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Radar, Kamera und Sensordatenfusion

Derzeit entwickelt TRW die zwei Kameras S-Cam4 und Tri-Cam, deren Serienreife für das Modelljahr 2018 geplant ist. In einem sehr frühen Entwicklungsstadium ist TRWs nächste 77-GHz-Radargeneration AC2000, die bei höherer Performance „deutlich kostengünstiger“ sein soll. Schon heute erhöht eine Datenfusion oft die Systemgenauigkeit (siehe Bild 4). Als Weltpremiere präsentierte TRW zudem seinen Notausweichassistenten ESA/AES.

Für die nächsten Jahre erwartet TRW einen deutlichen Anstieg seines Absatzvolumens bei Radar- und Kamerasystemen. Derzeit implementiert TRW mit der S-Cam3 (siehe AUTOMOBIL-ELEKTRONIK 3/2014, S. 24 oder infoDIREKT 312AEL0314) die dritte Generation seiner Monokamera sowie mit der AC1000-Familie die vierte Radargeneration und schaut dabei auch in Richtung teil- und vollautomatisiertes Fahren.

Bild 1: Der Notausweichassistent in Aktion

Bild 1: Der Notausweichassistent in AktionTRW

Je weiter wir uns Fahrzeugen annähern, die es dem Fahrer erlauben, seine Hände für einige Zeit vom Lenkrad zu nehmen, desto mehr Umgebungssensoren müssen bekanntlich verbaut sein. Diese sind notwendig für einen 360-Grad-Rundum-Blick auf die Verkehrssituation und für die Beobachtung des Fahrers, der nach einer Übernahmeaufforderung durch ein Assistenzsystem einige Sekunden benötigt, um wieder selbst die Steuerung seines Fahrzeugs zu übernehmen. „Damit sich so ausgestattete Fahrzeuge realisieren lassen, benötigen wir zukünftig Radarsensoren mit einem breiteren Öffnungswinkel im Nahbereich in Kombination mit einer insgesamt vergrößerten Erfassungsreichweite“, erklärt Andrew Whydell, Director Product Planning Global Electronics bei TRW.

Bild 2b: Die Tri-Cam enthält drei Sensoren mit drei unterschiedlichen Objektiven.

Bild 2b: Die Tri-Cam enthält drei Sensoren mit drei unterschiedlichen Objektiven.TRW

„Die kommenden Kameragenerationen werden vermutlich Objektive benötigen, die auf der Autobahn Fahrzeuge in mehr als 250 Meter Entfernung erkennen und gleichzeitig den Nahbereich überwachen, wenn mit geringer Geschwindigkeit manövriert wird. Unser Ziel ist es, flexible und skalierbare Sensorfamilien zu entwickeln, mit denen Hersteller zukünftige Marktanforderungen vollständig erfüllen können. Gleichzeitig wollen wir unsere Technologien für alle Fahrzeugsegmente und Märkte erschwinglich machen.“

Kameras für das Modelljahr 2018: S-Cam4 und Tri-Cam

Bild 2a: Obwohl sie drei Einzelkameras enthält, soll die Tri-Cam am Spiegelfuß Platz finden.

Bild 2a: Obwohl sie drei Einzelkameras enthält, soll die Tri-Cam am Spiegelfuß Platz finden.TRW

So befinden sich derzeit nach Angaben von Sascha Heinrichs-Bartscher, Chief Engineer für Fahrerassistenzsysteme bei TRW, zwei Kameras der nächsten Generation im Frühstadium der Entwicklung, die für das Modelljahr 2018 in zwei Versionen serienreif sein sollen: die S-Cam4 und die Tri-Cam.

Als Nachfolger der S-Cam3 soll die monokulare S-Cam4 wiederum ein Massenprodukt werden, das allerdings nicht nur eine verbesserte Leistung bei Dunkelheit bietet sondern auch einen neuen Imager und den EyeQ4-Chip von Mobileye enthalten wird, der eine etwa sechsmal höhere Rechenleistung aufweisen wird. Diese Kamera erfüllt die Anforderungen von Euro-NCAP an autonome Notbremssysteme (AEB) sowie ASIL-B gemäß ISO 26262.

Als High-End-Kamera für das teilautomatisierte Fahren soll bis 2018 die Tri-Cam in Serie sein, die aus drei einzelnen Kameras mit drei verschiedenen Objektiven bestehen soll und dennoch am Spiegelfuß an der Windschutzscheibe Platz finden soll. Eine Kamera mit Fischaugenobjektiv kann dann beispielsweise Ampelphasen oder Fahrzeuge auf den Nachbarspuren im Nahbereich erkennen, während eine zweite interne Kamera wie die S-Cam4 mit einem Objektiv für mittlere Reichweite ausgestattet ist. Die dritte interne Kamera verfügt über ein Objektiv mit großer Reichweite, um so eine Fusion mit dem Radar auf Distanzen bis 250 Meter zu ermöglichen.

Bild 3: Die Kamera S-Cam3 ist jetzt verfügbar.

Bild 3: Die Kamera S-Cam3 ist jetzt verfügbar.

Radar der nächsten Generation

Noch in einem sehr frühen Entwicklungsstadium ist TRWs nächste Radargeneration AC2000, die mit 77 GHz arbeitet und mit unterschiedlichen Antennen in Varianten für vorausschauende Sensoren sowie für die Heck-/Seiten-Beobachtung geplant sind. Während bei den aktuellen Radarsensoren des Typs AC1000 noch SiGe-Chips zur Vorverarbeitung des analogen Signals zum Einsatz kommen, setzt TRW beim AC2000 auf die CMOS-HF-Technologie, die einerseits leistungsfähiger ist und andererseits „deutlich kostengünstiger“, so Sascha Heinrichs-Bartscher. Durch die stärkere Integration digitaler Verarbeitung ergibt sich beim AC2000 quasi ein Radar-on-a-Chip, bei dem Sender, Empfänger, Signalverarbeitung sowie Überwachung monolithisch integriert sind. Als Schnittstelle dienen auf der einen Seite die Antennenanschlüsse und auf der anderen Seite ein SPI-Interface zum Mikroprozessor. Ein größerer Öffnungswinkel soll zudem auch die Erkennung von Radfahrern ermöglichen.

Bild 4: Durch Sensordatenfusion erhöht sich die Messgenauigkeit signifikant.

Bild 4: Durch Sensordatenfusion erhöht sich die Messgenauigkeit signifikant.TRW

Sensordatenfusion

Immenses Potenzial sieht TRW in der Sensorfusion, weil sie „durch die Kombination zweier physikalisch unterschiedlicher Prinzipien maximale Robustheit und Sicherheit ermöglicht“, erklärt Sascha Heinrichs-Bartscher. „Da TRW die Sensoren nicht in einem Gehäuse integriert, profitieren Hersteller von der Skalierbarkeit.“ So kommen beispielsweise Einzelsensoren in den A- und B-Segmenten zum Einsatz, während eine Fusion im Premiumsegement eine erweiterte Funktionalität ermöglicht. „TRW kann flexibel auf noch nicht final definierte Euro-NCAP-Anforderungen reagieren“, führt Heinrichs-Bartscher weiter aus – und zwar für „alle AEB-Konfigurationen aus marktführenden Radar-, Kamerasensoren und Sensorfusion aus einer Hand“. So könnten die OEMs „mit einem fusionierten System beginnen und später zu einem Einzelsensor wechseln, um Kosten zu sparen, oder ein Einzelsensorsystem erweitern, wenn die Anforderungen steigen“.

Eine Datenfusion bietet bei ACC und AEB diverse Vorteile wie eine Verbesserung der Objekterkennung und der ACC-Spurzuordnung. Die Fusion ermöglicht es, einscherende Fahrzeuge im Nahbereich früher zu erkennen, die ACC-Zielerfassung auch in engen Kurven fortzuführen und trotz früherer Erkennung weniger Falschziele zu detektieren. Gleichzeitig ergibt sich beim ACC eine verbesserte Reaktion auf stehende Fahrzeuge sowie eine genauere Fahrspurprädiktion durch die Fusion mit der kamerabasierten Spurerkennung. Außerdem lässt sich die eigene Fahrzeugposition genauer erkennen. Bei einer radarintegrierten Datenfusion von S-Cam3 und AC1000 nutzt TRW eine private CAN-Schnittstelle zur Fusion von Radar und Kamera, wobei der Fusionspfad das ACC- und AEB-Verhalten bestimmt.

Im Mittelpunkt wird dabei für TRW eine SDE genannte Safety Domain ECU stehen, die als zentrale Fusionsplattform dient. Sascha Heinrichs-Bartscher gibt noch einen kleinen Ausblick auf die Konzepte der Autos von morgen: „TRW ermöglicht die Funktionstrennung zwischen teilautomatisierten Fahrfunktionen und Euro-NCAP-AEB-Anforderungen. Je nach Herstellerwunsch kommt dabei eine flexible oder eine dezentrale Fusionsarchitektur zum Einsatz.“

In einem VW Passat integrierte TRW als Demofahrzeug mithilfe der Datenfusion aus AC1000 und S-Cam3 ein automatisches Notbremssystem, das auf Fußgänger und Fahrzeuge reagiert sowie gleichzeitig ein ACC mit Follow-to-Stop bietet.

Notausweichassistent

Als Weltpremiere präsentierte TRW seinen Notausweichassistenten (Emergency Steering Assist: ESA) in einem Prototypfahrzeug. Nach der adaptiven Geschwindigkeitsregelung und automatischen Notfallbremse ist die ESA-Funktion der nächste Schritt in der Kollisionsvermeidung: Will der Fahrer einem Hindernis ausweichen, berechnet der Notausweichassistent die besten Ausweichtrajektorien um das Objekt herum. Die elektrische Servolenkung erzeugt dabei ein zusätzliches Lenkmoment, das den Fahrer bei der optimalen Lenkbewegung unterstützt und das Fahrzeug stabilisiert. TRW hat den Notausweichassistenten gemeinsam mit der TU Dortmund entwickelt und ist in der Lage, die Technologie voraussichtlich 2017 für Fahrzeugmodelle ab 2018 auf den Markt zu bringen.

Bild 5: Ein automatisches Notbremssystem in Aktion.

Bild 5: Ein automatisches Notbremssystem in Aktion.TRW

Der Notausweichassistent arbeitet auf Basis einer Datenfusion aus vorausschauendem Radar- und Kamerasensor, um exakt und in Echtzeit die Situation vor dem Fahrzeug zu erfassen. Außerdem verfügt er über eine Schnittstelle zur elektrischen Servolenkung. „Wir haben unseren Notausweichassistenten so ausgelegt, dass der Fahrer jederzeit die Kontrolle behält und das System übersteuern kann. Die ESA-Funktion optimiert lediglich seine Reaktion in Schnelligkeit und Genauigkeit“, erklärte Dr. Carsten Haß, Engineering Manager Integrated Active & Passive Safety Systems bei TRW.

Als Demofahrzeug diente dabei ein umgebauter Opel Insignia, der sowohl ESA als auch AES beherrschte. Beim AES (Automatic Emergency Steering, etwa: automatisches Notausweichen) lenkt das System das Fahrzeug vollautomatisch auf die benachbarte Fahrspur, um die Kollision mit dem Hindernis zu vermeiden. Neben der Fusion aus der Kamera S-Cam2 und dem Radar AC100 spielen in dem ESA/AES-Demosystem auch zwei weitere Subsysteme von TRW eine wesentliche Rolle: eine elektrische Servolenkung mit Zahnstangenantrieb (EPS BD) sowie das Bremssystem EBC450.

Alfred Vollmer

ist Redakteur der AUTOMOBIL-ELEKTRONIK und von all-electronics.de

(av)

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