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Strommessungen sind eine normale Anforderung in Leistungselektronik-Anwendungen. Der Strom hat hier meist eine Gleichstromkomponente und/oder erfordert galvanische Isolierung. Daher benötigt das Messgerät einen Strommesswandler anstelle eines Stromübertragers: Ein Strommesswandler misst Wechsel- oder Gleichströme. Abhängig von den Anforderungen an Genauigkeit und Bandbreite kommen Strommesswandler mit offener oder geschlossener Regelschleife zum Einsatz.

Genauigkeit gefragt

Höhere Anforderungen an Genauigkeit und Bandbreite lassen sich meist besser mit einer geschlossenen Regelschleife realisieren, wobei Genauigkeit in diesem Fall relativ ist. Die Grundgenauigkeit eines Designs mit offener Regelschleife beträgt typischerweise 1 % bei 25 °C. Die Genauigkeit eines Designs mit geschlossener Regelschleife liegt eher zwischen 0,5 und 0,7 % bei 25 °C. Diese Genauigkeitswerte setzen sich zusammen aus Gain- und Linearitätstoleranzen. Offsetfehler werden typischerweise beim Hochfahren des Geräts kompensiert, und sind daher hier nicht Gegenstand der Betrachtung.

Bild 1: ASIC-basierter Open-Loop-Messwandler: Dank cleveren Designs erreicht er Genauigkeiten, die bisher einen geschlossenen Regelkreis erforderten.

Bild 1: ASIC-basierter Open-Loop-Messwandler: Dank cleveren Designs erreicht er Genauigkeiten, die bisher einen geschlossenen Regelkreis erforderten.LEM

Mit steigender Temperatur beginnen die Designs mit und ohne geschlossener Regelschleife in Bezug auf ihre Messunsicherheit stark voneinander abzuweichen. Bei einer Temperatur von 60 °C wird das Design mit geschlossener Regelschleife nur eine Offset-Drift von zirka 1 % vom Skalenendwert erreichen. Bei gleicher Temperatur kann ein Design mit offener Regelschleife eine Offset- und Gain-Drift von bis zu 3 % oder mehr aufweisen. Diese Temperaturfehler kommen noch zu den bei 25 °C spezifizierten Fehlern hinzu. Anwendungen mit hohen Umgebungstemperaturen und/oder bei denen eine Strommessung eine größere Rolle für die Steuerung spielt, erfordern wahrscheinlich eine Lösung mit geschlossener Regelschleife.

ASIC zur Strommessung

Bild 2: Das Prinzipschaltbild eines ASICs-basierten Strommesswandlers, dass neben Hall-Arrays und Verstärkern auch programmierbare Blöcke vorhanden sind.

Bild 2: Das Prinzipschaltbild eines ASICs-basierten Strommesswandlers, dass neben Hall-Arrays und Verstärkern auch programmierbare Blöcke vorhanden sind.LEM

Die Hall-Zelle ist ein Halbleiterbaustein. Der Verstärker, der sowohl in Geräten mit geschlossener wie auch mit offener Regelschleife (Bild 1) arbeitet, ist ebenfalls auf Silizium aufgebaut. Bis vor etwa zehn Jahren wurden diese beiden Teile eines Strommesswandlers separat gefertigt. Strommesswandler wurden aus diskreten, auf einer gedruckten Platte verlöteten Bauteilen hergestellt. Dies änderte sich mit der Entwicklung eines ASICs (Application Specific Integrated Circuit) für die Strommessung: Die Hall-Zelle und der Verstärker sind auf dem gleichen Die platziert und gemeinsam verkapselt. So entstand ein Strommesswandler auf ASIC-Basis. Der weltweit erste ASIC-basierte Strommesswandler war ein Hall-Zellen-Messwandler mit geschlossener Regelschleife für die Leiterplatten-Montage aus der LTS-Serie von LEM (Bild 2).

Bild 3: Durch die Verdrehung einer Hall-Zelle lassen sich externe Störfelder aus dem Messergebnis eliminieren.

Bild 3: Durch die Verdrehung einer Hall-Zelle lassen sich externe Störfelder aus dem Messergebnis eliminieren.LEM

Das Verdrehen von Hall-Zellen ist eine Technik, die sich mit diskreten Komponenten nur schwer realisieren lässt. Platziert man die Hall-Zelle auf einem ASIC, so lässt sich ein Array von Hall-Zellen implementieren, wobei man anschließend aus deren Messergebnissen einen Durchschnittswert errechnet. Verbindet man diese Technik mit einer Verdrehung der Hall-Zellen, so lassen sich wesentlich genauere Strommessungen erzielen. Mit Verdrehung ist eine Rotation der Stromquelle und der Messpunkte auf der einzelnen Hall-Zelle gemeint, die durch vier Positionen gedreht wird (Bild 3). Durch die Nutzung mehrerer Hall-Zellen zusammen mit einer Verdrehung lassen sich geringere Offset- und Gain-Fehler erreichen.

Einer der größten Vorteile des ASIC-basierten Messwandlers ist seine Flexibilität bei der Wahl der Versorgungsspannung. Herkömmliche Strommesswandler benötigen typischerweise eine bipolare Versorgungsspannung (zum Beispiel ±15 V). Dies ermöglicht ein Ausgangssignal mit Amplitude und Polarität; die Polarität bezeichnet die Richtung des Stromflusses. Beim ASIC-basierten Messwandler kann die Versorgungsspannung unipolar 5 V oder sogar 3,3 V betragen. Ein unipolarer Messwandler liefert die Informationen zur Richtung des Stromflusses indem er eine Referenzspannung nutzt; diese beträgt bei einer Versorgungsspannung von 5 V typischerweise 2,5 V. Ist die Ausgangsspannung gleich der Referenzspannung, dann ist der Strom gleich Null.

Referenzspannung

Der ASIC erzeugt die Referenzspannung selbst. Die proportional zum gemessenen Strom entstehende Spannung addiert oder subtrahiert der Baustein abhängig von der Stromflussrichtung zu oder von der Referenzspannung. Da der Ausgangsverstärker im ASIC nicht den kompletten Aussteuerbereich von Masse bis Versorgungsspannung nutzen kann, reicht der Ausgangsspannungsbereich nur von 0,5 V bis 4,5 V. Je nach der in den ASIC einprogrammierten Empfindlichkeit entspricht der Ausgangsspannungsbereich zwischen 2,5 V und einem entsprechenden Grenzwert dem Dreifachen des Messwandler-Nennstroms. Dies ermöglicht eine Strommessung für Steuerungszwecke und bei Bedarf eine 300-%-Messung für Schutzfunktionen.

Bild 4: Die Referenzspannung selbst kann Abweichugen enthalten. Dieser Fehler lässt sich leicht kompensieren, wenn man die Referenzspannung vom Ausgangswert substrahiert und damit einen bipolaren Wert erhält.

Bild 4: Die Referenzspannung selbst kann Abweichugen enthalten. Dieser Fehler lässt sich leicht kompensieren, wenn man die Referenzspannung vom Ausgangswert substrahiert und damit einen bipolaren Wert erhält.LEM

Die Referenzspannung Vref ist mit einer gewissen Unsicherheit verbunden. Bei den meisten ASIC-basierten Messwandlern wird Vref für Referenzzwecke nach außen auf ein Pin herausgeführt. Dieser Anschluss dient sowohl als Ein- wie auch als Ausgang. Die Ausgangsfunktion kann in Form eines Eingangs in einen Differenzialverstärker zusammen mit der Ausgangsspannung des Messwandlers (Vout) implementiert werden. Subtrahiert man Vref von Vout, so eliminiert das den Vref-Fehler aus dem Messergebnis (Bild 4).

Alternativ kann man Vref und Vout an zwei separate A/D-Wandlereingänge führen und die Ergebnisse in Software voneinander abziehen. Das Vref-Pin kann auch ein Eingang sein, an den man eine externe Referenzspannung anlegt. Dies ist in zweierlei Hinsicht sinnvoll: entweder da eine externe Quelle für Vref genauer sein kann als die intern im ASIC erzeugte Spannung, oder weil sich eine externe Referenzspannung somit auch auf einen anderen Wert verschieben lässt. So kann man Vref durch Anlegen einer gewünschten Spannung an das Vref-Pin erhöhen oder vermindern. Damit lässt sich der Messbereich in eine bestimmte Stromflussrichtung ausweiten. Dies ist sinnvoll bei Anwendungen mit unidirektionaler Stromflussrichtung, bei denen ein weiterer Messbereich mit einem größeren V/A-Ausgangssignal gewünscht wird.

Höhere Zuverlässigkeit

ASICs bieten eine höhere Zuverlässigkeit als diskret aufgebaute Messwandler und sie arbeiten über einen weiteren Temperaturbereich. Damit war auch eine Entwicklung von Strommesswandlern für den Automotive-Markt möglich. Fast jeder Autohersteller bietet als Minimum eine Überwachung des Batteriestroms. Hybrid- und Elektrofahrzeuge enthalten mehr als ein Dutzend Strommesswandler pro Fahrzeug. Die Qualitätsanforderungen im Automotive-Markt zählten zu den wichtigsten Impulsen für die Entwicklung von ASIC-gestützten Lösungen. Unipolare Versorgungsspannung, ratiometrischer Ausgang, niedriges Gewicht (keine vergossenen Gehäuse) und Zuverlässigkeit unter rauen Umweltbedingungen zählen zu den Schlüsselanforderungen für Automotive-Messwandler. Entsprechende Bausteine finden ihren Einsatz heute auch in anderen Feldern wie zum Beispiel bei Offroad-Fahrzeugen und in der Industrieelektronik.

Auf einen Blick

Strommesswandler auf ASIC-Basis sind leichter, robuster und über einen weiteren Temperaturbereich einsetzbar als ihre diskret aufgebauten Pendants. Moderne Varianten erreichen trotz Open-Loop-Design Genauigkeiten, die bisher nur mit geschlossenen Regelkreisen erreichbar waren. Damit eröffnen sich viele neue Anwendungen dieser Bausteine.

ASIC-basierte Messwandler ermöglichen die Integration zusätzlicher Funktionsmerkmale wie Programmierbarkeit, Selbsttestfunktionen, die Integration spezialisierter Ausgangs-Pins zum Beispiel für die Überstromerkennung (OCD, Over Current Detection). Weitere mögliche Funktionen sind der Test von Offset- und Gain-Fehlern bei unterschiedlichen Temperaturen und das Einprogrammieren von Kompensationsparametern während der Fertigung, außerdem Filterfunktionen mit programmierbarer Bandbreite und Reaktionszeit.

Programmierbarkeit

Überstromerkennung dürfte zu den wertvollsten programmierbaren Funktionen zählen. Implementiert man diese Funktion als Pin mit Verbindung zu einer internen Open-Collector-Konfiguration, dann kann ein OCD-Signal beim Auftreten einer Überstromepisode den Betriebszustand des Messwandlers verändern. Der OCD-Schwellwert ist programmierbar und darf außerhalb des Wandler-Messbereichs liegen. So kann man den Messbereich auf den Arbeitsstrombereich fokussieren und die Überlastfunktion separat implementieren. Der Wandler-Messbereich könnte mit einem programmierbaren Filter ausgestattet sein, das für eine Reaktionszeit von 3,5 µs im Steuerbetrieb programmiert ist. Die OCD-Funktion wird nach wie vor innerhalb von 2 µs reagieren. So kann man den für die Steuerung gemessenen Strom mit einer höheren Empfindlichkeit filtern, als dies möglich wäre, wenn man die Schutzfunktion ebenfalls durch den Messbereich abdecken müsste. Ein OCD-Pin macht eine Stromschienen-/Komparatorschaltung überflüssig. Der Überstromschwellwert darf damit um den Faktor 5 höher sein als der Messwandlernennstrom.

Annäherung an Closed-Loop-Funktionsverhalten

Seit mehr als zehn Jahren gibt es jetzt ASIC-gestützte Strommesswandler, und in dieser Zeit entstand eine Menge an Know-how. Die neueren LEM HG2-ASICs der zweiten Generation bieten wichtige Leistungsverbesserungen: Ein Open-Loop-Messwandler auf HG2-Basis verhält sich ähnlich wie ein Messwandlers mit geschlossener Regelschleife. Bei Anwendungen mit niedriger Grundfrequenz (bis 400 Hz) bietet ein LEM HG2-Messwandler mit offener Regelschleife nahezu die gleiche Bandbreite und Reaktionszeit wie ein Messwandler mit geschlossener Regelschleife.

Auch temperaturabhängige Messunsicherheiten liegen näher beim Verhalten eines Wandlers mit geschlossener Regelschleife als bei dem eines ASICs-basierten Wandlers der ersten Generation. Dies ermöglicht ein besseres Betriebsverhalten bei bestehenden Anwendungen; zugleich kann man in Anwendungen mit Leistungsanforderungen, die ASIC-basierte Wandler bisher nicht erfüllen konnten, jetzt solche ASIC-Lösungen einsetzen. Neben den durch die Integration eines OCD-Ausgangs möglichen Leistungsverbesserungen lässt sich der Messbereich jetzt gezielt an den dynamischen Regelbereich einer Anwendung anpassen, was eine weitere Verbesserung der Leistung ermöglicht.

Hoher Funktionsumfang

Die Implementation von Strommesswandlern auf ASIC-Basis ermöglicht einen Funktionsumfang, der mit herkömmlich diskret aufgebauten Messwandlern nie zu erzielen wäre. Durch die Verfügbarkeit hoch zuverlässiger ASIC-basierter Messwandler mit erweitertem Betriebstemperaturbereich lassen sich Strommessungen jetzt auch in Kfz-Anwendungen nutzen. ASICs mit unipolarer Versorgungsspannung kann man mit einfacheren Spannungsversorgungen nutzen. Eine programmierbare Überstromerkennung ermöglicht effizientere Messbereiche, und bietet nach wie vor die Definition von Überlastschwellwerten.

Die Entwicklung von ASIC-Bausteinen der zweiten Generation brachte weitere Verbesserungen des Schaltungsverhaltens. Dank besserem Betriebsverhalten und zusätzlicher Funktionen bieten Open-Loop-Wandler der zweiten Generation fast das gleiche Leistungsverhalten wie herkömmliche Wandler mit geschlossener Regelschleife. Dadurch kann man Bausteine der zweiten Generation unmittelbar in bestehende Open-Loop-Anwendungen implementieren, und damit sofort das Betriebsverhalten verbessern. Bei neuen Designs lassen sich mit Bausteinen der zweiten Generation innovative Lösungen realisieren, und womöglich Messwandler mit geschlossener Regelschleife direkt ersetzen.

Erik Lange

ist Marketing- und Applikationsingenieur bei LEM, USA.

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