Leistungselektronik wird immer dann eingesetzt, wenn Spannungen, Ströme oder Frequenzen transformiert werden müssen. Typische Anwendungen hierfür sind:

  • Ladegeräte (Mobiltelefone, PDA, portable Spielekonsolen usw.),
  • stationäre elektronische Kleingeräte (Fernseher, Computer),
  • Fahrzeuge mit elektrischem Antrieb (E-Stapler, Elektroautos (Bild 1), Züge, Aufzüge usw.) oder
  • Stromerzeugung (Photovoltaikanlagen, Windenergieanlagen usw.).

So unterschiedlich wie die Einsatzgebiete sind auch die Anforderungen an die Zuverlässigkeit, die zu schaltenden Leistungen und das Packaging. Kleinere Leistungen lassen sich von MOSFET-Bauelementen schalten, welche häufig als diskrete Bauelemente in Löt- oder Klebetechnik aufgebaut werden. Diese werden in Anwendungen mit Schaltfrequenzen bis in den Megahertzbereich eingesetzt (Bild 2).

IGBT-Module werden für Leistungselektroniken mittlerer Leistung und Schaltfrequenz verwendet. In klassischen IGBT-Modulen findet die Löttechnik weite Verbreitung. Die Vorteile von IGBTs sind die hohe Stromdichte, der niedrige Durchlasswiderstand und die einfache Ansteuerung. Aus diesem Grund eignen sich diese für die meisten Netzanwendungen.

Bipolartransistoren, GTOs und Thyristoren finden in Anwendungen hoher Leistung ihren Einsatzbereich. Diese werden je nach Leistungsbereich in Löt- oder in Klemmtechnik aufgebaut (Bild 3).

Diskrete Leistungselektronik-Bausteine

Bauelemente dieser Kategorie finden hauptsächlich in Leistungsbereichen bis etwa 100 W Verwendung. Typische Endgeräte sind Computer oder auch Ladegeräte für mobile Elektronik. Diese Bausteine können je nach zu schaltender Leistung mit unterschiedlichen Materialien für die Kontaktwerkstoffe aufgebaut sein (Bild 4).

Eine Forderung, die für die Verbindungen in diskreten Bauelementen besteht, ist, dass die Verbindung während des nachfolgenden Reflow-Schritts auf Systemebene nicht wieder aufschmilzt. Bei Löttemperaturen von 260 °C ist somit ein Verbindungswerkstoff notwendig, welcher selbst einen Schmelzpunkt von >280 °C aufweist.

Für Bauelemente niedriger Leistung kommen Aufbauten mit Leitkleber in Frage. Bei höheren Leistungen werden hochbleihaltige Lote als Kontaktwerkstoffe verwendet. Letztgenannte Gruppe von Verbindungsmaterialien weist einen geringeren elektrischen Widerstand und eine höhere thermische Leitfähigkeit als Leitkleber auf.

Lotwerkstoffe können einen erheblich größeren Beitrag zur besseren Entwärmung des Packages leisten als Leitkleber. Ebenso ist ersichtlich, dass der Verlust von elektrischer Leistung an der Verbindungsstelle von Die und Substrat durch den geringeren elektrischen Widerstand niedriger ist als bei der Verwendung von silbergefüllten Leitklebstoffen.

Leitklebstoffe haben jedoch ihre Vorteile in der niedrigeren Prozesstemperatur im Vergleich zu Loten und sind zudem bleifrei. Das Lot sollte, um eine zuverlässige Lötung zu erreichen, mit einer Temperatur von 20 bis 40 °C über der Schmelztemperatur gelötet werden. Das bedeutet, dass Prozesstemperaturen zwischen 300 bis 340 °C notwendig sind, wenn hochschmelzende Lote verwendet werden. Bei Verwendung von Leitklebern sind Prozesstemperaturen von 150 bis 200 °C ausreichend.

Lunker vermeiden

Voids in der Lötstelle haben einen entscheidenden Einfluss auf die Zuverlässigkeit der Lötverbindung in der Leistungselektronik. Um bei der Verwendung von Loten und insbesondere von Lotpasten eine möglichst voidfreie Verbindung zu erhalten, müssen die Oberflächen von Die und Substrat gut benetzbar sein. Neben der richtigen Auswahl der Metallisierungen der Interfaces ist entscheidend, dass die Oberflächen sauber und frei von Oxiden sind. Werden Lotpasten verwendet, so wird die Reinigung und Desoxidation von dem in der Paste vorhandenen Flussmittel erledigt.

Zwischen der zur Reinigung der Oberflächen des Substrates und des Dies zur Verfügung stehenden Aktivierung und der Lunkerrate der Lötstelle besteht bei Flächenlötungen vereinfacht der Zusammenhang: Je mehr zur Verfügung stehende Aktivierung und je besser benetzbar die Oberfläche, desto weniger Voids.

Werden Lotpasten eingesetzt, kommt es bei der Lötung zu einer Oxidation des Lotpulvers. Diese Oxide müssen durch das Flussmittel vom Lotpulver entfernt werden, wodurch die Pastenaktivierung zum Teil verbraucht wird. Zusätzlich ist die Lötung unter Schutzgas notwendig, um die Oxidation des Lotpulvers aber auch der ggf. verwendeten Cu-Substrate zu minimieren. Als Schutzgas findet hier häufig Stickstoff oder Formiergas Anwendung.

Hieraus wird deutlich, dass sowohl die Qualität der Reflow-Atmosphäre als auch die Abstimmung des Lotprofils entscheidenden Einfluss auf die Qualität der Lötstelle im Allgemeinen und auf die Lunker-Rate im Speziellen hat. Neben den Prozesseinflüssen spielen zusätzlich auch die Qualität der Die-Oberfläche und des Substrats eine wichtige Rolle. Sind diese schlecht benetzbar, schlägt sich das in hohen Voidraten nieder. Auch bei Optimierung der entsprechenden Parameter lassen sich Lunker nicht völlig vermeiden. Lunker sind für gelötete diskrete Bauelemente aber üblicherweise akzeptiert und auch spezifiziert.

IGBT-Module

In IGBT-Modulen finden verschiedenste Aufbautechniken Anwendung. Die Module können gelötet, geklemmt bzw. geschraubt oder auch gesintert werden. Bei gelöteten Modulen finden bleifreie SnAg- oder SnAgCu-Lote breite Anwendung. Noch wichtiger als bei den diskreten Bauelementen sind hier voidfreie Verbindungen, da deutlich höhere Leistungen geschaltet werden. Diese höheren Leistungen führen zu einer stärkeren Erwärmung der Lötstellen. In Kombination mit dem Auftreten von Voids kann es zu lokalen Überhitzungen des Bauelementes kommen, welche Bondlifts oder eine Zerstörung der Lotstelle zur Folge haben können.

Um voidfreie Lötstellen bei Verwendung von Lotpasten erreichen zu können, findet die Lötung üblicherweise mit Vakuumunterstützung statt (Bild 5 und 6). In der Liquidusphase des Lötprozesses wird ein Unterdruck in der Lötkammer erzeugt. Das in der Lötstelle durch die Oberflächenspannung eingeschlossene Gas kann entweichen und man erhält auf diese Weise eine (annähernd) voidfreie Lötstelle.

Lote mit erhöhter thermischer Belastbarkeit

Trends, welche bei Leistungselektronik zu beobachten sind, sind eine höhere Leistungsdichte und damit verbunden eine erhöhte Sperrschichttemperatur. Bei Sperrschichttemperaturen von 150 °C erreichen die aktuell verwendeten Legierungen in Bezug auf Zuverlässigkeit ihre Grenzen. Alternative Legierungen wie Innolot bzw. die Heraeus Hochtemperaturlegierung HT1 zeigen in Bezug auf Temperaturbeständigkeit deutlich verbesserte Eigenschaften (Bild 7, 8, 9 und 10).

Diese Legierungen weisen trotz ihres relativ niedrigen Schmelzbereichs um 220 bis 230 °C höhere Temperaturbeständigkeiten auf – im Vergleich zu üblichen bleifreien Legierungen mit vergleichbaren Schmelzbereichen. Die verbesserte Temperaturbeständigkeit wird durch Dotierung der Legierungen erreicht, was zu einer verbesserten thermomechanischen Stabilität der Lotverbindung führt.

Die elektrischen und thermischen Leitfähigkeiten dieser dotierten Legierungen entsprechen in etwa denen der undotierten Legierungen. Für Anwendungen, welche eine erhöhte thermische oder elektrische Leitfähigkeit benötigen, oder bei Einsatztemperaturen um 200 °C, ist daher ein alternativer Verbindungswerkstoff notwendig.

Sintersilber

Für Anwendungen mit erhöhten Ansprüchen an die genannten Materialeigenschaften hat die Verwendung von gesintertem Silber in den letzten Jahren vermehrt Beachtung gefunden.

Tabelle 2: Vergleich der Materialeigenschaften von Ag-Sinterverbindungen und Lotverbindungen.

Tabelle 2: Vergleich der Materialeigenschaften von Ag-Sinterverbindungen und Lotverbindungen.W. C. Heraeus

Die Materialeigenschaften von Loten und Silbersinterverbindungen sind in Tabelle 2 verglichen.

Silber weist einen deutlich höheren Schmelzpunkt als zinnbasierte bleifreie Lote auf. Der Schmelzpunkt von Silber liegt bei 961 °C. Bei Einsatztemperaturen von 150 bis 200 °C sind durch den großen Abstand von Einsatz- und Schmelztemperatur praktisch keine Alterungserscheinungen an der Verbindungsschicht beobachtbar. Auch die thermische Leitfähigkeit ist deutlich größer als bei bleifreien Loten, sodass eine Entwärmung durch eine Silberschicht im Vergleich zum Lot deutlich effektiver stattfindet. Höhere Verlustleistungen bei vergleichbarem Temperaturanstieg in der Leistungselektronik sind so möglich.

Der Einsatz eines Werkstoffes mit einer so hohen Schmelztemperatur wird durch die Sintereigenschaften von Silber möglich. Silber neigt zum sintern. Dieser Prozess kann durch Additive unterstützt werden, sodass Prozesstemperaturen von 200 bis 250 °C möglich sind. Die Ausbildung von intermetallischen Phasen mit den metallischen Anschlussflächen von Die und Substrat erfolgt ebenfalls bei den genannten Temperaturen durch einen Diffusionsprozess. Voraussetzung für einen erfolgreichen Verbindungsprozess ist daher, dass Silber in die Werkstoffe der Kontaktflächen diffundieren kann.

Niedertemperatur-Verbindungstechnik

Stand der Technik für das Silbersintern sind die Niedertemperatur-Verbindungstechnik (NTV) und die Verwendung von Nano-Silber (Tabelle 2). NTV wurde vor allem von der Uni Braunschweig (5) (6) für die DCB-Applikation angepasst und beschrieben. NTV verwendet dabei hohe Drucke (>30 MPa) für den Verbindungsprozess und benötigt allein schon deshalb ein spezielles Equipment und Know-how, um erfolgreich IGBTs und Dioden in der Leistungselektronik auf DCB zu verbinden. Die große Herausforderung ist es, die Silizium-Chips ohne Bruch bei benötigten hohen Prozessdrücken anzusintern. Für viele Applikationen lässt sich NTV daher nicht erfolgreich einsetzen, da entweder die Dicke der Chips oder die Substrate keine Anwendung der erforderlichen Drücke zulässt. Beispiele hierfür sind die Chipkontaktierung auf LF- oder LED-Kontaktierung. Aber auch sehr dünne IGBTs auf DCB erfordern zukünftig einen deutlich reduzierten Prozessdruck oder die Möglichkeit, druckfrei zu sintern (7).

Mikroskalige Sinterlösung

Als Alternative zur NTV wurde lange Zeit die Verwendung von Nano-Silber favorisiert. Nano-Silberpasten wurden unter anderem auch von Dr. Bai beschrieben (8). Es soll damit möglich sein, druckfrei zu sintern.

Untersuchungen der Business Unit Microbond Assembly Materials von Heraeus bestätigen, dass es möglich ist, mit Nano-Silber druckfrei zu sintern (9). Allerdings können befriedigende Ergebnisse nur bei Silberlagen bis zu 10 µm erreicht werden. Bei dickeren Silberschichten ist der Sinterschrumpf so groß, dass es zu keiner homogenen Schicht kommt. Dies führt zu einer ungenügenden Verbindung. Nano-Silber ist also für gesinterte Schichtdicken wesentlich dicker als 10 µm nicht geeignet. Für Substrate mit einer Rauhigkeit von >10 µm (z.B. DCB) ist Nano-Silber daher nicht einsetzbar.

Der Preis von Nano-Silberpasten ist zudem sehr hoch, da der Formpreis für Nano-Silber deutlich über dem von Mikro-Silber liegt. Zusätzlich müssen besondere Maßnahmen für den Arbeitsschutz bei der Pastenherstellung von Nano-Silberpasten eingehalten werden, was letztendlich zu einem sehr hohen Pastenpreis führt. Der Einsatz dieses Materials wird somit für viele Anwendungen unwirtschaftlich. Nano-Silber und Nano-Silberpasten sind zudem nur begrenzt lagerstabil.

Heraeus hat daher ein Pastenkonzept namens MagIc (Microbond Silver Interconnect) entwickelt, das mikroskaliges Silberpulver verwendet, durch den Zusatz von Additiven jedoch bei Temperaturen um 220 °C innerhalb kurzer Zeit druckarm oder druckfrei sinterbar ist (Bild 11).

MagIc verbindet somit die Vorteile der Lagerstabilität und der einfachen Handhabung von NTV-Pasten mit den Vorteilen des druckfreien Sinterns bei niedrigen Temperaturen von Nano-Silberpasten, und das unter Beibehaltung der vorteilhaften Materialeigenschaften von Silber. 

Literatur

(1) Blessing, Uli. http://www.hybrid-autos.info. 3. 3 2011.

(2) Lutz, Josef. Halbleiter-Leistungsbauelemente. Berlin: Springer-Verlag, 2006. ISBN 9783540342069.

(3) Berberich, Sven. Entwicklung, Herstellung und Charakterisierung von integrierbaren Leistungsbauelementen und einer Trench-Gate Technologie. Erlangen: s.n., 2005.

(4) Schermann, Uwe; Semikron. Power Modules, Tutorial: Power Electronics Packaging.

(5) Klaka, Sven. Eine Niedertemperatur-Verbindungstechnik zum Aufbau von Leistungshalbleitermodulen. 1995. ISBN 3-89588.

(6) Mertens, Christian. Die Niedertemperaturverbindungstechnik der Leistungselektronik. 2004. ISBN 3-18-336521-9.

(7) Silbersintern bei niedrigen Temperaturen und Drucken mit mikroskaligen Silberpulvern für die Aufbau- und Verbindungstechnik. Schmitt, Wolfgang und Krebs, Thomas. München: s.n., 2010. Imaps 2010.

(8) Bai, Guofeng. Low-Temperature Sintering of Nanoscale Silver Paste for Semiconductor Interconnection. s.l.: Virginia Polytechnic Institute and State University, Dissertation 2005.

(9) Novel Silver Contact Paste Lead Free Solution for Die Attach. Schmitt, Wolfgang. Nürnberg: s.n. CIPS 2010.


Thomas Krebs

: W. C. Heraeus Microbond, Hanau.

(hb)

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