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Bild 1: Transferjet arbeitet nur bei sehr kleinen Abständen, erreicht hier aber sehr hohe Datenraten. Es sendet zehn mal schneller als Wi-Fi, 100 mal schneller als Bluetooth und 1000 mal schneller als NFC.

Bild 1: Transferjet arbeitet nur bei sehr kleinen Abständen, erreicht hier aber sehr hohe Datenraten. Es sendet zehn mal schneller als Wi-Fi, 100 mal schneller als Bluetooth und 1000 mal schneller als NFC.Toshiba

Braucht der Handy-Markt noch eine Funktechnik? Mobilfunk, WLAN, Bluetooth – es scheint für jede Datenübertragungsanforderung längst mehr als genügend Lösungen zu geben. Neuerungen haben dagegen einen schweren Stand, wie beispielsweise bei WIMAX zu beobachten. Doch mit NFC gibt es ein Gegenbeispiel, das zeigt, dass sich eine Technik auch noch nach Jahren durchsetzen kann, wenn es denn die passenden Einsatzszenarien gibt. Bei NFC ist das die einfachere Kopplung von Bluetooth sowie mit der Unterstützung von Google/Android und Apple nun auch die Bezahlfunktion. Aber was heißt das für Transferjet? Aus technischer Sicht kombiniert Transferjet Nahbereichsfunk à la NFC mit sehr hohen Datenraten. Bild 1 zeigt ein Diagramm, das die Länge der Funkstrecke sowie die erreichbare Datenrate aufträgt: Dank der kurzen Entfernung (zirka 3 cm) kann Transferjet sein Frequenzband exklusiv belegen und erreicht damit brutto 560 MBit/s. Zieht man den Overhead durch die diversen Protokollschichten ab, bleiben für die Anwendung immer noch 375 MBit/s, also fast 47 MByte/s.

Kundennutzen

Bleibt die Frage, wer die Technik tatsächlich braucht. Toshiba hat dazu einige Szenarien ausgearbeitet, die teils durchaus überzeugen. Im Kern geht es darum, digitale Inhalte an einem Point of Sale (POS) zu erwerben und auch sofort auf sein Handy zu übertragen. Bei Bluetooth müsste der Besitzer zunächst die Geräte koppeln und dann relativ lange warten, wenn es sich um größere Datenmengen handelt, beispielsweise Videos oder komplette Filme. Wi-Fi wäre schneller, braucht aber ebenfalls eine Authentifizierung. Eine Cloud-Lösung verschiebt den Download auf später, da fragt sich der Kunde, warum überhaupt er schon am POS bezahlen soll. Erschwerend kommt bei größeren Menschenansammlungen (etwa bei Konzerten) hinzu, dass hier die Mobilfunknetze an ihre Kapazitätsgrenzen stoßen. Da Transferjet nur auf sehr kurze Strecken sendet, stören sich gleichzeitige Übertragungen nicht gegenseitig. Statt komplizierter Kopplung reicht es, das Gerät an den Sender zu halten (Touch and Get) – und in 0,1 s ist das Pairing erledigt.

Auf einen Blick

Über 50 Firmen arbeiten im Transferjet-Konsortium daran, diese Nahbereichs-Funktechnik zu standardisieren und auf dem Markt zu etablieren. Um die Hürden für die Einführung zu senken, bietet Toshiba inzwischen endkundentaugliche Dongels für Windows und Android. Davon profitieren auch Entwickler, da sie vom Proof of Concept über den Feldtest bis zum finalen Produkt auf diese Dongles zurückgreifen können.

Ob man nun als Entwickler daran glaubt, dass Kunden ein E-Book im klassischen Buchhandel kaufen wollen, sich schon während eines Konzerts ein Video der Band auf ihr Handy laden wollen, Filme im Flugzeug kaufen möchten oder den Trailer im Kino mitnehmen: Letztlich wird der Markt über Wohl und Wehe der Technik entscheiden. Auch die Übertragung von Handy zu Handy ist mit Transferjet möglich: Statt sich nur heruntergrechnete Bilder und Videos per Whatsapp zu senden, könnten sich die Besitzer HD-Filme quasi gegenseitig in die Hand geben oder sie in 4K-Auflösung auf den Fernseher streamen. Damit sich diese Vision bewahrheitet, muss sich das Henne-Ei-Problem auflösen. Hier sind wieder die Entwickler gefragt: Ohne einen realistischen Demonstrator wird sich niemand auf die neue Funktechnik einlassen. Und solange die meistens Smartphones kein Transferjet beherrschen, kann es auch niemand nutzen.

Marktreife Lösung

Transferjet-Bausteine für eigene Entwicklungen sind längst auf dem Markt, Toshiba liefert zum Beispiel die Single-Chip-Lösung TC35420 LSI, das Modul TJM35420XLQ oder die Micro-SDIO-Karte TJM35420USQ, jeweils mit Treibern für Linux, Android und Windows. Und als Gegenstelle sind seit September auch Dongles für Android-Smartphones und Windows-PCs auf dem Markt. Toshiba liefert diese Dongles nicht nur an Entwickler, sondern konsequenterweise als Consumer-Produkte in den Fachhandel, zusammen mit endkundentauglichen Apps und Anleitungen. Damit sind Feldtests der Technik wesentlich leichter als bisher und sogar ein Produktivbetrieb ist möglich.

Bild 2: Toshiba liefert inzwischen Transferjet-Dongles für Android oder Windows in den Fachhandel, die sich direkt an Endkunden wenden.

Bild 2: Toshiba liefert inzwischen Transferjet-Dongles für Android oder Windows in den Fachhandel, die sich direkt an Endkunden wenden.Toshiba

Die ersten Transferjet-Adapter werden im Micro-USB-Format für Smartphones und Tablets mit Android und im USB-Format (Bild 2) für PCs mit Microsoft Windows verfügbar sein – zunächst im zentraleuropäischen Retailmarkt. Der unverbindlich empfohlene Verkaufspreis für zwei USB-Dongles liegt bei 59 Euro. Um die Vermarktung zu forcieren und eine breite Verfügbarkeit der Transferjet-Adapter sicherzustellen, hat Toshiba weitere Partnerschaften angekündigt.

Gute Chancen

Damit stehen die Chancen für Transferjet wieder besser: Ein Dongle ist für den Kunden sicher keine dauerhafte Lösung, es erleichtert aber den Einstieg in diese Technik. Und Elektronik-Entwickler sparen sich enormen Design-Aufwand, da sie nur die Sende-Seite selbst aufbauen müssen und als Gegenstelle bereits eine komplette Lösung vorfinden. Die Windows-USB-Dongle helfen auch beim Aufbau von POS-Terminals.

Dr.-Ing. Achim Leitner

ist Chefredakteur von all-electronics.de.

(lei)

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