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Vorteile der neuen Display-Generation: Im Vergleich mit dem CNC-Operator Panel im 4:3-Format und Folientasten stellt das 24"-Multitouch-Panel viele ­Zusatzinformationen ohne Abdeckung der Kernfunktionen bereit.Schubert

Nicht von ungefähr kommt von der nachwachsenden Anwen­dergeneration die Erwartungshaltung, den gewohnten Look-and-Feel-Standard auch an den Maschinen vorzufinden. Längst haben sich alle an die einfache Handhabung der Smartphones und Tablets gewöhnt. Es geht aber nicht alleine darum, Zoom-, Wisch-, Verschiebe- und Drehbewegungen in das Human ­Machine Interface der Maschinen zu bringen, sondern zusätzlichen Nutzen zu generieren. Denn mit jeder Maschinengeneration steigen deren Funktionalität und damit auch der zu beherrschende Funktionsumfang. Mehr noch: Die Maschinen müssen dabei flexibel, schnell und intuitiv einzurichten und zu bedienen sein. Das verlangt ein möglichst perfektes HMI. Hardware-seitig bilden Widescreen und Multitouch die technologischen Meilensteine hin zu einem optimalen Bedienkomfort. Neben größeren Bildschirm-Formaten hat ein Wechsel zum Breitbild stattgefunden, also vom früheren Bildseitenverhältnis von 4:3 zu 16:9. Aktuell betreffen circa 85 % aller Anfragen das neue Format. Treiber dieser Entwicklung ist zum einen die Multitouch-Funktionalität. Zum anderen produzieren viele Display-Hersteller nur noch 16:9-Displays. Dies forciert die Tendenz zu größeren Displays in Full-HD-Auflösung. Die mei­sten Displays sind für den konventionellen Einbau im Querformat (Landscape) ausgelegt, diverse Varianten unterstützen ebenso Anwendungen in Hochkant-­Anordnung (Portrait).

Bei den Multitouch-Technologien dominiert der Projected Capacitive Touch (PCT). Ausschlaggebend ist das uneingeschränkte Touch-Erlebnis im Vergleich zu analog-resistiven Touchfolien. PCT bietet von Haus aus die gleichzeitige Erfassung mehrerer Berührungen. Die hohe Punktdichte erlaubt eine exakte, sichere Bedienung inklusive kurzen Reaktionszeiten. Auf der glatten Glasscheibe in Verbindung mit dem Touch-Controller lassen Verschiebe- und Drehbewegungen besonders widerstandsarm (ruckfrei) ausführen – speziell über weitere Distanzen auf einem größeren Display. Über verschiedene Touch-Parameter wird die Gestenerkennung unter Windows 7/8 und Linux optimal unterstützt. Ein weiterer Pluspunkt ist die lange Lebensdauer, da die Sensorik gut geschützt hinter Glas praktisch nicht verschleißt.

Multitouch: Mehr Flexibilität durch Dito-Technologie

Die kapazitiven Sensoren werden überwiegend per ITO- oder Dito-Technologie auf der Glas-Rückseite aufgebracht. Diese Sensortechnologie erlaubt ein schmaleres Front-Design als bisher.

Diese von der Panel-Oberfläche unabhängige Multitouch-Funktion erlaubt mehr Freiheitsgrade beim Frontglas, etwa vandalensicheres Glas. Die geschützte Montage der Touch-Sensorik ermöglicht Industrie-PCs mit planen, sickenfreien und nahtlosen Fronten. Solche komplett geschlossenen Ganzglasflächen sind leichter zu reinigen und somit besonders interessant für den Einsatz in hygienisch kritischen Umgebungen, zum Beispiel in der Pharma- oder Lebensmittelindustrie. Außerdem kennzeichnen sie sich durch ihre Widerstandsfähigkeit gegen mechanische sowie chemische Einwirkungen. Nicht zuletzt sorgt die speziell entspiegelte Oberfläche für gute Lesbarkeit.

Nicht nur optisch sorgen ­Wide-
screen, Multitouch und ­Gesten-
steuerung für ­Verbesserungen an der Maschine.

Nicht nur optisch sorgen ­Wide- screen, Multitouch und ­Gesten- steuerung für ­Verbesserungen an der Maschine.Schubert

Bedienelemente mit haptischem Feedback in der Glasfront

Inzwischen können auch zusätzliche Bedien­elemente in eine durchgängige Glasoberfläche ohne überstehende Konturen integriert werden, beispielsweise die bei HMI-Eingabesystemen häufig geforderten Funktionstasten. Außerhalb des aktiven PCI-Arrays sind die Bedienelemente in Schutzart IP65 für schnell ausführbare Bedienhandlungen mit haptischer Rückmeldung im Frontglas eingelassen. Diese Einzeltasten lassen sich in der Symbolik und Beschriftung individuell gestalten und je nach Funktion per LED ansteuern. Die direkte Anbindung dieser Zusatzfunktionen an das HMI beziehungsweise Betriebssystem sorgt für kurze Reaktionszeiten, ohne die Signale über die Steuerung führen zu müssen. Der Datentransfer – sowohl zwischen dem PC-System und den Bedienelementen als auch zur NC/PLC – läuft über einen Kommunikations-Controller, der sämtliche Kanäle bidirektional bedient. Unterstützt werden die gängigen Interfaces, darunter Profibus, Profinet und Ethercat. Auf der Rechner-Ebene haben sich industrielle Mini-ITX- oder eigene CPU-Plattformen bewährt. Moderne Mehrkern-CPUs auf Basis der Intel-Haswell-4th-Generation (i5/i7) und der AMD-eKabini-Prozessoren (mit geringer Verlustleistung) werden dem Leistungsbedarf von Multitouch und großformatiger Grafik gerecht und tragen dennoch zu energieeffizienten System-Auslegungen bei. Mit flexibler Speicherkonfiguration per mSata, SSD oder HDD und angepassten Betriebssystemen (Windows 7/8, Windows Embedded oder Embedded Linux) lassen sich effiziente Visualisierungs- und Steuerungs-Applikationen verwirklichen – sowohl als Open- wie auch als Embedd­ed-Lösungen.

Die plan eingelassenen Kurzhubtasten in IP65 kommunizieren direkt mit der Steuerung.

Die plan eingelassenen Kurzhubtasten in IP65 kommunizieren direkt mit der Steuerung.Schubert

Szenarien bei User Interfaces

Widescreen, Multitouch und Gestensteuerung kombiniert ergeben eine Plattform, die komplett neue, interaktive Bedienszenarien ermöglichen: Beispielsweise wird sich das Navigieren innerhalb von Prozessbildern ändern, oder die Eingabe von Daten oder das Vergrößern von Kennlinien und Graphen. Das Ziel: Den Bediener optimal dabei unterstützen, die jeweiligen Abläufe zu überwachen, intuitiv zu bedienen und zu steuern. Das geht bis hin zur Zweifinger-Bedienung, um eine Fehlbedienung oder unbeabsichtigte Funktionsanwahl zu verhindern.

Eine weitere Innovation stellt die berührungslose Gestenerkennung dar. Bei der auf dem Halios-Controller (High Ambient Light Independent Optical System) basierenden Methodik handelt es sich um ein Annäherungs-Kennungssystem, mit dem mittels Gesten Steuervorgänge auf Entfernungen von bis zu 3 m optisch auslösbar sind. Hierbei wird die Bewegungsrichtung dreidimensional erfasst und in Funktionen wie Wischen, Rotation und Halten umgesetzt.

Für die Programmierung von Bedienoberflächen gibt es inzwischen verschiedene Visualisierungs-Standardbibliotheken. Qt ist ein solch ein offenes, plattformübergreifendes Framework, das eine unkomplizierte und portable GUI-Programmierung ermöglicht. Anwender können damit beispielsweise die HMI-Fenster der Applikationen frei platzieren und selbst Objekte definieren, die genau die User-Interface-Elemente repräsentieren. Ein weiterer Vorteil: Die mit Qt entwickelten Applikationen laufen unter allen Linux- und Windows-Systemen.

CNC mit Widescreen-Multitouch: Alles auf einen Blick

Die Flexibilität von Qt in der GUI-Gestaltung zeigt das HMI einer Werkzeugmaschine: CNC-Bedienfelder sind heute meist noch klassisch aufgebaut, das heißt als 4:3-Visualisierung mit zusätzlicher Folientastatur. Damit lassen sich zwar auch grafische Flächen auf dem Touchscreen abbilden, allerdings nur mit gravierenden Restriktionen: Je nach Umfang der darzustellenden Grafik und der Flächenaufteilung sind überlappende Einblendungen der Screens oder oft wechselnde Fenster unausweichlich – bislang ein notwendiges Übel. Eine gleichzeitige, ungehinderte Kontrolle des Bedieners über alle visualisierten Informationen ist damit nicht gegeben.

Bei dem aktuellen Bedienkonzept auf ­Basis eines 24“-Widescreen-Multitouch-Displays sind jene Funktionen, die bislang über Folientasten bedient wurden, als Touch-Funktionen in das Display integriert. Zudem lässt sich der Touchscreen aufgrund seines erweiterten 16:9-Display-Formats horizontal in verschiedene Arrays unterteilen. Damit hat der Anwender alles auf einen Blick: Die gewohnte NC-Oberfläche wird im 4:3-Format ohne Anpassungsaufwand übernommen. Damit bleibt auch die bisher bekannte Bedienerführung erhalten. Gleichzeitig ist rechts und links daneben Platz, um weitere Touch-Felder für OEM-spezifische Appli­kationen einzufügen, zum Beispiel ein File-Manager, die Werkzeugverwaltung, Maschinen-Kamerabilder, ein spezifisches Soft-Keyboard oder ein alphanumerischer Tastenblock.

Konfiguration und das Handling dieser virtuellen Arrays wird software-mäßig über einen Windows-Manager abgebildet, ein von Schubert Systemelektronik entwickeltes, offenes HMI-Framework auf Qt-Basis, in das sich über verschiedene Plug-ins applikationsspezifische Funktionen einbinden lassen. Zusätzlich können separate, zum Beispiel java-basierende Applikationen, integriert werden. Über eine konfigurierbare Sidebar können diese Applikationen seitlich angezeigt und vom Bediener aufgerufen werden.

Schema des direkten Datentransfers zwischen den im Display eingelassenen Funktionstasten und einer Steuerung.

Schema des direkten Datentransfers zwischen den im Display eingelassenen Funktionstasten und einer Steuerung.Schubert

Mobilmachung kommt in Fahrt

Automatisierungsprozesse im industriellen Umfeld werden heute in der Regel noch über stationäre, zentrale Leitsysteme bedient und beobachtet. Zunehmend kommt aber aus dem technischen Bereich das Bedürfnis, sämtliche Funktionalitäten neben dem Panel-PC auch auf mobilen Endgeräten ansprechen zu können. Moderne HMI-Lösungen müssen daher sowohl stationäre als auch mobile Geräte vollumfänglich unterstützen – beide werden zukünftig gleichermaßen ihre Existenzberechtigung haben. Allerdings sind eher Teilbereiche praktikable Anwendungsszenarien für Smartphone und Tablets, beispielsweise in der Auftrags- und Rezepturverwaltung, Status- und sowie Diagnose und Wartung von Steuerungen und anderen Komponenten.

Das bedeutet: Künftige Internet-basierende HMI-Lösungen müssen im Verbund mit mobilen Endgeräten unabhängig von Hardware und Betriebssystem lauffähig sein. Hier ist HTML5 ins Blickfeld gerückt, weil diese www-Kernsprache ein offener Standard und plattform-unabhängig ist. Außerdem stehen inzwischen unzählige Frameworks zur Verfügung, mit denen HMIs überall mit einem entsprechenden Webbrowser betrieben werden können. Mit HTML5 lassen sich funktional anspruchsvolle und grafisch attraktive HMIs einfach erstellen, auch in Verbindung mit Multitouch- und Gestensteuerung. Bei der Oberflächenentwicklung gilt es die unterschiedlichen Darstellungs-Skalierungen vom HMI-Panel an der Anlage und die reduzierten Teilgrafiken für Tablets sowie Smartphones von Anfang an zu berücksichtigen. Durch eine ausgewogene Bediensymbiose zwischen HMI-Panel und Tablet-PC/Smartphone steigt die Akzeptanz auf der Nutzerseite. Somit entwickelt sich das mobile Endgerät vom reinen Konsumartikel zu einem Bedien-und Überwachungsgerät im industriellen Umfeld.

SPS IPC Drives 2014
Halle 7, Stand 290

Roland Haag

Business Unit Manager Prime Cube bei der Schubert GmbH in Tuttlingen.

(sk)

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