Beim automatischen Bestücken und Löten von elektronischen Baugruppen in der Leiterplattenfertigung sind Produktionsfehler kaum zu vermeiden. Zur Detektion dieser Fehler und zur Sicherstellung der Qualität sind Anlagen zur automatischen optischen Inspektion (AOI) etabliert. Ging es früher im Wesentlichen darum, Löt- und Bestückfehler sicher zu detektieren, so will man heute auch 3D- und Farbmerkmale bewerten und bei der Nacharbeit am Verifikationsplatz zusätzliche Bildinformation zur Vermeidung von Humanschlupf bereitstellen. Häufig werden AOIs hinter der Lötanlage zur Post-Reflow-Inspektion aufgestellt, da an diesem Prüftor die größte Fehlerabdeckung besteht.

In der Serienfertigung werden im Bestückbereich vermehrt Anlagen eingesetzt, die sehr kurze Bestückzeiten erlauben und damit die Durchsatzanforderungen bei der AOI erhöhen. Parallel werden durch die Miniaturisierung der Bauteile und kleinere Pads die Anforderungen an Auflösung und Prüftiefe der AOI immer höher. Die Aufgabe bei der Weiterentwicklung der AOI lautet also: Um für die weiteren Herausforderungen der nächsten Jahre gerüstet zu sein, müssen Prüftiefe und Durchsatz gleichzeitig erhöht werden.

Anforderungen an ein modernes AOI-System

Das AOI-System als End-of-Line-Kontrolle muss die Möglichkeit bieten, Fehlerarten zu erkennen, die die verschiedensten Ursachen haben können. Als wesentliche Einflussfaktoren gelten der Lotpastendruck, die Bauteilbestückung, die unterschiedlichen Bauelemente, der Lötprozess und die Materialeigenschaften von Leiterplatte, Bauteilen und Lotpaste. Jeder Einflussfaktor kann wiederum diverse Fehlerauswirkungen haben, so dass die AOI am Ende die verschiedensten Fehlerausprägungen in den aufgenommenen Kamerabildern erkennen muss. Die Miniaturisierung der Bauteile und Pads ist ein Trend, der unvermindert anhält. Waren früher 0402-Bauelemente bei den Chips üblich, so werden heute 01005-Chips vielfach in der Serienbestückung eingesetzt. Bei den QFP-Bauelementen ist ein Trend vom 0,65-Pitch über den 0,5-Pitch zum 0,4-Pitch zu beobachten. Ein typisches Beispiel für einen Lötfehler ist ein „lifted lead“ an einem QFP, wie er in Bild 2 dargestellt ist.

Die Schrägsichtanalyse wird inzwischen allgemein als notwendiges Merkmal leistungsfähiger, moderner AOI-Systeme angesehen. AOI-Systeme mit ausschließlich orthogonalen Kameras werden nach marktbeherrschender Meinung nicht mehr als ausreichend betrachtet, um eine schlupffreie Lötstellenprüfung zu gewährleisten. Ein besonders augenfälliges Beispiel sind die weiter eingesetzten PLCCs, deren Lötstellen orthogonal verdeckt sind und sich daher nur mit einer geneigten Ansicht sicher prüfen lassen (Bild 3).

Immer häufiger besteht der Wunsch, die Farbe als Merkmal auszuwerten. Dies kann bei der Farbringanalyse von Widerständen, aber auch bei bestimmten Polaritätsprüfungen und Tests zur Bauteilunterscheidung vor der weiteren Prüfung der Fall sein. Die Koplanarität von Bauelementen stellt einen Indikator für mögliche Lötstellenfehler dar. Bei ICs, speziell solchen mit verdeckten Lötstellen (BGAs), ist die Parallelität der Bauteiloberfläche zur Leiterplattenoberfläche und der korrekte Abstand zur Leiterplatte eine notwendige Voraussetzung für gute Lötstellen. Bei Chipbauelementen kann die 3D-Vermessung der Bauteiloberfläche als ergänzende Information genutzt werden, beispielsweise bei der Detektion flacher Auflieger. Dies gilt insbesondere bei ungünstigem Paddesign. Ebenso verbessert sie die Aufliegerprüfung bei IC-Pins, bei der die 3D-Information die klassische Lötstellenprüfung mit Schrägansicht ergänzen kann.

Bei der Verifikation der Prüfergebnisse ist es wünschenswert, neben dem Kamerabild, das für die Auswertung am AOI herangezogen wurde, dem Bediener weitere Bildinformation zur Verfügung zu stellen. Hilfreich sind zum Beispiel die Schrägansichten der Lötstelle und des Bauelements aus bis zu acht Richtungen oder sogenannte Farbverlaufsbilder, bei denen die Neigung der Lot-Oberfläche farbig codiert wird. Ziel dieser Zusatzbilder ist es immer, den Humanschlupf – die irrtümliche Quittierung eines echten Fehlers als Pseudofehler durch den Bediener – möglichst niedrig zu halten. Weitere Prüfungen und Aufgaben, die vermehrt durch das AOI abgedeckt werden sollen, sind Schriftzeichenerkennung (OCR), Lesen von Data-Matrix-Codes, Freiraumprüfung (beispielsweise vagabundierende Bauteile), Erkennung von Zinnperlen und äußere Ersatzprüfungen bei ICs mit verdeckten Lötstellen (zum Beispiel QFN). Benötigt wird daher eine größtmögliche Qualität und Flexibilität der Kamerabilder, um optimale Voraussetzungen für eine automatische Gut/Schlecht-Klassifizierung der Bilder durch die Analysesoftware zu ermöglichen.

Technische Lösungskonzepte

Für die Flexibilität und Qualität der Kamerabilder sind verschiedene Elemente ausschlaggebend. Darunter fallen die hohe Auflösung, die mehrfarbige Beleuchtung aus allen Raumrichtungen, die orthogonalen und geneigten Kameraansichten, aber auch die Möglichkeiten der Farbbildaufnahme für orthogonale Kameras und Schrägsichtkameras. Schließlich sei auch die Möglichkeit der 3D-Vermessung erwähnt.

Bei der optischen Auflösung ist ein möglichst guter Wert wünschenswert. Zwar kann man durch entsprechende mathematische Verfahren (Subpixelverfahren) bei der Auswertung rechnerisch zusätzliche „Auflösung“ erzielen. Das menschliche Auge ist in weiten Grenzen nicht in der Lage, die daraus resultierenden Effekte zu erkennen. Daher kann dies immer nur als Ergänzung zur „echten“ optischen Auflösung dienen. Am Markt erhältliche AOIs arbeiten allgemein mit optischen Auflösungen auf der Leiterplatte von 10 µm bis 20 µm je Kamerapixel. Für 01005-Chipbauelemente sollte für eine sichere Fehlererkennung die optische Auflösung um 10 µm je Pixel liegen. Eine weitere Verbesserung der Auflösung ist dabei durchaus wünschenswert: Die Pads auf der Leiterplatte sind für einen 01005-Chip derart winzig, dass bei schlechten Auflösungen nur noch wenige Kamerapixel die Lötstelle abdecken (Bilder 4a, 4b).

Es ist im Prinzip kein Problem, die optische Auflösung zu verbessern. Allerdings verringert sich bei sonst unveränderten Bedingungen das nutzbare Bildfeld und damit der Durchsatz des AOI-Systems unter Umständen erheblich. Eine Verdopplung der Auflösung von 20 µm auf 10 µm reduziert das Bildfeld und den Durchsatz auf ein Viertel. Auf der anderen Seite vervierfacht sich die Anzahl der Kamerapixel pro Fläche, also beispielsweise auf derselben Lötstelle, und damit die Erkennungssicherheit. Die Kunst besteht also darin, hervorragende Auflösung mit hervorragendem Durchsatz zu kombinieren.

Ein naheliegender Ansatz ist, Kameras auszuwählen, die eine möglichst hohe Anzahl von Pixel auf dem Kamerachip aufweisen. In der industriellen Anwendung sind bisher Kameras im Einsatz, die je nach dem zur Verfügung stehenden Kostenrahmen ein bis fünfzehn Megapixel aufweisen. Die Pixelzahl allein ist allerdings nicht ausschlaggebend. Preiswerte Kameras mit hoher Pixelzahl haben oft nur eine geringe Framerate, die Anzahl der Bilder pro Sekunde, welche die Kamera abgeben kann. Eine hohe Flächenleistung bei der Prüfung der Leiterplatten stellt sich aber nur dann ein, wenn eine hohe Pixelzahl auch mit einer hohen Framerate kombiniert wird.

Übliche Frameraten bei Megapixelkameras liegen bei 10 fps bis 30 fps (frames per second, Bilder pro Sekunde) Eine hohe Framerate ist auch aus einem anderen Grund wünschenswert: Der Anwender möchte häufig – wenn die Systemtechnik diese Möglichkeiten überhaupt zur Verfügung stellt – weitere Bilder mit anderen Beleuchtungen oder Ansichten für die Analyse heranziehen, um die Sicherheit der Fehlererkennung zu verbessern. Jede Bildaufnahme kostet aber Zeit. Je höher die Framerate der Kameras ist, desto unabhängiger wird der Durchsatz des AOI-Systems von der Anzahl der unterschiedlichen Bildaufnahmen.

Neben der Kameratechnik spielt bei der industriellen Bildverarbeitung die Beleuchtung eine entscheidende Rolle. Sie sorgt dafür, dass der Fehler auf der Leiterplatte im Kamerabild eine gut sichtbare Ausprägung hat. Dies ist eine notwendige Voraussetzung dafür, dass die automatische Bildverarbeitung den Fehler möglichst sicher und pseudofehlerfrei erkennen kann (Bilder 5a bis 5c).

Im richtigen Licht

Die verfügbaren Blick- und natürlich auch Beleuchtungsrichtungen spielen also wie beschrieben eine große Rolle. Neben der Richtung spielt aber auch die Farbe der Beleuchtung eine wichtige Rolle. Bestimmte Merkmale treten viel deutlicher hervor, wenn statt weiß farbig (rot, grün, blau) eingesetzt wird. Eine größtmögliche Flexibilität und Einsatzbreite erreicht also ein System, wenn es die Möglichkeit bietet, Beleuchtungen und ihre Intensität, Farben und Richtungen frei definieren beziehungsweise auswählen zu können. Um eine Qualität zu erreichen, die hinreichend gute Wiederholgenauigkeit bietet, sind weitere elementare Anforderungen unabdingbar. Die Kamera- und Beleuchtungstechnik muss über die Software einen hochgenauen Abgleich der Grauwerte der Kameras erlauben. Nur dadurch wird eine vollständige Übertragbarkeit der Programme und die Verwendung derselben Prüfbibliothek für mehrere Anlagen und Fertigungslinien möglich.

Ein wesentliches Unterscheidungsmerkmal der am Markt verfügbaren AOI-Systeme ist die Kameraansicht. Man unterscheidet die orthogonale Kameraansicht (Draufsicht) und die geneigte Kameraansicht (Schrägsicht). Prinzipiell lassen sich viele der oben genannten Fehlerarten durch eine orthogonale Kameraansicht abdecken. Eine kritische Fehlerart für die orthogonale Kameraansicht ist der Auflieger (lifted lead). Dieser lässt sich nur unter günstigen äußeren Randbedingungen (beispielsweise geeignetes Paddesign) in der Draufsicht finden. Speziell bei hohen Qualitätsansprüchen ist aber der Einsatz geneigter Kameraansichten unumgänglich.

Dieser Einsatz geneigter Ansichten erfordert einige Kompetenzen speziell im Bereich Kalibration und Grauwertabgleich. Wird nur eine (orthogonale) Kamera im System eingesetzt, so ist es nicht unbedingt vonnöten, eine ständige Kalibrationsüberwachung zu beherrschen, da sich eine Kamera über die Referenzmarken innerhalb gewisser Grenzen selbst nachkalibriert. Bei einem Mehrkamerasystem muss die Software eine Kalibration der Kameralage zueinander ermöglichen und sinnvollerweise diese auch jenseits der Grundkalibration ständig überwachen. Ermöglicht die Software keine einfache, genaue und schnelle Kalibration, so wird der AOI-Lieferant mit der Integration einer geneigten Ansicht Probleme haben. Die Nutzbarkeit dieses wichtigen Leistungsmerkmals verringert sich dann erheblich.

Auch für die Schrägsichtkameras ist es notwendig, Farbbilder aufnehmen zu können und eine gute Auflösung zu verwenden. Häufig werden für die Schrägsicht aus Kostengründen Kameras minderer Qualität eingesetzt, die entweder eine niedrige Framerate aufweisen oder keine Farbbildaufnahme ermöglichen. Optional sollten die Schrägsichtkameras nicht nur die vier Hauptrichtungen abdecken, sondern durch weitere vier Schrägsichtkameras in den Ecken des Umkreises ergänzt werden können.

Das XM-Sensorkonzept

Die genannten Randbedingungen und neu am Markt verfügbare Hardware haben bei Viscom den Entschluss gefestigt, ein komplett neues Sensormodul mit der Bezeichnung XM (Bild 6) bereitzustellen, das die aktuelle 8M-Sensorik als Ausstattungsvariante für das High-End-AOI S6056 nach oben erweitert. Auch die 8M-Sensorik erfüllt hinsichtlich der Prüftiefe alle genannten Bedingungen, wobei besonders hohe Geschwindigkeitsanforderungen immer wieder den Wunsch nach einer weiteren Durchsatzsteigerung wecken.

Die vorherigen Ausführungen haben deutlich gemacht, dass eine leistungsfähige und hochwertige Kameratechnik für eine AOI-Sensorik, die den heutigen und zukünftigen Anforderungen gewachsen sein soll, unabdingbar ist. Viscom hat sich daher entschieden, die Kameratechnik für das neue XM-Modul komplett selbst zu entwickeln. Für die Kameratechnik bedeutet dies eine Pixelzahl von 25 Megapixel in orthogonaler Ansicht und 5 Megapixel in geneigter Ansicht, eine Auflösung von 8/16 µm/Pixel orthogonal und 16 µm/Pixel geneigt sowie eine Framerate von 45/80 fps orthogonal und 70 fps geneigt. Besonders interessant ist das Feature, bei der orthogonalen Ansicht die optische Auflösung umschalten zu können. Durch die verzögerungsfreie Umschaltung zwischen 8 µm und 16 µm Pixelauflösung kann dort, wo die maximale Auflösung nicht erforderlich ist, nur ein Teil der 25 Megapixel genutzt und damit die Prüfgeschwindigkeit noch einmal erheblich gesteigert werden.

Die hohen Frameraten der Kameras erfordern eine entsprechend leistungsfähige Übertragungsstrecke von den Kameras über den Framegrabber in den Rechner. Da nicht nur die Kameras, sondern auch der eigentliche Framegrabber im Rechner und die Übertragungsstrecke zwischen Kameras und Framegrabber eine komplette Viscom-Entwicklung darstellen, können vier Kameras parallel Bilder aufnehmen und in den Rechner transferieren. Dies ermöglicht eine echte Prüfgeschwindigkeit bei voller Prüftiefe und intensiver Nutzung der Schrägsichtkameras bis zu mehr als 50 cm²/s. Es ergibt sich eine Übertragungsgeschwindigkeit von bis etwa 20 Gbit/s.

Zugleich erlaubt die hohe Framerate eine weitestgehende Unabhängigkeit der Prüfgeschwindigkeit von der Anzahl der verwendeten Bildaufnahme. Zum Beispiel ändert die Hinzunahme der kompletten Schrägsichtprüfung die Prüfzeit bei vielen Leiterplatten nur noch um 10 bis 15 Prozent. Die Aktivierung einzelner, spezieller Prüfmerkmale ist in der Auswirkung auf die Prüfzeit fast nicht mehr messbar und befreit den Anwender aus der Zwickmühle zwischen Prüftiefe und Prüfzeit. Die kompromisslose Optimierung des XM-Moduls führt dazu, dass sich diese Frage gar nicht mehr stellt. Höchste Prüftiefe und größter Durchsatz sind XM-Standard. Natürlich stellt diese hohe Framerate auch besondere Anforderungen an die Intensität der Beleuchtung. Hohe Frameraten bedeuten niedrige Belichtungszeiten. Um dennoch eine gute Grundhelligkeit zu erzielen, kommen SMD-Hochleistungs-LEDs zum Einsatz, die gegenüber herkömmlichen LEDs eine 10-fache Intensität bereitstellen.

Bessere Prüfergebnisse durch XM-Sensorik

Bei der Fertigung elektronischer Baugruppen ist die Optimierung der Herstellungsprozesse ein wesentlicher Faktor, um hohen Qualitätsanforderungen und steigendem Preisdruck standzuhalten. Hier ist die Flexibilität und Leistungsfähigkeit der automatischen optischen Inspektion (AOI) entscheidend. Als entscheidendes Herzstück automatischer optischer Prüfsysteme bestimmen die Kameramodule Durchsatz und Auflösung. Daher gibt es jetzt ein komplett neues Sensormodul mit der Bezeichnung XM, das die aktuelle 8M-Sensorik als Ausstattungsvariante für das High-End-AOI S6056 nach oben erweitert.

SMT Hybrid Packaging 2013, Halle 7, Stand 203

Peter Krippner

ist Bereichsleiter Baugruppeninspektion von Viscom.

(mrc)

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Viscom AG

Carl-Buderus-Straße 9-15
30455 Hannover
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