Jetzt ist der Wendepunkt für die Hochvolumen-Anläufe in der Elektromobilität gegeben“, sagte Peter Schiefer, Division President Automotive bei Infineon. Dies gehe ganz klar aus den Aussagen der OEMs hervor. 90 Prozent aller Innovationen im Auto kommen von der Elektronik und damit von den Halbleitern. Infineon möchte dabei intelligente, innovative und nachhaltige Mobilitätskonzepte anbieten, insbesondere in Anbetracht des stetig wachsenden Verkehrs und der damit einhergehenden Umweltbelastung. Hier komme ein großer Strukturwandel auf die Branche zu: Das Auto der Zukunft wird elektrisch und autonom fahren. Die Automobilbranche rechne damit, dass bis zum Jahr 2025 etwa drei Millionen Autos mit L3-Automatisierung verkauft würden.
Auch ist das Auto der Zukunft vernetzt, was viele neue Dienstleistungen ermöglicht, aber auch die Gefahr des unbefugten Zugriffs in sich trägt – als Konsequenz müsse höchster Wert auf Datensicherheit und Cybersecurity gelegt werden. Autos sollen sicher, sauber und smarter sein – und sauber sei hier das Stichwort: In immer mehr Regionen der Welt existieren feste Vorgaben bezüglich der CO2-Emissionen. Europa habe dabei die ambitioniertesten Ziele weltweit mit 59 g CO2/km im Jahr 2030. Auch aus diesem Grund werden sich Elektrofahrzeuge durchsetzen – bestes Beispiel dafür sei China, wo selbst heute schon viele, vor allem rein elektrische Fahrzeuge unterwegs sind und eine gut ausgebaute Infrastruktur existiert.
Schiefer vermutet, dass die Fahrzeughersteller in Europa sich nicht darauf verlassen können, dass der Verkauf rein elektrischer Fahrzeuge ausreicht, um die Verkaufszahlen zu halten. Deshalb gehe er davon aus, dass in den nächsten fünf bis sechs Jahren der Markt für Plugin-Hybride stark anziehen wird.
Erst in späteren Jahren sollte dann der Verkauf von rein elektrischen Fahrzeugen ausreichen, um die eigenen Marktziele zu erreichen. Die Euro 7 kommt im Jahr 2023 und es sei zu erwarten, dass es zu diesem Zeitpunkt nochmals zu einer großen Innovationswelle kommen wird. Perspektivisch werden Hersteller ab dann immer mehr Entwickler von den Verbrennungsmotoren abziehen und die Elektrofahrzeuge stärker fördern. So könnte es durchaus passieren, dass es schon im Jahr 2021 die letzten Designs für neue Verbrennergenerationen gibt.
Was der Elektromobilität zusätzlich Aufwind verschafft, sei die Prognose, dass sich bis zum Ende der 2020er Jahre die Preise der Batterien soweit verringert haben, dass eine Parität zum Verbrenner-Antriebsstrang besteht. Zusätzlich sorge die Elektromobilität dafür, dass Lärm und Abgase aus den Städten verschwinden.
Die Rolle der Leistungshalbleiter
Aber wie lässt sich Elektromobilität rein praktisch realisieren? Die Antwort ist: Leistungshalbleiter. Diese sind extrem wichtig entlang der kompletten Wertschöpfungskette. Diese beginnt bei der Energiegewinnung: hier sind Leistungshalbleiter in den Invertern der Wind- und Solarenergie und bei der Energieübertragung im Einsatz. In den Ladestationen unterstützen sie das schnelle Laden der Fahrzeugbatterie und im Fahrzeug selbst sorgen sie für die effiziente Wandlung von Gleich- in Wechselspannung und helfen beim Laden der Batterie durch Rekuperation.
Und schließlich sind es auch die Leistungshalbleiter, die für eine sichere und effiziente Leistungsverteilung über die verschiedenen Fahrzeugdomänen hinweg sorgen. In einem durchschnittlichen Pkw mit Verbrennungsmotor befinden sich heute Halbleiter im Wert von etwa 375 US-Dollar, 75 US-Dollar davon fallen auf die Leistungshalbleiter.
Bei einem Elektrofahrzeug liegt der durchschnittliche Wert der reinen Leistungshalbleiter schon bei 450 US-Dollar, allein der Antriebsstrang unterscheide sich hier zwischen Verbrenner und E-Fahrzeug um den Faktor 20. Infineon habe derzeit bei der Leistungselektronik im Auto einen weltweiten Marktanteil von 26 Prozent. Um bei Leistungshalbleitern erfolgreich zu sein, müsse ein Unternehmen im Wesentlichen eine Reihe von Kernkompetenzen bündeln. Dies beginne bei den Schaltkreisen selbst, erstreckt sich über die Aufbau- und Verbindungstechnik bis hin zu einem breiten und skalierbaren Produktportfolio.
Vom Bare Die bis zur Komplettlösung
Der Leistungshalbleiter sei eben keine Standardtechnologie, sondern wird zum Beispiel bei Infineon in 300-mm-Dünnscheibenfertigung hergestellt. Gerade in der Aufbau- und Verbindungstechnik gebe es deutliche Unterschiede zum herkömmlichen Halbleiter. Leistungshalbleiter haben höhere Verlustleistungen und im Vergleich zum Verbrennungsmotor erzeugen sie viel Wärme auf nur wenigen Quadratzentimetern Fläche. Diese gilt es durch einen geschickten Aufbau der Module entsprechend abzuleiten.
Das Produktportfolio von Infineon richtet sich nach den Bedürfnissen der Anwender: einige kaufen den Nacktchip und kümmern sich selbst um das Packaging, wer schnell am Markt sein will kauft Hybrid-Packs oder ganze Module, also Komplettlösungen mit Treiber und Sensorik. Denn die Leistungshalbleiter seien zwar eine wesentliche Komponente im E-Fahrzeug, aber reichen allein nicht aus, um ein Gesamtsystem zu gestalten. Damit Anwender nicht mühsam andere Komponenten suchen müssen, bietet Infineon diese auch an, zum Beispiel die entsprechenden Treiber, Mikrocontroller und Stromsensoren. Ein Thema werde in Zukunft noch sehr wichtig: die Versorgungssicherheit für Leistungshalbleiter. Es sei zu erwarten, dass der Markt einen derartigen Aufwind erfahren wird, dass die Fähigkeit der Halbleiterhersteller, den Bedarf sicher abzudecken, wettbewerbsdifferenzierend wird. Verfügbarkeit ist vor allem dann ein Thema, wenn es um SiC-Leistungshalbleiter geht. Heute basiert noch nahezu jeder Leistungshalbleiter auf Silizium-Technologie, im Hochvoltbereich in Form von IGBTs.
Wann kommt SiC ins Auto?
Für OEMs sind die wichtigsten Entwicklungsziele die Reduzierung des Bauraums, niedrige Kosten und geringe Verlustleistung – für den Halbleiterhersteller heißt dies: Leistungsdichte erhöhen, Effizienz steigern, Temperaturbeständigkeit erhöhen und die passende Aufbau- und Verbindungstechnik bereitstellen. Und genau hier kommt SiC ins Spiel.
Im Vergleich zum Silizium bietet es drei wesentliche Vorteile: geringere Schaltverluste, geringe Durchlassverluste und Verringerung der Baugröße der Elektronik aufgrund der höheren möglichen Schaltfrequenzen. Der Wide-Bandgap-Halbleiter hat im Vergleich zum Silizium einen entscheidenden Nachteil: der Preis – und damit stünde er eigentlich im Widerspruch zu den Entwicklungszielen, die sich Infineon setzt. Allerdings gebe es bei SiC den Trade-Off zwischen Leistungsfähigkeit/Qualität und Preis. Geringe Ausfallraten der SiC-Bauteile bei höchster Temperaturbelastung rechtfertigen den Einsatz. Schiefer vermutet, dass SiC-Bauelemente zunächst in der Premium-Sparte starten und geht davon aus, dass die Preise mit der Zeit entsprechend fallen, sodass sie auch in der Mittelklasse zum Einsatz kommen. Konkret bedeute dies, dass bis 2025 noch 80 Prozent der Leistungselektronik-Schaltkreise auf Silizium-Technologie und 20 Prozent auf SiC basieren werden.
Sportwagen unter Hochspannung
Unter Hochspannung im Wortsinn stand der Vortrag von Uwe Michael, dem Chef der Elektrik und Elektronik im Hause Porsche. Das ist durchaus wörtlich zu verstehen: Michael stellte die Technik des elekt-risch angetriebenen Taycan vor, der zur IAA das Licht der Welt erblicken wird. Und dieser Supersportwagen arbeitet mit einer Bordnetz-Spannung von 800 V. Unter dem Blech verbergen sich noch weitere Innovationen.
Bei der Konzeption des Fahrzeugs widmeten die Porsche-Ingenieure sechs Aspekten ihre besondere Aufmerksamkeit: Elektronik-Architektur, Hochspannungsnetz, Batterie, Ladevorgänge, den sogenannten Smart Functions sowie einem Bereich, den Michael als „Additional Highlights“ etikettierte.
Das Innenleben des Taycan
Die Elektronik des Taycan besteht ganz konventionell aus mehr als 100 funktionsspezifischen ECUs, die allerdings über einen zentralen Ethernet-Backbone untereinander vernetzt sind. Die Zukunft kommt über das zentrale Gateway ins Auto, denn darüber lässt sich die gesamte Software per Datendownload aktualisieren, und zwar über den gesamten Lebenszyklus des Elektrofahrzeugs hinweg.
Diese spezielle Funktionalität machte ein Security-Konzept für alle Ebenen der Architektur zur zwingenden Voraussetzung. Dass diese Entwicklung kein leichtes Unterfangen war, räumte Michael freimütig ein. „Wir hatten die Komplexität unterschätzt.“, so sein Resümee. Die OTA-Updates (Over-the-Air) bieten eine große funktionale Bandbreite – vom einfachen Update für die Navigationskarte über Garantiefunktionen wie Bugfixes bis zum Entsperren von Features oder dem Herunterladen gänzlich neuer Funktionen.
Das Hochspannungs-System des Taycan umfasst mehr als zehn Komponenten. Vorder- und Hinterachse werden jeweils von einer eigenen Elektromaschine mit angebauter Steuerelektronik angetrieben. Ferner verfügt der Taycan über den mit mehr als 10 Kilowatt leistungsstärkste Heizer dieser Fahrzeugklasse. Er dient nicht nur dem Komfort der Insassen, sondern hält auch die Batterie auf optimaler Betriebstemperatur.
Zur Ansteuerung der Aktuatoren im Fahrwerk gibt es einen speziellen DC/DC-Wandler mit 48 Volt Ausgangsspannung. Eine echte Neuheit ist der HV-Booster – er setzt erforderlichenfalls die Eingangsspannung am Ladestecker von 400 auf 800 Volt hoch. „Das macht uns unabhängiger von der Ladeinfrastruktur,“ erklärte Michael.
Die 800-V-Batterie
Bei der Hochvoltbatterie stützt sich Porsche auf Erfahrungen aus dem Motorsport – in Le Mans schickte das Unternehmen zwar kein Elektrofahrzeug auf die 24-Stunden-Tortur, aber immerhin einen Plug-In-Hybriden mit einer 800-V-Batterie. Entwickelt zusammen mit LG, wird die Batterie für den Taycan in Polen produziert werden.
Zum Laden stehen vier Betriebsarten zur Verfügung: Die Standardmethode an der heimischen Wallbox mit 11 kW Wechselstrom, die Option mit 22 kW und ebenfalls Wechselstrom sowie die Gleichstrom-Varianten mit 400 Volt und 50 beziehungsweise 150 kW sowie die Maximalvariante mit 800 Volt, die als Standardbetriebsart vorgesehen ist und der Ladesäule satte 350 kW abfordert. Man solle sich allerdings schon mal darauf einstellen, dass die Ladeinfrastruktur da nicht immer voll und ganz mitspiele, gab Michael den Ingenieuren mit auf den Weg.
Und warum eigentlich 800 V? Nicht zuletzt wegen der Kabeldurchmesser. Die höhere Spannung macht dünnere Verdrahtungen möglich. „Damit können wir Dutzende von Kilos an Gewicht einsparen“, so Michael.
Dipl.-Ing. Alfred Vollmer
Dr.-Ing. Nicole Ahner
Dipl.-Ing. (FH) Christoph Hammerschmidt
(av, na)