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Beim Autokauf entwickelt sich die elektronische Bordunterhaltung zu einem immer wichtigeren Merkmal. Zum Standard gehört bereits ein CD-Radio mit DAB-Tuner und einem Soundsystem. Das Laufwerk sollte MP3-fähig sein und einen Steckplatz für USB-Sticks aufweisen. Eine Bluetooth-Schnittstelle für das Telefon wird ebenso erwartet wie ein Navigationssystem mit bereits aufgespieltem Kartensatz für Europa. Zahlreiche Extras kann der Autokäufer per Konfigurator zusätzlich ordern. Natürlich wollen die Käufer, dass so viel feine Technik durch elektronische Zuordnung zum Fahrzeug gegen Diebstahl gesichert ist.

Bild 1: An insgesamt acht Stationen werden sowohl die Komponenten als auch komplett assemblierte Systeme auf Herz und Nieren geprüft.

Bild 1: An insgesamt acht Stationen werden sowohl die Komponenten als auch komplett assemblierte Systeme auf Herz und Nieren geprüft.MCD Elektronik

Was zunächst der automobilen Oberklasse vorbehalten war, erobert allmählich auch die Mittelklasse. Das erhöht die Stückzahlen, damit aber auch den Wettbewerbsdruck. Ein namhafter japanischer Hersteller von Infotainment-Systemen stand wie viele andere vor der Aufgabe, seine Produktion zu optimieren. Gesucht wurde unter anderem ein Testsystem, das die komplette Produktion der Geräte unterstützt und die extrem hohen Anforderungen der Automobilhersteller erfüllt. Das Optimierungspotenzial gerade auf der Testseite ist groß, auch höhere Investitionen in ausgefeilte Testsysteme amortisieren sich schnell. Das Unternehmen wollte ein kostengünstiges und zukunftssicheres System, das für mehrere Tier-1-Lieferanten an unterschiedlichen Standorten in mehreren Ländern zum Einsatz kommen kann.

Die Consultingfirma des Herstellers kontaktierte auch den Baden-Württembergischen Test- und Prüfspezialisten MCD Elektronik. Nach Vorgesprächen und ersten Präsentationen kam MCD mit neun weiteren Anbietern in das finale Auswahlverfahren und bekam den Zuschlag für diesen bedeutungsvollen Auftrag. Nach einem halben Jahr Entwicklungszeit nahm MCD im Februar 2015 die komplette Testlinie in Japan in Betrieb; weitere Linien für andere Produktionsstandorte dieses Kunden sind bereits in Arbeit.

Die Prüfinhalte waren vom Auftraggeber grob umrissen. Zum Testumfang gehören der Inline-Test des Mainboards, der Inline-Test der digitalen Tunermodule sowie der Test des Komplettsystems mit DVD-Spieler, Mainboard und Digital Tuner. MCD entwickelte ein Gesamtkonzept und leitete davon Detaillösungen ab. Gemeinsam mit dem Kunden nahm die jetzige Modulstruktur Gestalt an. Dabei hatte das Unternehmen aus Birkenfeld bei Pforzheim viel Freiheit bei der Realisierung und der Auswahl der Komponenten und griff dabei auf eigenentwickelte Standardkomponenten zurück. Dazu gehören beispielsweise der Audio-Analyzer mit eigenständiger Scriptengine zur parallelen Auswertung der Messwerte sowie das schaltbare USB-Hub zur Steuerung der umfangreichen USB-Schnittstellen.

Standard und individuell

Bild 2: Die Station „Manueller Funktionstest“ mit zwei Bedienplätzen.

Bild 2: Die Station „Manueller Funktionstest“ mit zwei Bedienplätzen.MCD Elektronik

Anderes entwickelte das MCD-Team speziell für dieses Projekt neu, weil es entsprechende Produkte am Markt bislang nicht gab. Dazu gehört die Programmierung der Geräte über USB mit asynchronem Zugriff, ladbar über PC für gleichzeitig 48 Prüflinge. Auch die Spezialplatine, welche die komplexe Verdrahtung innerhalb der Tester ersetzt, ist eine Neukreation. Sie trägt zur Standardisierung bei und zu besser reproduzierbaren Ergebnissen. Um optimale Ergebnisse zu erhalten, simulierte und testete das süddeutsche Unternehmen mechanische Adaptionen im Vorfeld mit 3D-Drucktechnik. Das 13-köpfige Team, unterstützt von einigen Zulieferfirmen, realisierte die Testlinie binnen 26 Wochen. Zur gründlichen Planungsphase gehörten Versuche mit Boundary-Scan-Lösungen, Fehlerabdeckungsanalysen und zahlreiche Simulationen. Die Testlinie umfasst jetzt insgesamt acht modulare Stationen. Einige davon sind direkt in den Produktionsfluss eingebunden, andere agieren als Offline-Stationen. Jede der Stationen kann eigenständig operieren, ist aber über ein intelligentes Datenhandling in das Management der gesamten Testlinie eingebunden.

Prüfungen am laufenden Band

Bild 3: Die Flash-Anlage. Jeder Trolley kann bis zu 24 Baugruppen aufnehmen.

Bild 3: Die Flash-Anlage. Jeder Trolley kann bis zu 24 Baugruppen aufnehmen.MCD Elektronik

Die Reise der Produkte beginnt beim Inline-Bscan/Funktionstester für Mainboards. Auf dieser Station können zwei Mainboards gleichzeitig und parallel per Boundary-Scan und Funktionstest getestet und programmiert werden. Test und Handling laufen automatisch ab. Die zweite Station ist der Inline-Bscan/Funktionstester für DAB-Tunermodule, der zwölf Module parallel bearbeitet. Der Boundary-Scan-Test, der Funktionstest und die Programmierung aller Module erfolgen gleichzeitig, wobei Test und Handling vollautomatisch ablaufen.

Flashen

Die dritte Station ist die Flash-Anlage für 2 x 24 Geräte, an der parallel bis zu 48 Geräte die Programmierung und Personalisierung der Applikationssoftware durchführen, weshalb das Barcode- und Datenhandling für jedes einzelne Gerät sehr wichtig ist. Auch ein asynchroner Start der Programmierung ist möglich. Über speziell entwickelte Platinen mit intelligentem Datenhandling erfolgt die anschließende Stimulation der Geräte. Das Flashen der Geräte mit Daten, wie beispielsweise Straßendaten für ein Navigationssystem, geschieht über die USB-Schnittstelle mit bis zu 64 GByte je Gerät.

Bild 4: Die Spezialplatine minimiert die Verdrahtung im Funktionstester. Dies spart Arbeitszeiten ein und reduziert Fehler- sowie Materialmängel-Potenziale.

Bild 4: Die Spezialplatine minimiert die Verdrahtung im Funktionstester. Dies spart Arbeitszeiten ein und reduziert Fehler- sowie Materialmängel-Potenziale.MCD Elektronik

Quasi die Folterkammer der Testlinie ist die Run-In-Anlage für 2 x 24 Geräte, in der im Dauerlauf bis zu 48 Geräte gleichzeitig in einer Klimakammer im Bereich von -40 bis +80 °C den Test durchlaufen. Hierzu werden die Headunits an die Steckplätze eines dafür entwickelten Trolleys angeschlossen und in die Klimakammer gefahren. In dieser Zeit prüft das System alle Gerätefunktionen, simuliert automatisch die Eingangssignale und belastet die Ausgänge unterschiedlich. Die Prüfung erfolgt unter anderem auf Aussetzer bei der Audiowiedergabe, nimmt aber auch DVD- und CD-Funktionen wie Ein-/Auswurf sowie den Startvorgang der DVDs genau unter die Lupe.

Der automatische Funktionstest (AFT) überprüft als nächste Prüfstation bis zu vier der komplett assemblierten Headunits. Das Prüfsystem ist auf Funktionstests von USB-, WLAN- und Bluetooth-Komponenten, sowie auf analoge und digitale Messungen von Tuner, AM-, FM-, DAB- und Satellitenempfang spezialisiert. Auch GPS-Tests sowie die Prüfung von Videosignalen, Lüfterfunktionen, Netzwerkschnittstellen, Lichtleistung und MOST-Kommunikation lassen sich mit dem automatischen Funktionstester exakt durchführen. Eine speziell entwickelte Universalplatine minimiert dabei die Verdrahtung im Funktionstester, was Arbeitszeiten einspart und Fehler- sowie Materialmängel-Potenziale reduziert. Die Software erkennt freie Prüfpotenziale und optimiert den Testlauf automatisch, sodass ein einzelner Mitarbeiter alle vier Testplätze gleichzeitig bedienen kann.

Bild 5a und 5b: Die Benutzerführung der Prüfplatzmitarbeiter...

Bild 5a und 5b: Die Benutzerführung der Prüfplatzmitarbeiter...MCD Elektronik

Auch der Werker ist gefragt

Eine Sonderstellung in der Testlinie nimmt der manuelle Funktionstest (MFT) ein. Es ist der Arbeitsplatz von Mitarbeitern, die eine kundenorientierte Prüfung der Geräte vornehmen. Sie prüfen die Geräte aus Anwendersicht, nehmen Hörtests über Kopfhörer vor und prüfen manuell die DVD-Funktionen. Durch Verbinden des Prüflings mit Kfz-Anzeigen und Kfz-Bedienelementen, zum Beispiel mit Lenkradschaltern, lassen sich zwei Geräte sowohl manuell als auch teilautomatisch stimulieren. Sehr praktisch ist die durch Bild- und Videoelemente unterstützte Führung des Mitarbeiters über ein elektronisches Drehbuch. So kann der Prüfplatz je nach Produktionsstandort auf die lokalen Bedürfnisse angepasst werden.

(Bild 5a und 5 b) ... erfolgt in der jeweiligen Landessprache.

(Bild 5a und 5 b) ... erfolgt in der jeweiligen Landessprache.MCD Elektronik

Mehrere Kamerasysteme werfen einen letzten Blick auf das Gerät, und ein Bildverarbeitungsprogramm checkt die Vollständigkeit. Auch die Prüfung der Anschlussstecker auf Anwesenheit und das korrekte Taumelspiel der Anschlussstifte erfolgt in diesem Rahmen. Die Farben von Aufklebern und die Anwesenheit der korrekten Barcodes und Sticker werden untersucht, ebenso die korrekte Montage der Kühlpads für die elektronischen Schaltkreise. In diesem Arbeitsschritt erfolgt auch die Vermessung des Gehäuses, der Führungsschienen und der Befestigungselemente. Dazu gehört auch der Vollständigkeitscheck von Schrauben und Clips. Abschließend erfolgt ein Check der DVD-Mechanik und der Einzugsschlitze.

Die eigentliche Schnittstelle zum Automobilhersteller ist der Auslieferungsplatz. Hier erfolgt unter Verwendung der Kunden-Software die Konfiguration für den Einsatz im Zielfahrzeug. Sie umfasst das Programmieren der Fertigungsdaten und die Konfiguration für den Just-in-Sequence-Versand. Zu den kundenseitigen Daten kommen die Diagnosedaten, Ausstattung, Optionen im Gerät, der Einsatzort, Versionsangaben, Datumsangaben und andere Daten hinzu.

Bild 6: Die Fülle von Features moderner Infotainmentanlagen sind eine echte Herausforderung für die Testingenieure.

Bild 6: Die Fülle von Features moderner Infotainmentanlagen sind eine echte Herausforderung für die Testingenieure. Shutterstock (via Viatico/MCD)

Volle Transparenz

Ein komplexes Programm bereitet alle Diagnosedaten der Prüflinge auf, damit diese per Langzeitspeicherung für eine jederzeitige Inspektion beim Hersteller zur Verfügung stehen. Regelmäßig erfolgt eine Überprüfung der Testanlage selbst, um Fehldiagnosen zu vermeiden. So wertet zum Beispiel der MCD-Datenmanager die Prüfdaten sowie die Stabilitäten und überprüft die Zwischenergebnisse. Eine Kalibrierung der Messdaten erfolgt durch Prüfläufe mit sogenannten Golden Devices. Hinweise auf eventuelle schleichende Veränderungen gibt die dauerhafte Analyse per Trenderkennung über den MCD-Datenmanager. Diese Software ist über Schnittstellen mit dem MES (Manufacturing Execution System) des Infotainmentherstellers verbunden, das die Brücke zwischen der technisch/physikalischen und der betriebswirtschaftlichen Welt schlägt.

Dipl.-Ing. Joachim Tatje

arbeitet bei der Agentur Viatico. Er erstellte diesen Text im Auftrag von MCD Elektronik.

(av)

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