Tesla

Das Mindset der deutschen Hersteller muss sich noch ändern, ist Markus Lienkamp überzeugt. (Bild: Matthias Baumgartner)

Als studierter Maschinenbauer und Lehrstuhlstuhlinhaber für Fahrzeugtechnik an der TU München ist Markus Lienkamp ein Exot auf dem 21. Fachkongress Fortschritte in der Automobil-Elektronik: Entstammen die meisten Vortragenden doch dem Industrieumfeld. Er nutzt seine unabhängige Beobachterposition, um eine durchaus provokante Aussage zu formulieren: „Status Electromobility 2017 or how Tesla will not win“, hat er seinen Vortrag überschrieben. Ausgehend vom Status Quo zeigt Lienkamp den Konferenzbesuchern Perspektiven auf, wie sich deutsche OEMs und Zulieferer im Kampf um Marktbeherrschung und Technologieführerschaft gegen den US-Konzern behaupten können. „Amerikaner neigen dazu, Welteroberungen anzustreben, aber die europäischen Kollegen können durchaus dagegenhalten“, fasst der Lehrstuhlinhaber zusammen. In seinem Vortrag ging es vor allem um das Wie und weniger das Warum.

Dass es für die deutschen Hersteller einiges an Aufholarbeit zu leisten gilt, steht für Lienkamp fest. Einige unterschätzten derzeit noch die Geschwindigkeit, mit der sich der automobile Markt hin zur Elektromobilität drehen werde. „Ich war erschrocken darüber, dass viele von Ihnen der Meinung waren, um 2024 sei der Tipping Point erreicht“, sagt Lienkamp. „Das wird viel schneller passieren.“ Einen wesentlichen Treiber der Entwicklung sieht er in den europaweiten Zielvorgaben für CO2-Emissionen, die von erlaubten 164,9 g/km im Jahr 2007 auf 95 g/km im Jahr 2020 drastisch reduziert wurden. Hier können EVs mit einer deutlich besseren CO2-Bilanz punkten. Auch drohende lokale Emissionsbeschränkungen beförderten die Durchsetzung von E-Fahrzeugen.

Diskussion über Fahrverbote treibt Entwicklung

Sobald über mögliche Fahrverbote für Dieselfahrzeuge diskutiert werde, breche der Wiederverkaufsmarkt für Diesel zusammen. Das senke auch die Bereitschaft, in Neuwagen zu investieren. „Dieselmarken sind dann unattraktiv“, erklärt Lienkamp. Generell werde die Dynamik zu ungunsten der Benziner kippen, sobald die Total Cost of Ownership (TCO) von E-Fahrzeugen merkbar absinke – in diese fließt auch deren Wiederverkaufswert ein.

Neben den Kosten habe bislang noch die fehlende Reichweite potenzielle Käufer abgeschreckt. Besonders viele Neuzulassungen waren im ersten Quartal bei Modellen zu verzeichnen, die in diesem Bereich punkten können, wie etwa der Renault Zoe (400 km). Er steht exemplarisch für die Leistungssprünge, die zahlreiche Hersteller über die letzten Jahre in der Batterieleistung und Reichweite gemacht haben. Dass das Model S von Tesla mit 632 km hier Spitzenreiter ist, kommt derzeit noch wenig überraschend.

Doch Lienkamp ist überzeugt: „2020 werden die Dieselhersteller mit E-Autos kommen, die ausreichend Reichweite haben, die technologisch auf einem Top-Stand sind, und bezahlbar.“ Solide Ingenieurskunst macht langfristig den Unterschied. Doch wie kann es gelingen, Tesla hier zu überholen? Im technologischen Teil seines Vortrags macht der Wissenschaftler sich daran, das „Geheimnis Tesla“ Stück für Stück zu analysieren und mögliche Stellschrauben für deutsche OEM aufzuzeigen.

Eine Überholstrategie für Tesla-Konkurrenten

Die Aluminium-Karosserie, mit der Tesla Gewicht reduziert und somit auf die Reichweite einzahlt, ist beispielsweise gar keine Erfindung der Amerikaner. Bereits vor zehn Jahren kam sie bei Audi-Modellen zum Einsatz. Einen intelligenten Materialmix können im Leichtbau die meisten Premium-OEM einsetzen. Tesla sei bei der Bauweise bisher jedoch im Vorteil gewesen, da es gezielt Purpose Design habe betreiben könne, also von Anfang an elektrische Modelle konzipiert habe. Die Umrüstung bereits bestehender Modelle an die Erfordernisse der Elektromobilität ist deutlich teurer. Doch auch hier haben etablierte OEM mittlerweile nachgezogen, und platzieren beispielsweise Batterieeinheiten großflächig unter dem Fahrzeugboden.

Bei den Antrieben setzt Tesla wie etwa auch Toyota derzeit auf die Drehstrom-Asynchron-Maschine, die zwar unkomplizierter und billiger zu fertigen ist als die permanenterregte Synchron-Maschine, die etwa BMW und Nissan verwenden. Sie ist jedoch auch weniger leise und effizient als diese. „Die Drehstrom-Asychron-Maschine entscheidet das Rennen nicht“, sagt Lienkamp.

Auch in Sachen Leistungselektronik, wo Lienkamp großes Entwicklungspotenzial sieht, habe Tesla nicht den Stein der Weisen gefunden. Der auffällige Inverter, den die Amerikaner für das Model S gebaut haben, weist 14 IGBTs pro Schalter auf, die parallelisiert werden. Mit großen Kühlflächen verfüge der zwar über eine gute Überlastfähigkeit und lasse sich durch die standardisierte Bauweise kostengünstiger produzieren als Vergleichsmodelle. Gleichzeitig seien die überdimensionierten Inverter auch verhältnismäßig ineffizient und die parallelisierten IGBTs relativ unzuverlässig.

 

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Kleine oder große Zellen?

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„Solide Ingenieurskunst macht langfristig den Unterschied“: Prof. Dr. Markus Lienkamp ist überzeugt, dass europäische OEMs Tesla langfristig den Rang ablaufen werden. Matthias Baumgartner

Kleine oder große Zellen? Diese Frage wirft Lienkamp mit Blick auf die in der Elektromobilität eingesetzten Batterien auf – und findet auch hier keine eindeutige Antwort. In Sachen Sicherheit und Effizienz, wo der Verlauf des Thermal Runway ausschlaggebend ist, liegt der Vorteil bei kleinen, schmalen Zellen. Speziell prismatische Zellen profitieren dabei von einem besseren Verhältnis von Volumen und Oberfläche. Beim Gewicht haben größere Zellen aufgrund der geringeren passiven Masse Vorteile. Langfristig sieht der Wissenschaftler aber große Zellen auf dem Vormarsch. „Vor 2017 traute man großen Zellen die Sicherheit nicht zu“, erklärt Lienkamp. „Ab 2018 setzen aber auch große OEM wie Opel und Nissan auf große Zellen.“

Um sich auf dem Markt gegen Tesla zu behaupten, ist auch die Connectivity ausschlaggebend. Hier haben, so Lienkamp, die Europäer noch am meisten aufzuholen. Für das autonome Fahren sind beispielsweise regelmäßige Updates notwendig. „Tesla nimmt in seinen Fahrzeugen Software-Updates over-the-air vor, deutsche Hersteller sind da skeptischer.“ Bei Daimler liegt die durchschnittliche Zeit zwischen zwei Software-Versionen etwa zwischen ein bis drei Jahren, bei Tesla sind es zwischen drei und sechs Monaten. „Hier muss sich das Mindset der deutschen Hersteller noch ändern“, sagt Lienkamp.

Lienkamps Fazit

Während Tesla beim konventionellen Autobau für künftige Generationen von Elektrofahrzeugen keine Entwicklungsvorteile mehr hat, hat der Konzern deutlich mehr Erfahrung mit dem Erfassen und Verarbeiten von OTA und ADAS-Daten.

Therese Meitinger

(Bild: Therese Meitinger)
Redakteurin bei den Hüthig-Elektronikmedien

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