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Mit dem digitalen Zwilling steht eine virtuelle Abbildung (linke Hälfte) der geplanten oder gebauten Maschine (rechte Hälfte) zur Verfügung. (Bild: machineering / Trumpf)

Der Fokus bei Trumpf Austria liegt auf einer agilen und modularen Entwicklung sowie einem effizientem Projekt- und Produktmanagement. Entwicklungsprozesse sollen ständig verbessert werden. Dabei spielt der Einsatz einer geeigneten Simulationssoftware zur virtuellen Inbetriebnahme eine entscheidende Rolle. Um sich einen Überblick über bestehende Simulationsanwendungen zu verschaffen, wurde eine Internetrecherche durchgeführt und Messen besucht. Schließlich kristallisierten sich noch drei Unternehmen heraus, die ihre Simulationslösung vorstellten.

„Es war aber nach den Präsentationen schnell klar, dass nur Industrial Physics unsere Anforderungen erfüllt und gleichzeitig einfach und intuitiv ans Ziel führt“, berichtet Stephanie Shamiyeh aus dem Team Steuerungsentwicklung bei Trumpf Maschinen Austria. „In dem Termin zeigte machineering, dass ihr System schnell und unkompliziert Modelle aufbaut und – angebunden an eine reale SPS – auch bewegt.“ Zusätzlich waren die AR-Brillen und die damit erzeugten Hologramme eindrucksvoll und regten die Phantasie über mögliche Anwendungsszenarien im Unternehmen an. „Mit industrialPhysics haben wir die Möglichkeit, Algorithmen und Abläufe auf dem Bildschirm völlig risikofrei zu testen und erst dann auf die Maschine zu gehen. Es gibt allen Beteiligten die Sicherheit, dass die in der Simulation getesteten Abläufe auch auf der realen Maschine genauso funktionieren“, erklärt Shamiyeh.

Simulieren statt Ausprobieren

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Vom PC... machineering

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...in die Realität Trumpf

Die bisherige Vorgehensweise bei Trumpf Austria sah vor, dass die Mitarbeiter der Software-Entwicklung erst dann an der Maschine testen und mechanische Änderungsnotwendigkeiten aufzeigen konnten, wenn der Prototyp fertig in der Halle stand. „Dann muss meistens alles sehr schnell gehen, und es blieb teilweise zu wenig Zeit, den für eine gute Software nötigen iterativen Prozess mehrfach zu durchlaufen“, erinnert sich Shamiyeh. Mithilfe einer virtuellen Inbetriebnahme können nun die Software-Entwickler lange vor dem Aufstellen des ersten Prototyps mit ihrer Arbeit am Projekt beginnen. Bis zum Einsatz der realen Maschine, sollen bereits getestete Abläufe fehlerfrei abgefahren werden. Auch danach, wenn die freie Zeit an der Maschine rar ist, lassen sich viele Funktionen in der Simulation testen und damit die Zeit am Prototypen einsparen.

„Schon bei der ersten Präsentation ging der machineering-Experte auf unsere Wünsche und Anforderungen ein und versuchte, so viel wie möglich auch aus der Praxis zu zeigen“, erzählt Shamiyeh. Besonders gut hat dem Maschinenbauer gefallen, dass industrialPhysics selbst noch ein relativ junges Produkt ist. Dadurch besteht die Möglichkeit der flexiblen Ausrichtung nach den Wünschen von Trumpf Austria. „Bei der Implementierung konnten wir vieles selbst erstellen, vor allem in den Grundfunktionen. Nach und nach lernten wir alle Funktionen kennen und konnten diese auch sinnvoll nutzen“, sagt Shamiyeh. „Da machineering noch teilweise für uns neue Funktionen implementierte, waren wir oftmals per TeamViewer oder direkt bei uns am Standort in Kontakt.“

Wie sich das Simulationsmodell erweitern lässt, lesen Sie auf Seite 2.

Erweiterbares Simulationsmodell

Nach dem Startworkshop bei machineering in München und einem gezielteren Workshop im Unternehmen war ein Modell vorhanden, mit dem die Visualisierung bereits gut funktionierte. Nach einigen Wochen im Einsatz kamen zusätzliche Anforderungen an das Simulationsmodell hinzu. Im Rahmen eines weiteren Workshops wurden gezielt alle Details implementiert, bis der Werkzeugwechsler tatsächlich auch Werkzeuge in die Maschine schob. „Mittlerweile kann der virtuelle Werkzeugspeicher durch Importieren unserer Werkzeugdateien gefüllt und die virtuellen Werkzeuge, überwacht von der gesamten Sensorik, in die Abkantpresse geschoben werden“, freut sich Shamiyeh.

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Vor allem bei den „Rails“, auf denen sich die Werkzeuge in der Maschinen bewegen, half die Simulation den Mitarbeitern von Trumpf. Machineering / Trumpf

Als eine besonders große Herausforderung empfanden die Trumpf-Mitarbeiter die „Rails“, auf denen sich die Werkzeuge bewegen. Diese wurden von machineering auf die individuellen Bedürfnisse zugeschnitten und haben sich stets mit den Anforderungen weiterentwickelt. In der Testphase der Weiterentwicklung war das Maschinenverhalten manchmal undurchschaubar und warf gelegentlich Fragen auf, die aber mit dem Support stets recht schnell gelöst werden können.

Trumpf Austria nutzt industrialPhysics vor allem, um mit der Softwareentwicklung frühzeitig beginnen zu können. Dabei reicht anfänglich eine einfache Visualisierung der Bewegungen. Erst nachträglich haben werden weitere Details, Sensorik und Werkzeuge eingearbeitet, um die Simulation zu erweitern.

Automatisierte Kollisionsprüfungen und Sicherheitstests

Seit April 2017 ist industrialPhysics beim Maschinenbauer im Einsatz, wobei das angestrebte Ziel erreicht wurde: „Der zeitliche Vorsprung in der Entwicklung ist enorm. Das Verhindern unnötiger Crashs an der echten Maschine, die sowohl Zeit als auch Geld kosten, ist wichtig für uns“, berichtet Shamiyeh. „Derzeit sind wir dabei, industrialPhysics auch auf eine bereits bestehende Maschine auszurollen. Wir erhoffen uns dadurch Zeit und Arbeitsaufwand beim Software-Test zu sparen, indem wir automatisch angestoßene Kollisions-Tests auf verschiedenen Konfigurationen laufen lassen können.“ Für die Zukunft ist es geplant, auch automatisierte Kollisionsprüfungen und Sicherheitstests bei verschiedenen Maschinenkonfigurationen zu realisieren, um eine schnellere Freigabe neuer Software-Versionen zu erzielen. Außerden will Trumpf die Software bei Kundenpräsentationen in Verbindung mit der AR-Brille HoloLens einsetzen.

Digitaler Prototyp zur virtuellen Inbetriebnahme

Prozess Digitaler Zwilling

Der digitale Zwilling ist die Ableitung des Simulationsmodells (Digitale Prototyp), das idealerweise bereits während der Entwicklung entsteht. machineering

Im klassischen Prozess – also vor der Möglichkeit einer virtuellen Inbetriebnahme – nahmen Hersteller den direkten Weg über Entwicklung über Montage, Inbetriebnahme und Produktion beim Betreiber. Aber oftmals mit fatalen Folgen: Ohne die Möglichkeit, virtuell die Konzepte zu testen, kamen erst mit der realen Inbetriebnahme Fehlplanungen, Ungereimtheiten oder notwenige Änderungen zum Vorschein. Und es kostet viel Zeit und Geld, an einer fertiggestellten Maschine Änderungen vorzunehmen. Daher können Unternehmen heutzutage auf das Absichern aller Entwicklungsschritte und später der realen Maschine für Unternehmen kaum noch verzichten.

Möglich macht das die virtuelle Inbetriebnahme, mit der sich durch einen Digital Prototyp diese Risiken minimieren lassen – wenn nicht gar ausschließen. Denn: die virtuelle Inbetriebnahme kann so oft wiederholt werden, bis alles nach den eigenen Wünschen funktioniert. Erst dann wird die Maschine gebaut. Der sogenannte Gefahrenübergang verschiebt sich im Laufe des Prozesses immer weiter nach vorne. Und die damit lauernden Unwägbarkeiten werden im Vergleich zum klassischen Prozess immer kleiner.

Doch wie entsteht der digitale Zwilling überhaupt? Machineering teilt den Lebenszyklus des digitalen Zwillings in drei Phasen ein:

  • Design- und Herstellungsphase: Hier geht es darum, Konzepte zu testen, zu modifizieren und zu optimieren. Die Basis des digitalen Zwillings auf Maschinenebene bildet ein Simulationsmodell, dem alle Eigenschaften und Funktionen des geplanten Produkts zugewiesen sind – vom Material über die Sensorik bis hin zur Bewegung und Dynamik der realen Maschine. So kann unter nahezu Realbedingungen der digitale Prototyp entstehen – die Basis für ein ganzheitliches Engineering (Continuous Commissioning).
  • Operative Phase: Wenn die reale Maschine in Betreib genommen ist, steht der „echte“ digitale Zwilling zur Verfügung. Während des Entwicklungsprozesses mit allen relevanten Daten gefüttert, kann dieser mit der realen Inbetriebnahme die Messungen und Überwachung im laufenden Betrieb übernehmen. Nachbesserungen und Modifizierungen sind umsetzbar.
  • Erweiterung der Maschine: Die Erkenntnisse, die aus dem Betrieb des digitalen Zwillings gewonnen werden, fließen in die Weiterentwicklung ein. Das Simulationsmodell steht dabei beim Maschinenbauer zur Verfügung, um alle geplanten Erweiterungen vorab sicher durchzuspielen.

Dr. Georg Wünsch

Geschäftsführer und Gründer, machineering

(ml)

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