Gerade mal 1500 elektrisch angetriebene Fahrzeuge fahren schätzungsweise auf unseren Straßen. Bis zur Marktreife und endgültigen Akzeptanz des Elektroautos durch den Verbraucher sind also noch viele Entwicklungsschritte notwendig. Lithium-Ionen-Batterien beispielsweise ersetzen im Elektroauto den Tank. An ihrer Verbesserung wird intensiv geforscht. „Ein Ziel ist, dass die Batterien preiswerter werden. Denn noch sind sie der teuerste Bestandteil eines Elektrofahrzeugs“, schreibt die Politik der Industrie ins Stammbuch. „Weiterhin muss die Energiedichte von Batterien – die Ladekapazität gemessen am Volumen – noch gesteigert werden“, fordert das Verkehrsministerium. Denn gegenwärtig kann eine Batterie viel weniger Energie speichern als ein gefüllter Benzin- oder Dieseltank. Die Reichweite von Elektrofahrzeugen ist daher noch deutlich geringer als die heutiger Autos mit Verbrennungsmotor.

Die Automobilindustrie und ihre Zulieferer befinden sich in einer Zwickmühle. Sie müssen die von der Politik geforderte E-Mobilität schleunigst auf den Weg bringen und dürfen dabei den Anschluss an den Wettbewerb nicht verpassen. Dabei lassen die bislang geringen Stückzahlen der Elektroautos die im Fahrzeugbau gewohnten vollautomatischen Montageanlagen eher unrentabel erscheinen. Jürgen Hierold, Vertriebsleiter des Maschinenbauers Deprag Schulz aus Amberg erläutert die Schwierigkeiten: „Diese Zukunftsbranche steckt bei der Planung ihrer Montagesysteme im Zwiespalt. Die gewählte Technik muss sich später einer Kapazitätserweiterung durch steigende Stückzahlen flexibel anpassen können bis hin zur voll automatisierten Anlage. Aber auch die jetzige Montage kleiner Stückzahlen hat mit höchster Prozesssicherheit zu erfolgen, da sich – wie immer im Fahrzeugbau – Montagefehler als Gefahr für Leib und Leben erweisen könnten.“

Handarbeit ist Trumpf

Montagelinien mit intelligenten Handarbeitsplätzen sind die wirtschaftlichste Lösung für diese Anforderung. Für einen namhaften Zulieferbetrieb entwickelte der Anlagenbauer Deprag in sechs Wochen eine Montagelinie. Mit 40 Handarbeitsplätzen ist es möglich, Leistungssteuergeräte für Elektroautos zu montieren, weshalb Jürgen Hierold anmerkt: „Hier wird das Hirn und Herz künftiger Elektroautos mit mehreren hundert Schrauben prozesssicher verschraubt.“ Den Zuschlag für den Auftrag erhielt Deprag, weil er sämtliche technischen Anforderungen aus einer Hand erfüllen konnte. Die Hauptanforderungen war, die höchste Prozesssicherheit für diese sicherheitsrelevanten Bauteile einzuhalten. Darüber hinaus erforderte die Variantenvielfalt eine hohe Flexibilität. Die empfindlichen elektronischen Bauteile benötigen eine gezielte zuverlässige elektrostatische Entladung (ESD-Fähigkeit) der eingesetzten Anlagenkomponenten. Zusätzlich fordern diese Bauteile ein Montageumfeld, das die Richtlinien nach technischer Sauberkeit zuverlässig erfüllt. Selbstverständlich muss der Handarbeitsplatz ergonomisch sein.

Sämtliche Komponenten sind bereits aufeinander abgestimmt. Große Reibungsverluste und Zeitverzögerungen, die dem Kunden automatisch dann entstehen, wenn er Komponenten von verschiedenen Herstellern beschaffen und technisch aufeinander abstimmen muss, sind dabei ausgeschlossen. Alle Komponenten wie sensorgesteuerte Schrauber, Zuführsysteme, Positions-Kontroll-Portale, Steuer- und Auswertelektronik, Werkzeugwechselüberwachung und Pick-&-Place-Einheiten stammen aus dem Standardprogramm des Unternehmens.

Bei der Verschraubung von Elementen für den Fahrzeugbau liegt die Messlatte hinsichtlich der Prozesssicherheit besonders hoch (VDI-Norm 2862, Kategorie A). Alle Arbeitsschritte müssen überwacht und dokumentiert werden. Wie lässt sich das am Handarbeitsplatz realisieren? Deprag konstruierte zur prozesssicheren senkrechten Führung des EC-Servo-Schraubers ein Positions-Überwachungsportal aus Stahlprofil, das mit einer hohen Genauigkeit den Schraubvorgang steuert: Der Werker befindet sich an seiner Station und arbeitet die ihm gestellten Schraubaufgaben mit unserem Servo-Schraubsystem Minimat EC ab.

Schritt für Schritt durch die Schraubaufgabe

Das neuartige Positions-Kontrollportal führt ihn Schritt für Schritt durch die Schraubaufgabe. Die Sensortechnik aktiviert für jede Schraubposition die zugehörigen Schraubparameter, gibt die Verbindungselemente frei, weist auf den für die Schraubposition notwendigen Klingenwechsel hin, überwacht die Verschraubung und wertet die Schraubergebnisse aus. Die Arbeitsfläche ist in der Höhe verstellbar und schafft die Möglichkeit eines Sitz- oder Steharbeitsplatzes. Die verschiedenen Verbindungselemente werden durch Hubschienenförderer entweder direkt in den Schrauber oder in ein „Abnahmenest“ zugeführt, wo die Schraube auf ihren Einsatz wartet. Die komplette Montagelinie umfasst am Ende über 60 Zuführgeräte.

Anders als beim Vibrationswendelförderer entsteht keine Vibration und kaum Abrieb beim Transport der Verbindungselemente. Zusätzlich werden an allen Stellen Vakuumanschlüsse angebracht, wo Abrieb entstehen kann. Schädliche Schmutzpartikel werden einfach weggesaugt. Auch der Klingenwechsel, wenn von einer Schraubengröße zur anderen zu wechseln ist, dauert kaum länger als ein Wimpernschlag. Eine Toolbox mit intelligenter Schnellwechseleinrichtung und Vakuumführungshülse macht den Klingenwechsel für den Werker zum Kinderspiel. Die ESD-Fähigkeit der Gesamtanlage wurde ebenfalls berücksichtigt.

Ergonomischer Schrauber

Jede Arbeitsstation in der neuen Montagelinie für die Verschraubung der Leistungssteuergeräte von Elektroautos hat eine eigene Ablaufsteuerung auf Basis eines IPC. Die proprietäre Software DCOS kennt die unterschiedlichen Schraubengrößen und -typen, die vorgegebenen Schraubparameter und das anzuwendende Anzugsverfahren sowie das dazu erforderliche Eindrehwerkzeug für jede Position. Auch der Ablauf der Verschraubung ist genau hinterlegt. Der Werker erfasst am Touchscreen genau, wenn die Schraubaufgabe zufriedenstellend gelöst ist.

Nicht nur die Steuerungs- und Messtechnik bürgt für ein gutes Zusammenspiel von Mensch und Maschine. Der Servoschrauber Minimat EC mit seiner sensorgesteuerten Schraubtechnik bietet dem Mitarbeiter auch die Wahlmöglichkeit, den Schrauber durch Andruck oder mit Tastendruck zu starten. Durch Kugellager am Positions-Kontrollportal und Massenreduzierung ist der Schrauber leichtgängig, was Ermüdungserscheinungen beim Werker auf ein Minimum reduziert. Dazu trägt auch der ergonomisch angepasste Schraubergriff bei. Die Visualisierung der Schraubaufgabe mit der DCOS-Steuerung hat ebenfalls einen Anteil an der Werkerführung des Gesamtsystems.

Schnelles Schrauben bei hohem Bedienkomfort

In nur sechs Wochen konnte Deprag eine Montagelinie mit 40 Handarbeitsplätzen konzipieren und aufbauen. Mehrere hundert Schrauben sorgen für den sicheren Aufbau moderner Elektromobilitäts-Technologie. Das neuartige Positions-Kontrollportal erleichtert dabei die Arbeit.

Marisa Robles Consée

ist freie Redakteurin

(mrc)

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DEPRAG Schulz GmbH u. Co.

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92224 Amberg
Germany