommission eine Initiative gestartet.

Die Europäische Kommission hat bereits Anfang 2018 den Bericht „Evaluation of Directive 2006/42/EC on Machinery – Final Report“ vorgelegt. Basis waren Statistiken, Befragungen, Dokumente und Interviews. Dieser Evaluierungsbericht zeigt auf, welche Auswirkungen die MRL bisher hat:

  • auf den Maschinenmarkt,
  • auf die Maschinensicherheit,
  • auf Kosten oder
  • auf die Harmonisierung.

Die von der Kommission beauftragten Experten kamen zum Schluss: „Die MRL ist im Allgemeinen relevant, wirksam, effizient und kohärent und bietet einen EU-Mehrwert, jedoch wären spezifische Verbesserungen und Vereinfachungen erforderlich. Bei jeder Überarbeitung der Maschinenrichtlinie wird der Notwendigkeit größerer rechtlicher Klarheit, Vereinfachung und Anpassung an den technischen Fortschritt Rechnung getragen“.

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In der Maschinenrichtlinie werden Security und IoT-Aspekten nicht hinreichend abgedeckt ©bluedesign - stock.adobe.com

MRL-Überarbeitung: die Minenfelder

Die offizielle Stellungnahme führt unter anderem folgende mögliche Problemfelder an:

  • Mangelnde Kohärenz mit dem umfassenderen EU-Rahmen (Neue Konzeption / New Approach) und Schwierigkeiten bei der Durchsetzung
  • Mangel an rechtlicher Klarheit in Bezug auf den Geltungsbereich und die Definitionen. Die Erfahrung bei der Umsetzung der Richtlinie deutet auf einige rechtliche Unklarheiten in einigen ihrer Bestimmungen hin.
  • Herausforderungen des technischen Fortschritts bei der Digitalisierung, wie durch Künstliche Intelligenz und IoT.
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Die Maschinenrichtlinie braucht eine Überarbeitung. Pilz

Für die mögliche Überarbeitung der Maschinenrichtlinie hat die EU-Kommission eine Roadmap veröffentlicht. Darin werden unterschiedliche Optionen für eine Überarbeitung definiert. Diese sind im Prinzip:

  • Keine Änderung
  • Anpassung der MRL an das ‚New Legislative Framework‘ (NLF) ohne inhaltliche Änderungen
  • Anpassung der MRL an das NLF mit Änderungen
  • Inhaltliche Änderung ohne Anpassung an das NLF
  • Überführung der Maschinenrichtlinie in eine Maschinenverordnung in Kombination mit einer der aufgeführten Varianten

Die EG-Maschinenrichtlinie

Die EG-Maschinenrichtlinie (MRL) ist das ­bedeutendste und wichtigste Werk mit ­Gesetzescharakter für den Bereich der Maschinen und Maschinensicherheit. Die MRL, genauer Richtlinie 2006/42/EG des europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Mai 2006 über Maschinen und zur Änderung der Richtlinie 95/16/EG (Neufassung), hat maßgeblich dazu beitragen, den 1993 ­geschaffenen Binnenmarkt zu verwirklichen.
Die Maschinenrichtlinie soll nichttarifäre Handelshemmnisse abbauen. Das europäisch harmonisierte Recht verdrängt die einzelstaatlichen nationalen Bestimmungen zum Inverkehrbringen von Maschinen. Die ­Maschinenrichtlinie entfaltet wie alle Richt­linien, die auf Grundlage des EG-Vertrags ­erlassen werden, keine unmittelbare ­Wirkung. Sie muss in nationales Recht transformiert werden. In Deutschland ist dies über das Produktsicherheitsgesetz (ProdSG) und die darauf gestützte Maschinenverordnung (9. ProdSV) erfolgt, in Österreich durch die Maschinensicherheitsverordnung. Jedoch wird in der deutschen Maschinenverordnung im §1 Absatz (3) direkt Bezug auf Anhang I der Maschinenrichtlinie genommen. Insoweit besteht eine quasi unmittelbare Wirkung der grundlegenden Sicherheits- und Gesundheitsanforderungen der europäischen ­Maschinenrichtlinie. Alle Maschinen, die ­erstmalig in der EU in Verkehr gebracht werden, müssen den Anforderungen der MRL entsprechen. Dort ist geregelt, welche ­formellen und technischen Voraussetzungen an das Inverkehrbringen und die Inbetriebnahme erfüllt sein müssen.

MRL und Harmonisierte Normen
Normen beschreiben umgangssprachlich ­formuliert, den Stand der Technik. Sie haben für sich alleine noch keine rechtliche ­Relevanz. Diese erhalten sie erst durch eine Veröffent­lichung im Amtsblatt der EU ­(Official Journal). Die Veröffentlichung dieser sogenannten harmonisierten Normen löst die ‚Vermutungswirkung‘ aus: Ist eine ­Maschine nach einer harmonisierten Norm hergestellt worden, deren Fundstellen im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlicht worden sind, so wird davon ausgegangen, dass sie den von dieser harmonisierten Norm erfassten grundlegenden Sicherheits- und Gesundheitsschutzanforderungen ­entspricht. Im Umkehrschluss greift bei korrekter ­Anwendung und Umsetzung der für die ­Anlage oder Maschine konkret zutreffenden harmonisierten Normen im Produkt­haftungs- oder gar Schadensfall die ­sogenannte Beweis­lastumkehr der ­Marktüberwachungs- und Justizbehörden.

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Ob sich die Roadmap einhalten lässt? EU-Kommission

Einschätzung des ZVEI zur geplanten Überarbeitung

Eine Überarbeitung der Maschinerichtlinie wird kommen. Vermutlich wird es eine Anpassung an das NLF geben, da die EG-Maschinenrichtlinie 2006/42/EG (noch) nicht mit diesem übereinstimmt. Dabei werden auch die Aspekte der Digitalisierung berücksichtigt.

Der ZVEI stimmt sich auf europäischer Ebene über Orgalime ab, auf deutscher Ebene parallel dazu mit dem VDMA. Nach Konsultationen seitens der Kommission und einem beauftragten Beratungsunternehmen wird es wohl zu begrifflichen Anpassungen der Maschinenrichtlinie an den New Legislative Framework (NLF) kommen.

Darüber hinaus sind weitere ‚kleinere‘ Anpassungen des Hauptteils in Diskussion. Eine Konkretisierung dazu steht aber noch aus. Dr. Hartge, Principal Expert Technische Regulierung im ZVEI, betont, dass man beim ZVEI und auch bei Orgalime keine Notwendigkeit zur Überarbeitung sehe. Der Änderungsbedarf sei nicht so groß, dass die befürchteten Nachteile aufgewogen würden.

Regelungsbedarf gibt es höchstens im Hinblick auf Cyber Security: Denn aktuell wird die Sicherheit von Maschinen oder Anlagen vor deren in Verkehr bringen geprüft. Dies ist beim Thema Cyber Security so nicht mehr möglich, da eine kontinuierliche Bedrohung vorliegt – zumal die informationstechnische Sicherheit dann auch von außen (Hacker) bedroht ist. Dies verlangt andere ‚neuartige‘ industriegerechte Schutzmechanismen.

Zurzeit wird überlegt, diese Aspekte durch zusätzliche Artikel abzudecken, wie es beispielsweise bei der Funkgeräte-Richtlinie RED realisiert wurde. Das Problem bei diesem vertikalen Vorgehen: Mit hoher Wahrscheinlichkeit führt das bei der Umsetzung zu Chaos mit permanenten Anpassungen der Prüfverfahren.

Besser wäre daher ein horizontaler Ansatz als Querschnittsregelung ähnlich den EMV-Regularien. Andererseits gibt es wohl einen ‚großen politischen Druck‘, so dass eine Überarbeitung nicht zu vermeiden sein wird. Deshalb hat die EU-Kommission eine Roadmap veröffentlicht.

Roadmap zur Überarbeitung der MRL

Ziel ist, bis 2021 dem Rat und dem Parlament einen Vorschlag einer geänderten MRL vorzulegen. Mit einem Jahr Beratung und zweijähriger Übergangsfrist wäre dann ab 2024 mit der Anwendung der neuen Maschinenrichtlinie zu rechnen. Die aktuell gemachten Erfahrungen bei der Überarbeitung der RED-Richtlinie waren eher negativ. Daher ist zu erwarten, dass eine Überarbeitung nicht automatisch zu einer Verbesserung der MRL führt. Katastrophal wäre in diesem Zusammenhang eine Änderung des Anhangs I ‚Grundlegende Sicherheits- und Gesundheitsschutzanforderungen für Konstruktion und Bau von Maschinen‘.

Die Konsequenz wäre, dass alle harmonisierten Normen ‒ zurzeit sind über 750 Normen unter der MRL harmonisiert ‒ an die neuen Anforderungen angepasst werden müssten und erst nach deren Anpassung unter der dann neuen Richtlinie gelistet werden könnten.

Zum Vergleich: Bei RED sind bis heute nicht alle ehemals zur alten R&TTE-Richtlinie harmonisierten Normen wieder gelistet! Daher ist eine CE-Erklärung durch den Hersteller selbst nicht möglich. Er muss eine sogenannte ‚Benannte Stelle‘ verpflichtend hinziehen.

Technologische Themen wie Security und/oder die Themen im Kontext Industrie 4.0 müssen auf Sicht abgedeckt werden, die Aufgabe ist, dies intelligent anzugehen.

Was heißt dies?

Für alle am Markt Beteiligte und Aktive ist es wichtig und wünschenswert, sich über ihre Interessenvertretungen aktiv in diesen Prozess einzubringen und das Erreichte und Gute zu bewahren und smart weiterzuentwickeln.

Unabhängig davon gilt es, den Prozess der MRL Überarbeitung (und der harmonisierten Normen) zu verfolgen und sich rechtzeitig zu informieren und die notwendigen Prozesse und Inhalte auf den Weg zu bringen.

Allen damit befassten und beteiligten Stellen sei dabei viel technischer Sachverstand und das unbedingt notwendige Fingerspitzengefühl gewünscht, um die Chance zu nutzen und die Risiken für alle Marktteilnehmer, sprich Hersteller, klein zu halten.

Klaus Stark

ist Vorsitzender des Technischen Ausschusses Sicherheit (TASI) im ZVEI in Frankfurt am Main.

(sk)

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