Hände halten ein Smartphone, das gerade ein Foto macht

Smartphones sind überall präsent, so auch auf dem 26. Automobil-Elektronik Kongress. Ihre Art der Betriebssystem könnte ein Vorbild für die Automobilindustrie sein. (Bild: Matthias Baumgartner)

Mit der Digitalisierung der Mobilität einher geht die Umgestaltung der Geschäftsmodelle, Vorbild ist das mobile Telefon mit seinen zahllosen Softwarefeatures. Nicht umsonst bezeichnen Analysten und Journalisten das volldigitalisierte Auto gerne als „Smartphone auf Rädern,“ soll es doch nach dem Willen der Branche mittels Software seine Charakteristik den Wünschen der Anwender anpassen und neue Umsatzmöglichkeiten erschließen. Doch so weit wie das Smartphone ist das Auto noch lange nicht. Während bei den Telefonen im Wesentlichen zwei Betriebssysteme den Markt dominieren und damit eine weitestgehende Standardisierung der Angebotsplattformen ermöglichen, ist die Autoindustrie noch im Dickicht ihrer proprietären Lösungen gefangen, wie sich auch auf dem 26. Automobil-Elektronik Kongress in Ludwigsburg zeigte: Sage und schreibe 60 unterschiedliche Betriebssystemansätze kursieren zurzeit in der Branche, konstatierte Ricky Hudi, CEO von FMT, in seinem Einführungsvortrag.

Ricky Hudi auf dem AEK
Ricky Hudi: „Derzeit kursieren 60 unterschiedliche Betriebssystemansätze in der Branche.“ (Bild: Matthias Baumgartner)

Damit lenkte der in der Automobilelektronik bestens vernetzte Insider die Aufmerksamkeit auf den Elefanten im Raum: Das Fehlen eines einheitlichen Betriebssystems oder doch wenigstens die Reduzierung der Softwarevielfalt auf einige wenige Standard-Systemplattformen. Denn Branchenbeobachter sind sich darin einig, dass eine gemeinsame Softwarebasis eine wichtige Voraussetzung für den Markterfolg in einer digitalen Welt bildet. Ein Schlüsselbegriff hierbei lautet Skalierbarkeit.

Video-Rückblick auf den 26. Automobil-Elektronik Kongress

Auf was die Autobranche bei Betriebssystemen achten muss

Immerhin zeigten mehrere Vorträge, dass man sich in der Autobranche dieses Problems durchaus bewusst ist. Stephan Durach, Senior Vice President bei BMW, beispielsweise widmete seine Präsentation auf dem Kongress dem Thema Benutzererfahrung. Der genaue Titel des Vortrags „Experience first – the car as the ultimate mobile device” ließ den Vergleich zwischen Auto und Smartphone bereits anklingen. „Es geht (bei intelligenten Services) immer um den Skalenfaktor“, erläuterte der BMW-Manager, und in Anspielung auf die Anwendungssoftware lieferte er gleich eine Begründung nach: „Wenn sie sich nicht skalieren lässt, wird sie niemand pflegen und weiterentwickeln.“

Stephan Durach (BMW)
Stephan Durach (BMW) zum Thema Software: „Wenn sie sich nicht skalieren lässt, wird sie niemand pflegen und weiterentwickeln.“ (Bild: Matthias Baumgartner)

Ebenfalls auf den Faktor Skalierbarkeit rekurrierte Christof Horn von der Unternehmensberatung Accenture. Der Experte verwies auf den nach seiner Auffassung gravierenden technisch-organisatorischen Rückstand der Autoindustrie gegenüber dem Smartphone-Ökosystem. Dieses sei – im Gegensatz zu demjenigen der Autobranche – sehr ausgereift. In der Frage der Middleware und Betriebssysteme sind die OEMs derzeit noch nicht so weit, denn die Automobilhersteller sähen sich noch mit der Aufgabe konfrontiert, ihre historisch gewachsenen Prioritäten zu sortieren.

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Am 24. und 25. Juni 2025 findet zum 29. Mal der Internationale Automobil-Elektronik Kongress (AEK) in Ludwigsburg statt. Dieser Netzwerkkongress ist bereits seit vielen Jahren der Treffpunkt für die Top-Entscheider der Elektro-/Elektronik-Branche und bringt nun zusätzlich die Automotive-Verantwortlichen und die relevanten High-Level-Manager der Tech-Industrie zusammen, um gemeinsam das ganzheitliche Kundenerlebnis zu ermöglichen, das für die Fahrzeuge der Zukunft benötigt wird. Trotz dieser stark zunehmenden Internationalisierung wird der Automobil-Elektronik Kongress von den Teilnehmern immer noch als eine Art "automobiles Familientreffen" bezeichnet.

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Eine Festlegung auf eine Betriebssystemplattform als eine der Voraussetzungen für echte Skalierbarkeit suchten die Vortragenden soweit möglich zu vermeiden. So bekannte sich Magnus Östberg, seines Zeichens Chief Software Executive von Mercedes-Benz, zu MB.OS, dem Betriebssystem der Automarke mit dem Stern. In seinem Vortrag unterstrich Östberg die strategische Bedeutung dieses Systems für sein Unternehmen. Die Zuständigkeitsbereiche von MB.OS umfassen das automatisierte Fahren auf SAE-Level 3, Komfort- und Karosseriefunktionen, den (elektrischen) Antriebsstrang nebst Ladefunktionen und natürlich die Infotainment-Domäne. Eine der wichtigsten Aufgaben dieses Betriebssystems bestehe in der Separierung von Hardware und Software.

Magnus Östberg (Mercedes-Benz)
Magnus Östberg (Mercedes-Benz): über MB.OS: „Es ist ein zentrales Gehirn und Nervensystem unserer zukünftigen Fahrzeuge.“ (Bild: Matthias Baumgartner)

Was müssen zukünftige Betriebssysteme im Auto leisten?

Darüber hinaus deutete Östberg auf eine wichtige Säule der zukünftigen Funktionalität hin: Diese Systemsoftware befähige das Fahrzeug zu lebenslangem Lernen, das Auto werde so immer intelligenter – ein Hinweis auf die Fähigkeit zu Funktionsupdates via OTA-Download, also über die Funkschnittstelle. Indessen vermied Östberg jegliches rhetorische Bekenntnis zu existierenden Plattformen. „Bauen wir ein neues Linux?“ fragte der Mercedes-CSO rhetorisch. „Nein. MB.OS ist der Name für etwas, das wir als Chip-to-Cloud-Architektur bezeichnen, es ist viel mehr als Infotainment“, führte Östberg weiter aus. Auf Nachfrage bekräftigte Östberg noch einmal, dass es sich nicht um „eine Kopie oder eine neue Version von Linux“ handle: „Es ist ein zentrales Gehirn und Nervensystem unserer zukünftigen Fahrzeuge.“

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Etwas deutlicher wurde Riclef Schmidt-Clausen, der bei Volkswagens Softwareunternehmen Cariad für den Bereich Intelligent Cockpit & Body zuständig ist: „Google und Apple zeigen uns, wie man Altlasten hinter sich lassen und erfolgreich werden kann. Sie zeigen, was man alles loswerden kann“, und er sagte das in Bezug auf die Softwarestrategie seines Unternehmens. Gleichzeitig bekannte sich der Software-Manager zu Android, wenn auch lediglich in Bezug auf die Cockpit-Funktionalität: „Android und Open Source sind die Basis für unsere Infotainment-Strategie.“ Eine Sensation war dieses Bekenntnis allerdings zu diesem Zeitpunkt nicht mehr, denn etwa eine Woche zuvor hatte Cariad seine Mitgliedschaft in der Eclipse Foundation bekanntgegeben, einem Zusammenschluss von Unternehmen zur Förderung von Open-Source-Software.

Riclef Schmidt-Clausen (Cariad)
Riclef Schmidt-Clausen (Cariad) über Apple und Google/Android: „Diese Unternehmen zeigen uns, wie man es besser machen kann; da liegt die Herausforderung.“ (Bild: Matthias Baumgartner)

Bei alledem konzentrierten sich die Ausführungen von Schmidt-Clausen auf den Aspekt der User Experience. Auch hier will sich Cariad von den Grundsätzen der Smartphone-Industrie leiten lassen. „Die User Experience (UX) von Apple und Android sind nicht so unterschiedlich“, stellte Schmidt-Clausen fest. „Diese Unternehmen zeigen uns, wie man es besser machen kann; da liegt die Herausforderung.“ Bei dieser Gelegenheit rang sich Schmidt-Clausen dann doch zu einer Ankündigung durch. „Wir werden eine wirklich vereinfachte UX vorstellen, und das schon sehr bald.“

Der Autor: Alfred Vollmer

Alfred Vollmer
(Bild: Hüthig)

Alfred Vollmer interessiert sich nicht nur für Technik per se in vielen Facetten und Einzelheiten sondern auch dafür, wie sich diese Technik im wirtschaftlich-gesellschaftlichen Rahmen sinnvoll anwenden, umsetzen und nutzen lässt. Der Dipl.-Ing. hat bereits während des Studiums der Elektrotechnik sein Faible fürs Schreiben entdeckt und ist mit über 30 Jahren Branchenerfahrung ein bestens vernetztes Urgestein der europäischen (Automobil-)Elektronik-Fachpresse. Er fragt gerne detailliert nach und lässt dabei auch die ökologischen Aspekte nicht aus. Mit vielen seiner (Elektrotechnik-)Prognosen lag er richtig, aber manchmal sorgten auch sehr spezifische Marktmechanismen dafür, dass es ganz anders kam…

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