Welcher Kabelkonfektionär kennt das nicht? Expressaufträge für ein paar hundert Sonderleitungen von Kunde X und Y müssen bearbeitet werden. Dummerweise fehlen aber die passenden Messer, um die Kabel zu bearbeiten. Da die Messerlieferanten nur Standardmesser wie V- oder Radiusmesser am Lager haben und die Fertigung von kabelspezifischen Messern einige Zeit beansprucht, kann der Kabelkonfektionär die Aufträge nicht ausführen.

Einzelader-, Sensor-, Steuer- oder Datenkabel mit kompaktem Aufbau und einfach zu bearbeitenden Isolationen wie PVC lassen sich üblicherweise mit V-Messer oder Radiusmesser abisolieren. Sobald aber die Isolationen zäh, extrem weich oder sehr dünn sind, müssen kabelspezifische Messer wie Form- oder Radiusmesser mit Zentrierung eingesetzt werden.

Bei mehrschichtigen Leitungen oder hitzebeständigen Isolationen mit Textilglasumflechtung funktionieren vielfach auch kabelspezifische Messer nicht, somit bleibt als Lösung nur noch die rotative Bearbeitung.

Prinzip der rotativen Bearbeitung

Das Kabel wird durch die Zentrierbacken exakt zentriert, unmittelbar daneben schneiden die rotierenden Abisoliermesser auf die programmierte Tiefe ein. Dank dem universellen Design der Messer und Zentrierbacken können sämtliche runden Kabel mit den gleichen Messern und Zentrierbacken verarbeitet werden. Das bedeutet jederzeitige Verfügbarkeit, hohe Bearbeitungsflexibilität sowie Kosteneinsparungen für kabelspezifische Messer. Zudem bietet die rotative Bearbeitung eine bessere Abisolierqualität gegenüber der Bearbeitung mit V- oder Radiusmessern.

Bessere Abisolierqualität

Nebst den programmierbaren Verarbeitungsparametern wie Messerdrehzahl, Messereinschneide- und Messerabzugsgeschwindigkeit wird die Abisolierqualität hauptsächlich durch das Schneidkonzept sowie Messergeometrie und Messermaterial beeinflusst. Die Messer sind vorzugsweise in einer Ebene angeordnet und benutzen je nach Kabeldurchmesser einen anderen Eingriffspunkt auf der Messerschneide. Die Messeranordnung in einer Ebene hat den Vorteil, dass weniger Material verdrängt werden muss, was sich positiv auf die Abisolierqualität auswirkt. Der wandernde, durchmesserabhängige Eingriffspunkt der Messerschneide bewirkt eine deutlich höhere Lebensdauer der Messer.

Material, Schneidewinkel, Oberflächengüte sowie Beschichtung haben auch einen großen Einfluss auf die Messerstandzeit sowie auf die Abisolierqualität. Bei der Materialwahl geht es darum, das richtige Verhältnis von Härte und Zähigkeit zu finden. Bei zu geringer Härte ist der Verschleiß der Messer zu groß, bei zu hoher Härte besteht die Gefahr, dass die Messer ausbrechen.

Beim Schneidewinkel geht es hauptsächlich um die Kriterien Abisolierqualität und Messerstandzeit. Ein spitzer Schneidewinkel wirkt sich positiv auf die Abisolierqualität aus, hat aber den Nachteil einer geringen Messerstandzeit. Ein großer Schneidewinkel wirkt sich positiv auf die Messerstandzeit aus, führt aber zu einer schlechteren Abisolierqualität. Die optimalen Messerparameter können nur durch viel Erfahrung oder umfangreiche Tests ermittelt werden.

Rotativ oder kabelspezifisch?

Ob kabelspezifische Messer oder universelle, rotative Messer die bessere Lösung für die Kabelverarbeitung sind, hängt von den folgenden Kriterien ab. Einfache Kabel, die mit V- oder Radiusmesser verarbeitet werden können, sind in dieser Gegenüberstellung ausgeklammert.

Bei der rotativen Bearbeitung werden Universalmesser, also Messer ohne spezifische Kabelanpassungen, eingesetzt. Sämtliche Parameter, die für die Bearbeitung eines beliebigen Kabels benötigt werden, sind programmierbar. Somit können Universalmesser praktisch für alle Kabeltypen eingesetzt und bei Bedarf schnell und kostengünstig ersetzt werden.

Anders sieht es bei den kabelspezifischen Messern aus. Der Aufwand – Logistik, Fertigung, Tests und Kosten – für solche maßgeschneiderten Messer ist relativ groß und die Lieferzeit entsprechend lang.

Bei mehrschichtigen Kabeln wie Koaxialkabel oder hitzebeständigen Kabeln mit Textilglasumflechtung funktioniert nur die rotative Bearbeitung. Die meisten anderen Kabeltypen können sowohl rotativ als auch mit kabelspezifischen Messern verarbeitet werden.

Eine große Vielfalt an Sonderkabeln spricht für die rotative Bearbeitung, weil damit die Kosten für kabelspezifische Messer und unproduktive Umrüstzeiten für die Messerwechsel entfallen. Eine kleine Kabelvielfalt spricht eher für eine Verarbeitung mit kabelspezifischen Messern, da eine Maschine ohne Rotativmodul in der Anschaffung häufig günstiger ist sowie die Zykluszeiten kürzer sind.

Die Anforderungen an die Abisolierqualität sind je nach Kabel, Anwendung und Kunde recht unterschiedlich. Tendenziell ist die Abisolierqualität bei der rotativen Bearbeitung höher, obwohl sich im Großen und Ganzen auch die Verarbeitung mit kabelspezifischen Messern durch sehr gute Qualität auszeichnet.

Fazit

Bei einer kleinen Kabelvielfalt mit mittleren bis großen Verarbeitungslosen ist die Verarbeitung mit kabelspezifischen Messern durch die kürzeren Zykluszeiten und die tendenziell günstigeren Anschaffungskosten einer Maschine ohne Rotativmodul eher geeignet. Bei einer großen Kabelvielfalt fallen die Kosten für die verschiedenen kabelspezifischen Messer sowie die häufigeren umrüstbedingten Maschinenstillstände negativ ins Gewicht.

Demgegenüber eignet sich die rotative Verarbeitung besonders bei einer großen Kabelvielfalt und kleineren bis mittleren Verarbeitungslosen. Der durchgehende Einsatz von Universalmessern bietet größtmöglichste Flexibilität und Lieferbereitschaft sowie eine höhere Verarbeitungsqualität.

Beat Locher

: Produkt Manager, Schleuniger AG.

(hb)

Sie möchten gerne weiterlesen?