Dr. Heinz-Jürgen Prokop, Vorsitzender des VDW, auf der Jahrespressekonferenz

"Bundeswirtschaftsminister Altmaier hat unlängst die Wirtschaftskrise in Deutschland für beendet erklärt. Dies gilt nicht für weite Teile der Industrie. Die Industrieproduktion wird nach Oxford Economics nochmals sinken", erklärte Dr. Heinz-Jürgen Prokop, VDW-Vorsitzender, auf der Jahrespressekonferenz 2020. (Bild: VDW)

Der Nachfragerückgang, der bereits im zweiten Halbjahr 2018 einsetzte, habe 2019 richtig Fahrt aufgenommen, erläutert Prokop auf der Jahrespressekonferenz in Frankfurt am Main weiter. Das zweistellige Minus von mehr als einem Fünftel habe den Auftragsbestand abgeschmolzen und bestimme nun die Entwicklung 2020. Trotzdem sei das vergangene Jahr viel besser gelaufen als erwartet. „Mit einem Rückgang von nur 1 Prozent lag das Produktionsergebnis mit fast 17 Milliarden Euro nahezu auf dem Rekordniveau von 2018“, berichtet Prokop. Tragende Säule war der Inlandsabsatz, der um 16 % gestiegen ist. Dem gegenüber ist der Export um 9 % gesunken. Das ist vor allem auf den Rückgang der Lieferungen nach Asien um 11 % und nach Amerika um 16 % zurückzuführen. Hier dominieren jeweils die beiden größten Märkte China, -13 %, und die USA, -15 %, das regionale Ergebnis. Europa, die größte Absatzregion, die mehr als die Hälfte der deutschen Exporte aufnimmt, hat sich mit -5 % noch vergleichsweise gut gehalten.

VDW fordert Kurzarbeit zügig zu verlängern

Hintergrund

Die deutsche Werkzeugmaschinenindustrie gehört zu den fünf größten Fachzweigen im Maschinenbau. Sie liefert Produktionstechnologie für die Metallbearbeitung in alle Industriezweige. 2019 produzierte die Branche mit durchschnittlich 73730 Beschäftigten (Betriebe mit mehr als 50 Mitarbeitern) Maschinen und Dienstleistungen im Wert von 16,9 Mrd. Euro.

Vom guten Abschneiden des Inlandsmarktes konnte der Import nicht profitieren. Er ist um ein Zehntel gesunken. Die Beschäftigung war zum Jahresende um 3 % zurückgegangen. Zudem meldete das Ifo-Institut eine Zunahme der Kurzarbeit auf mehr als 18 % der Unternehmen. Doppelt so viele Firmen erwarten dies für die kommenden Monate. „Der Erhalt von Arbeitsplätzen genießt bei uns höchste Priorität“, bekräftigt Prokop. Um weiteren Personalabbau zu vermeiden, sollte die Kurzarbeit von 12 auf 24 Monate zügig verlängert werden, fordert er.

Die aktuelle Kombination aus zyklischem Konjunkturrücklauf, Strukturwandel in der Automobilindustrie, handelsstrategisch motivierten Turbulenzen und zu guter Letzt auch noch dem Coronavirus dämpft die Investitionsneigung weltweit. Weniger als 1 % sollen die Anlageinvestitionen im laufenden Jahr nach Aussagen von Oxford Economics, Prognosepartner des VDW, steigen. Viel besser stehen nur kleinere Märkte da, wie Vietnam, Thailand, die Slowakei, Ungarn und Polen. Sie können die Zurückhaltung der großen Abnehmerländer China, USA, Italien oder Frankreich keinesfalls kompensieren. Folge ist ein entsprechend deutliches Minus bei allen Kenngrößen der deutschen Werkzeugmaschineindustrie im laufenden Jahr, Produktion, Export, Import und Verbrauch.

Deutschland hält Spitzenposition im internationalen Ranking

Im internationalen Ranking hat die deutsche Werkzeugmaschinenindustrie ihre Position im Spitzentrio gehalten, denn auch alle anderen Herstellerländer kämpfen mit ähnlichen Entwicklungen wie die Deutschen. Auf Basis vorläufiger Daten für die Top-20-Produzenten hat der VDW für 2019 einen Rückgang der internationalen Produktion ohne Teile und Zubehör um 3 % auf 72,1 Mrd. Euro berechnet. Im Spitzentrio konnte nur China mit 2 % zulegen. „Im Vergleich zu früheren Wachstumsraten nimmt sich das nur sehr bescheiden aus“, relativiert Prokop. Japan auf Platz 3 verlor sogar 5 %. Im Export bleibt Deutschland Weltmeister. Japan auf Platz 2 verlor ähnlich wie Deutschland ebenfalls 9 %, Italien auf dem dritten Platz 2 %. Im Verbrauch schließlich verliert der weltgrößte Markt China mit 8 % zum zweiten Mal in Folge, die USA liegen mit 3 % ebenfalls unter Vorjahr. Einzig Deutschland auf Platz 3 kann 6 % zulegen.

Auftragseingang der deutschen Werkzeugmaschinenindustrie 2019 enttäuschend

Auftragseingang der deutschen Werkzeugmaschinenindustrie von 2000-2019

Die Kurve zeigt nach unten, dagegen kann auch der versöhnliche Jahresabschluss wenig ausrichten. VDW

Die düstere Prognose des VDW kommt nicht von ungefähr: Im vierten Quartal 2019 sank der Auftragseingang der deutschen Werkzeugmaschinenindustrie im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 20 %. Dabei gingen die Bestellungen aus dem Inland um 18 %zurück. Die Auslandsorders verloren 20 %. 2019 sank der Auftragseingang insgesamt um 22 %. Das Inland notierte -21 %, das Ausland -22 %.

„Die Nachfrage nach Werkzeugmaschinen verlief im vergangenen Jahr enttäuschend“, kommentiert Dr. Wilfried Schäfer, Geschäftsführer des VDW, Frankfurt am Main, das Ergebnis. Mehr als ein Fünftel Rückgang bedeute, dass die Auftragspolster abschmelzen und die Kapazitäten nur noch zu knapp 82 % ausgelastet sind. Daran kann auch der versöhnliche Jahresabschluss im Dezember nichts ändern, der ein Plus von 2 % aufweist. „Es war vor allem der Nicht-Euroraum, der 23 Prozent zulegte“, sagt Schäfer. Dies sei vor allem auf Projektgeschäft in Asien und Osteuropa zurückzuführen und sei noch kein Zeichen für einen Umschwung in der Entwicklung.

Insgesamt ist Schäfer besorgt, weil sich der Auftragsrückgang in fast allen Märkten gleichermaßen vollzieht. Lichtblicke seien kaum auszumachen, ein Indiz dafür, dass der Knoten aus zyklischer Nachfrageschwäche und politisch herbeigeführten, strategisch motivierten Handelskonflikten sowie dem Umbau der Industrie aufgrund der Klimaziele noch nicht gelöst ist.

VDW erwartet keine schnelle Erholung

„Für weite Teile der Industrie wird sich in Deutschland die Durststrecke länger fortsetzen“, prognostiziert Heinz-Jürgen Prokop. Die Industrieproduktion werde hierzulande nochmals sinken. Anlageinvestitionen in den Hauptabnehmerindustrien steigen nur marginal. Für den Werkzeugmaschinenverbrauch wird nach einem leichten Rückgang im Vorjahr 2020 ein Minus von einem Fünftel erwartet.

Beim Geschäftsklima des Ifo-Instituts und beim Einkaufsmanagerindex von Markit, beides Frühindikatoren für die weitere Entwicklung, zeigt sich in vielen Bereichen am aktuellen Rand ein Häkchen nach oben. Dies ist jedoch nicht mehr als ein Hoffnungsschimmer, denn viele Kurven befinden sich noch tief im Minus.

„Daher ist anders als in früheren Abschwüngen nicht damit zu rechnen, dass es sehr schnell wieder aufwärts gehen wird“, erwartet Prokop. Vielmehr sehe die Werkzeugmaschinenindustrie erst im zweiten Halbjahr eine gewisse Bodenbildung beim Auftragseingang, die voraussichtlich jedoch nicht für den Umschwung reichen wird. Die Produktion wird sich also nur langsam erholen und eine Weile brauchen, um wieder das Niveau der vergangenen Jahre zu erreichen.

Digitalisierung und Nachhaltigkeit sind Top-Themen der Werkzeugmaschinenindustrie

„Schwierige Zeiten bieten auch die Chance, sich neu zu erfinden“, ist sich Prokop sicher. Den größten Hebel werde in Zukunft die digitale Vernetzung bieten. Sie sei der Enabler für neue Geschäftsmodelle, ein Terrain, auf dem mit Kreativität noch viel zu erreichen sei.

Mehr Effizienz in der Produktion unterstützt nachhaltiges Wirtschaften und ebnet den Weg in die Kreislaufwirtschaft. Von Bedeutung sind die Steuerungstechnik und eine durchgängige maschinelle Kommunikation. Der drahtlose Zugang zu Informationen in Echtzeit sind ein Schlüssel für die Optimierung von Fertigungsprozessen, Kapazitäten, Energie- und Rohstoffverbräuchen.
Nun ist gerade die Werkzeugmaschinenindustrie in Sachen Nachhaltigkeit laut VDW eine Vorzeigebranche. Werkzeugmaschinen deutscher Herkunft gehörten schon heute zu den nachhaltigsten Produkten, die es gibt. „Das sagen wir durchaus selbstbewusst“, bekräftigt der VDW-Vorsitzende. Sie zeichnen sich durch lange Nutzungsdauer aus. Für alle Komponenten der Maschinen gibt es über lange Zeit hinweg Ersatzteile. Für die Steuerungskomponenten garantieren die Lieferanten Software-Updates für mehrere Generationen. Werkzeugmaschinen werden eher general-überholt und als Gebrauchtmaschinen wiederverkauft, als dass sie ausrangiert werden. Das führt zu einem zweiten und teilweise dritten Maschinenleben. Werden sie am Lebensende verschrottet, lassen sich fast alle Materialien recyceln oder upcyceln, denn es werden vor allem hochwertige Stoffe verbaut, die wiederverwendet werden können. Schließlich ist die Produktivität der Maschinen extrem hoch. Somit wird jedes einzelne Bauteil energie- und ressourceneffizient hergestellt.

Neben der Optimierung von Maschinenkomponenten widmen sich die Hersteller dem Energieeinsatz während der Nutzungsphase. Das eingesetzte Rohmaterial und die Strom- und Medienverbräuche bestimmen die CO2-Bilanz der Produktion mit.

(ml)

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